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Interview mit Till Brönner

Haben Sie den "X Factor", Herr Brönner?

Die Castingshow "X Factor" geht in die zweite Runde. TV SPIELFILM hat mit Jazztrompeter und Juror Till Brönner gesprochen.

"X Factor" geht in die zweite Staffel. Was ist diesmal anders?

TILL BRÖNNER: Unsere große Hoffnung war, dass sich nach der ersten Staffel herumgesprochen hat, wie sehr es uns um Musik geht. Das scheint sich zu erfüllen. Ich glaube, wir haben diesmal noch eine etwas größere Talentdichte. Wir konnten jüngeren, aber auch älteren Talenten offenbar glaubhaft vermitteln, dass es sich lohnt, sich hier zu bewerben. Dass man nicht mit Häme verabschiedet wird, wenn es nicht geklappt hat.

Musicaldarsteller haben in Castingshows oft einen schweren Stand. Warum?

Musical ist mittlerweile fast so etwas wie volkstümliche Musik. Hat ein Riesenpublikum, wird aber vom Establishment immer belächelt. Es gibt aber in allen Genres gut und schlecht gemachte Musik. In den Castings haben wir viele Möchtegern-Musicalsänger gesehen, die eine etwas pathetische Ader an den Tag legen. - Eine Emotion, die manchmal ein bisschen trieft, ein bisschen inszeniert ist, aber gerade im Fernsehen viele Menschen endgültig und sicher erreicht.

Sind Kandidaten mit einer bewegten Vergangenheit und schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen ausdrucksstärker? Weil sie nichts anderes haben als die Musik?

Eine interessante These. Ich glaube aber nicht, dass sie stimmt. Ich habe Leute aus sehr gut situierten Verhältnissen gesehen, die gerade deshalb wahnsinnig kompromisslos sein konnten, weil sie nichts fürchten müssen. Die loten geradezu exzentrisch die Grenzen ihrer Fähigkeiten aus. Extrovertierte Menschen mit einer bewegten Geschichte sind in einem visuellen Medium oft besser zu verwerten. Verschlossene Kandidaten muss man sehr gezielt inszenieren, wenn man auf sie nicht verzichten will. Das muss kein Nachteil sein. Es muss nur der Wille und auch die Vorbereitung der Inszenierer da sein, das trotzdem spannend zu gestalten. Das ist einfach mehr Arbeit. Leute, die sehr freigiebig mit Informationen sind, müssen manchmal mit ansehen, wie damit die Nation belustigt wird und sie am Ende sich selbst überlassen werden. Das darf bei uns nicht vorkommen.

Was ist das Unangenehme an der Jurorentätigkeit?

Dass es nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen für gute Leute gibt. Dass man jemanden, den man für sehr talentiert hält, nach Hause schicken muss. Das ist extrem unangenehm. Das kann die Stimmung sehr trüben.

Wie sind Sie mit Editas Karriere zufrieden? Sie hatte im vergangenen Jahr bei "X Factor" gewonnen.

Edita ist eine Künstlerin, die sehr heiß diskutiert wird, und zwar in beide Richtungen. Super, dass sie sich nicht in ihren Kram reinreden lässt, sagen die einen. Die anderen sagen: Die hat doch gar keinen Erfolg. Sie gibt Konzerte und macht Musik. Warum sie in der breiten Öffentlichkeit nicht so stark wahrgenommen wird, kann ich nicht sagen. Ich bin zufrieden, weil ich weiß, dass sie weiterhin ihre Substanz hochhält. In zwei Jahren müssen wir noch mal darüber sprechen.

Respektlosigkeiten nerven Sie, sagen Sie. Braucht man die aber nicht als Künstler?

Wenn Leute sich nur einen Spaß machen, nervt mich das. Die Ernsthaftigkeit, mit der wir einem Kandidaten entgegentreten, darf ein Echo erwarten. Man muss allerdings trennen zwischen denen, die es einfach nicht verstehen, was sie tun, und denen, die bewusst witzig sein wollen.

Tut es einem jungen Musiker nicht gut, auch mal heruntergeputzt zu werden?

Wenn jemand zu sehr um seine eigene Begabung weiß und deshalb nachlässig wird, dann ist das eine Sollbruchstelle. Mein eigener Lehrer hat mir gesagt: Die anderen kann ich mit Lob überschütten, aber dir trete ich in den Hintern. Ich habe das immer wahnsinnig ungerecht und streng empfunden, aber es war eigentlich gut. Es ist wichtig, dass man immer etwas vorbereiteter und trainierter ins Rennen geht als eigentlich nötig wäre.

Ticken Jazzer anders als Popper?

Definitiv. Der Jazzer ist immer gern bereit, seinen faktischen Misserfolg als Eigenständigkeit und Introvertiertheit zu verkaufen. So mancher Jazzmusiker könnte öfter mal zugeben, dass er gern auch Erfolg hätte. Immer nur dazusitzen und so zu tun, als wolle man das gar nicht, ist nicht meins.

Ist Ihre musikalische Karriere und Herangehensweise übertragbar auf den Nachwuchs? Nach dem Motto: Wenn du alles so machst wie ich, hast du Erfolg?

Das weiß ich nicht. Mir wird oft unterstellt, dass mein Weg zum Erfolg quasi ein Spaziergang war. Das stimmt nicht. Tatsächlich war ich sehr oft nicht zufrieden. Die meisten Jazzmusiker schlackern mit den Ohren, wenn sie hören, wie viel Arbeit, die nichts mit dem Instrumentspielen zu tun hat, anfällt, bevor man dann mal 90 Minuten auf der Bühne stehen darf. Das ist eine Frage der Organisation und des Willens.

Wie meinen Sie das?

Es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht mit meinem Bruder, der mich managt, zusammensetze und reflektiere und diskutiere. Man sollte jegliche Form von Degeneration und Abbau zumindest registrieren. Das ist eine Verantwortung für das, was man geschaffen hat.

Auf was muss ein aufstrebendes Talent achten? Was darf es jetzt nicht mehr tun? Im Umgang mit den Medien, mit seinem Körper?

Das muss jeder für sich selber herausfinden. Man muss herausfinden, an welcher Stelle man Kräfte verliert und wo man Kräfte tanken kann. Der eine braucht Ruhe, der andere braucht Sport, der dritte darf nur zwei Konzerte die Woche spielen, ein anderer ist nur dann richtig gut, wenn er jeden Tag spielt.
Der gute Berater legt dir nahe, nicht alles auszureizen. Dass man seine Fähigkeiten wohl dosiert an den Tag legt.

Haben Sie eigentlich den "X Factor"?

(lacht) Ich glaube nicht, wenn ich ehrlich bin. Aber wer weiß, wenn in der Show mal eine neue Kategorie mit Instrumentalisten aufgemacht wird, dann kann ich wahrscheinlich mitreden.

Frank Aures
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