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Ideenklau

Finden die das lustig?

Immer wieder erinnern Sat.1-Komödien (DI, 26.5.) stark an erfolgreiche Hollywood-Filme. Ist dieser Ideenklau okay? Warum denkt sich der Sender nichts Eigenes aus?

In "Der Dummschwätzer" (1997) kann Jim Carrey nicht mehr lügen, weil er verzaubert wurde. Das war lustig. Bettina Zimmermann geht es jetzt im Sat.1-Movie "Zum Teufel mit der Wahrheit" ganz genauso. Ist allerdings nicht genauso lustig.

In "Super-Dad" erfährt ein -Samenspender, dass aus seinem Erbmaterial Dutzende Kinder entstanden sind und diese ihn nun auf Unterhalt verklagen wollen. Krasse Geschichte. Der kanadische Regisseur und Autor Ken Scott hat sie in den USA ("Der Lieferheld"/"Delivery Man") und Kanada ("Starbuck") gleich zweimal verfilmt, allerdings wesentlich krasser. Zwei Fragen drängen sich auf: Darf man Plotideen einfach so übernehmen? Und: Warum wird das gemacht?
Die rechtliche Seite: Ideen gehören niemandem, man kann sie nicht schützen. Das sei auch gut und richtig, sagt US-Autor Paul Guay, der sich "Liar Liar" ("Der Dummschwätzer") 1990 ausgedacht hat. "Aber mit der Umsetzung einer Idee ist das anders. Wenn jemand dieselbe Idee auf substanziell ähnliche Art umsetzt, wie ich das getan habe, dann ist das Diebstahl."

Jim Carrey kommt in der Komödie ins Büro und lügt eine ganze Reihe von Kollegen an. Nach der Verzauberung wird die Szene quasi wiederholt, die Kollegen hören diesmal die Wahrheit und sind entsetzt. Diese Szene findet man ganz genau so in "Zum Teufel mit der Wahrheit".

Barbara Jago, Drehbuchautorin der Sat.1-Version, sagt, sie habe vom Produzenten den Auftrag bekommen, den Plot "Frau kann nicht mehr lügen" umzusetzen. Szenen wie die angesprochenen würden sich logisch aus der Plotvorgabe ergeben. Kopiert habe sie nichts. Wer hat recht? Klären könnte man so etwas höchstens mit einem langwierigen Gerichtsverfahren. Und das will niemand. Und ganz besonders nicht in Deutschland.

Ideen sind, sobald sie ausgesprochen sind, frei. Werden von anderen aufgenommen, weitergedreht, in einen neuen Kontext gestellt. So entsteht oft etwas Neues. Und natürlich sind auch die beiden Sat.1-Filme keine Eins-zu-eins-Kopien. Was ist neu?

Sat.1-Fiction-Chef Jochen -Ketschau, der auf Begriffe wie "Kopie" oder "Inspiration" gar nicht erst eingeht, sagt: "Grundsätzlich entwickeln wir - und das ist der große Unterschied zur Filmschmiede Hollywood - Stoffe aus Themen, die unsere deutschen Lebenswelten widerspiegeln." Mal sehen: Drehbuchautorin Barbara Jago ist gebürtige Britin, lebt auf Mallorca und versteht kein Deutsch. Und sorgt so für deutsche Lebenswirklichkeit und knackige Dialoge?

Beide Filme wurden zumindest in Teilen mit südafrikanischer Wirtschaftshilfe gedreht - natürlich in Südafrika. Auch wenn die Autos mit Berliner Kennzeichen durch die Gegend fahren, die lichtdurchfluteten Villen, die Straßen, die Pflanzen - sie sehen einfach nicht nach -Berlin aus. Dass die südafrikanischen Nebendarsteller synchronisiert werden müssen, verstärkt die Künstlichkeit, die Unverortbarkeit, die Lebensferne der Geschichten noch weiter.

"Das ist eine reine Risikovermeidungsstrategie", sagt Sebastian Andrae vom Verband Deutscher Drehbuchautoren VDD. "Man will mit etwas Bewährtem noch einmal punkten. Aber das ist natürlich ziemlich langweilig." Ein Drehbuch mit einer Originalidee sei nicht teurer als das mit einer recycelten. "Es ist aber nicht so leicht, gute neue Ideen zu entwickeln", sagt Andrae. "Man braucht einen langen Atem, muss manchmal zehn Drehbücher neu entwickeln lassen, um zwei wirklich originelle zu bekommen."

Für den Neu-Aufguss des Bekannten spricht, dass man es nicht lange erklären muss, etwa den Werbekunden, die ihr Produkt in einem passenden Umfeld präsentiert sehen wollen: Ist wie "Dummschwätzer", bloß mit 'ner Frau. Alles klar. Und natürlich hat der Sender an einem selbst produzierten Film alle Rechte und kann ihn, ohne Lizenzen zahlen zu müssen, beliebig oft wiederholen. Er kann ihn sogar an ausländische Sender verkaufen - beide Sat.1-Filme sind für den Weltvertrieb vorgesehen -, die ja auch eine Menge Sendezeit zu füllen haben. Mit gutem Programm hat das natürlich nichts mehr zu tun.

Der Erfolg dieser TV-Movies wird daran gemessen, wie viele der für die Werbewirtschaft besonders relevanten Zuschauer im Alter von 14 bis 49 zugesehen haben. Wichtig ist der Marktanteil in dieser Zielgruppe: Wie viel Prozent der zum Zeitpunkt der Ausstrahlung vor dem Fernseher sitzenden Jungen haben genau diesen Film gesehen?

Bei "inspirierten" Sat.1-Filmen der jüngeren Vergangenheit wie "Hangover in High Heels" lag er bei 10,2 Prozent, bei "Meine -allerschlimmste Freundin" nach dem Vorbild "Ted" bei 10,5 Prozent. Damit ist man offenbar zufrieden. Interessant ist, dass diese Werte viel besser aussehen, wenn tatsächlich mal originär deutsche Wirklichkeit erzählt wird. Wie in der Satire "Der Minister" (18,2 Prozent), die die Guttenberg-Affäre aufs Korn nahm, oder in der Komödie "Barfuß bis zum Hals" (20,3 Prozent), die von der FKK-Leidenschaft der Ostdeutschen erzählte.

Neben dem kommerziellen Erfolg fördern solche originären Stoffe das Prestige eines Senders. Die heiß geliebte Serie "Danni Lowinski" mit "Sendergesicht" Annette Frier wurde sogar in die USA verkauft. Warum also Filme, die Filmfans anöden, die versierte Schauspieler schlecht aussehen lassen, weil sie sich mit Weltklasse-Komikern vergleichen lassen müssen? Filme, die niemanden bewegen, die nur dann empfohlen werden, wenn wirklich gar nichts anderes im Fernsehen läuft. Und das auch nur aufgrund der geklauten starken Originalidee. Danni, wo bist du?

Frank I. Aures

Zum Teufel mit der Wahrheit
DI 19.5. Sat.1 20.15 Uhr

Super-Dad
DI 26.5. Sat.1 20.15 Uhr