Der Anfang ist glänzendes Metall: eine Kampfjet-Betankung aus der Luft, auf einem Flugzeugträger wird das Waffenarsenal poliert, ein US-Pilot erklärt seinen Einsatz: Sechs Stunden wird er wohl unterwegs sein, um Bomben über einer Stellung des "Islamischen Staates" abzuwerfen. Ob er weiß, was seine Ladung anrichten wird? Kein Kommentar, schon hebt die Super Hornet ab.
Danach: ein Infrarotbild, das schemenhaft die Umrisse von Gebäuden freigibt - und eine Person, die sich davon wegbewegt, bevor alles von der Wolke einer Explosion zugedeckt wird. Man muss schlucken. Ist hier gerade jemand umgekommen?
"Jetzt folgt der Titel", unterbricht Thomas Michel die beklemmende Situation. Der SWR-Redakteur bringt im Schneideraum in Mainz gemeinsam mit Ashwin Raman und dem Cutter Steffen Steup den letzten Schliff in einen Film, der in einen Konflikt eintaucht, der ebenso viele Fronten wie Wahrheiten kennt: "Im Nebel des Krieges".
Danach: ein Infrarotbild, das schemenhaft die Umrisse von Gebäuden freigibt - und eine Person, die sich davon wegbewegt, bevor alles von der Wolke einer Explosion zugedeckt wird. Man muss schlucken. Ist hier gerade jemand umgekommen?
"Jetzt folgt der Titel", unterbricht Thomas Michel die beklemmende Situation. Der SWR-Redakteur bringt im Schneideraum in Mainz gemeinsam mit Ashwin Raman und dem Cutter Steffen Steup den letzten Schliff in einen Film, der in einen Konflikt eintaucht, der ebenso viele Fronten wie Wahrheiten kennt: "Im Nebel des Krieges".
Drei Monate lang hat Reporter Raman an Kampfplätzen gegen den IS gefilmt: auf dem Flugzeugträger "Theodore Roosevelt" und in einer Kaserne in Bayern, wo Peschmerga-Kämpfer ausgebildet werden, vor allem aber im Kriegsgebiet selbst - in Syrien, Irak und Kurdistan. Ab jetzt wird es staubig und blutig: Im syrischen Hasakah beispielsweise, das beinahe täglich von US-Streitkräften bombardiert wird, oder in Falludscha, im Westirak, wo Stammesmilizen, Al Kaida und Armee einen undurchsichtigen Mehrfrontenkrieg führen.
Tod nach Interview
An der Frontlinie in Sindschar, wo Tausende Jesiden Opfer von IS-Gräueltaten wurden, führt Raman ein Interview mit einem jungen Peschmerga-Kämpfer. Minuten später ist sein Gesprächspartner tot. "Ein Scharfschütze", erklärt Raman und dass es auch ihn hätte treffen können. Was treibt den Mann an, der betont, dass ihm sein Leben allemal wichtiger sei als die Story, es aber trotzdem regelmäßig in die Waagschale wirft, um nahe am Geschehen zu sein? "Ich will zeigen, was die normalen Menschen hinter den Gefechtslinien ertragen müssen und wie es da überhaupt aussieht."
Dass sich Ashwin Raman bereits seit Jahrzehnten weit in Kriegsgebiete vorwagt und mit seinen Filmen regelmäßig für Aufsehen sorgt, unterstreicht die Ausnahmestellung des Journalisten, für den 9/11 in zweifacher Hinsicht einen Wendepunkt markiert. Zum einen, weil der Terror zum bestimmenden Thema seiner Arbeit wird, zum anderen, weil die technische Entwicklung neue Vorgehensweisen ermöglicht."Meine Frau hat mir eine JVC geschenkt. Ich flog damit nach Kabul, habe auf Automatik gestellt und losgedreht."
Seitdem benutzt der Autodidakt, der aufgrund seiner indischen Herkunft und der dunklen Haut in seinen Berichtsgebieten oft als Einheimischer angesehen wird, die handtellergroße Kamera. Er reist allein, übernachtet selten in Hotels, sondern bei Freunden oder anderen Journalisten, wie jetzt in Bagdad, einer Stadt, die er lieber ausgelassen hätte. "Alle paar Meter Kontrollen. Während meines Aufenthalts dort passierten zwei Anschläge mit Hunderten von Opfern."
Der SWR hat ihm zu verstehen gegeben, dass man keine Mitarbeiter in Gegenden schicken wolle, die so gefährlich sind. "Da ist er ohne Auftrag losgefahren", so Thomas Michel, der bereits elf Filme von Ashwin Raman redaktionell betreut hat. "Es ist typisch für ihn, dass er sich so weit vorwagt, bis der Krieg in Sicht kommt. Er kann nie genau sagen, wo ihn die Geschichten dann hintreiben. Da ist es schwer, eine Risikoprognose zu erstellen."
Tatsächlich ist Raman stolz darauf, eben keine Agenda zu haben. Er hat seine Kontakte, gute Kontakte, zu allen möglichen Gruppierungen, die oft noch in die Zeit zurückreichen, als die Mudschahedin gegen die Sowjet-Armee kämpften. Einige sind Taliban geworden, andere Geschäftsleute, die Kontakte sind immer noch da. "Ich pflege meine Freundschaften", die bis in die finstersten Winkel reichen, auch nach Rakka, die selbst ernannte Hauptstadt des IS. Ein Ort, der auch für Raman zu heikel wäre, oder? "Meine Frau hat Nein gesagt, Tom (Michel) hat Nein gesagt, aber ich glaube, ich wäre da wieder rausgekommen."
Es hätte ihn gereizt, wenngleich er den Erkenntniswert von IS-Inside-Reportagen wie die des Internetkanals Vice oder von Friedensaktivist Jürgen Todenhöfer nicht sehr hoch einschätzt. Raman berichtet von einem befreundeten britischen Kollegen, John Cantlie, der im November 2012 vom IS gekidnappt wurde und heute, immer noch in Geiselhaft, für die Islamisten Propagandafilme dreht.
Irrer Killer aus Hollywood
Eine Begegnung der seltsamen Art erwartet den Zuschauer jetzt in Gestalt von Michael Enright, einem Schauspieler, der nach "Fluch der Karibik" eine neue Rolle gefunden zu haben scheint: Laut "Fuck!" rufend, schwer bewaffnet und mit Helmkamera unterwegs, will er so viele IS-Kämpfer wie möglich töten.
Bei der Sichtung im Schnitt wird "Im Nebel des Krieges" seinem Titel vollauf gerecht. Der Film ist eine Aneinanderreihung eindringlicher Momentaufnahmen, verweigert eine analytische Einordnung, sondern deckt viel Widersprüchliches auf: Die Schiiten-Miliz würde normalerweise auf der US-Terrorliste stehen. Aber nicht jetzt.
Heiko Schulze
>>> Im Nebel des Krieges
MO, 1.2., Das Erste, 22:45 Uhr
Tod nach Interview
An der Frontlinie in Sindschar, wo Tausende Jesiden Opfer von IS-Gräueltaten wurden, führt Raman ein Interview mit einem jungen Peschmerga-Kämpfer. Minuten später ist sein Gesprächspartner tot. "Ein Scharfschütze", erklärt Raman und dass es auch ihn hätte treffen können. Was treibt den Mann an, der betont, dass ihm sein Leben allemal wichtiger sei als die Story, es aber trotzdem regelmäßig in die Waagschale wirft, um nahe am Geschehen zu sein? "Ich will zeigen, was die normalen Menschen hinter den Gefechtslinien ertragen müssen und wie es da überhaupt aussieht."
Dass sich Ashwin Raman bereits seit Jahrzehnten weit in Kriegsgebiete vorwagt und mit seinen Filmen regelmäßig für Aufsehen sorgt, unterstreicht die Ausnahmestellung des Journalisten, für den 9/11 in zweifacher Hinsicht einen Wendepunkt markiert. Zum einen, weil der Terror zum bestimmenden Thema seiner Arbeit wird, zum anderen, weil die technische Entwicklung neue Vorgehensweisen ermöglicht."Meine Frau hat mir eine JVC geschenkt. Ich flog damit nach Kabul, habe auf Automatik gestellt und losgedreht."
Seitdem benutzt der Autodidakt, der aufgrund seiner indischen Herkunft und der dunklen Haut in seinen Berichtsgebieten oft als Einheimischer angesehen wird, die handtellergroße Kamera. Er reist allein, übernachtet selten in Hotels, sondern bei Freunden oder anderen Journalisten, wie jetzt in Bagdad, einer Stadt, die er lieber ausgelassen hätte. "Alle paar Meter Kontrollen. Während meines Aufenthalts dort passierten zwei Anschläge mit Hunderten von Opfern."
Der SWR hat ihm zu verstehen gegeben, dass man keine Mitarbeiter in Gegenden schicken wolle, die so gefährlich sind. "Da ist er ohne Auftrag losgefahren", so Thomas Michel, der bereits elf Filme von Ashwin Raman redaktionell betreut hat. "Es ist typisch für ihn, dass er sich so weit vorwagt, bis der Krieg in Sicht kommt. Er kann nie genau sagen, wo ihn die Geschichten dann hintreiben. Da ist es schwer, eine Risikoprognose zu erstellen."
Tatsächlich ist Raman stolz darauf, eben keine Agenda zu haben. Er hat seine Kontakte, gute Kontakte, zu allen möglichen Gruppierungen, die oft noch in die Zeit zurückreichen, als die Mudschahedin gegen die Sowjet-Armee kämpften. Einige sind Taliban geworden, andere Geschäftsleute, die Kontakte sind immer noch da. "Ich pflege meine Freundschaften", die bis in die finstersten Winkel reichen, auch nach Rakka, die selbst ernannte Hauptstadt des IS. Ein Ort, der auch für Raman zu heikel wäre, oder? "Meine Frau hat Nein gesagt, Tom (Michel) hat Nein gesagt, aber ich glaube, ich wäre da wieder rausgekommen."
Es hätte ihn gereizt, wenngleich er den Erkenntniswert von IS-Inside-Reportagen wie die des Internetkanals Vice oder von Friedensaktivist Jürgen Todenhöfer nicht sehr hoch einschätzt. Raman berichtet von einem befreundeten britischen Kollegen, John Cantlie, der im November 2012 vom IS gekidnappt wurde und heute, immer noch in Geiselhaft, für die Islamisten Propagandafilme dreht.
Irrer Killer aus Hollywood
Eine Begegnung der seltsamen Art erwartet den Zuschauer jetzt in Gestalt von Michael Enright, einem Schauspieler, der nach "Fluch der Karibik" eine neue Rolle gefunden zu haben scheint: Laut "Fuck!" rufend, schwer bewaffnet und mit Helmkamera unterwegs, will er so viele IS-Kämpfer wie möglich töten.
Bei der Sichtung im Schnitt wird "Im Nebel des Krieges" seinem Titel vollauf gerecht. Der Film ist eine Aneinanderreihung eindringlicher Momentaufnahmen, verweigert eine analytische Einordnung, sondern deckt viel Widersprüchliches auf: Die Schiiten-Miliz würde normalerweise auf der US-Terrorliste stehen. Aber nicht jetzt.
Heiko Schulze
>>> Im Nebel des Krieges
MO, 1.2., Das Erste, 22:45 Uhr
Der Filmemacher Ashwin Raman
wurde in Mumbai, Indien, geboren, schrieb für "Los Angeles Times", "Observer" und "Spiegel". 1978 reiste Raman nach Nicaragua, wo sein erster Film über den dortigen Bürgerkrieg entstand: "With the Sandinistas". Mittlerweile hat der 69-Jährige mehr als 200 Dokus gedreht, vornehmlich aus Kriegs- und Krisengebieten wie Afghanistan, Somalia und dem Irak. Seine Filme wurden mehrfach prämiert, unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis 2010 und dem Otto Brenner Preis 2015 für kritischen Journalismus.