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Gekaufte Kinder (DI, 13.3.)

Grauenhafte Wohltäter

Eine Doku über Pädophile (DI, 13.3.) zeigt, wie diese Leute ihre Opfer finden und wo - in Katastrophengebieten

Er muss gar nicht ins Detail gehen. Wenn Dokumentarfilmer Manfred Karremann von Pädophilen berichtet, reichen die Eckdaten, um Bestürzung hervorzurufen. "Zwei Berliner haben einen Hilfsverein gegründet und in Haiti ein Kinderheim aufgemacht", erklärt Karremann mit ruhiger Stimme. "Nur für Jungs. Und auch, um sich an ihnen vergehen zu können." Davon handelt "Gekaufte Kinder", Karremanns neue Reportage, die das ZDF im Rahmen der "37°"-Reihe zeigt.

Lockmittel Fußballstar
"Aufgeflogen ist das Ganze nur, weil einer der Männer versucht hat, einen Jungen nach Deutschland zu schmuggeln, und das am Flughafen aufgefallen ist." In der Lobby eines Berliner Hotels zeigt Karremann das Rohmaterial seines Films auf dem Laptop. Vom Erdbeben zerstörte Straßenzüge, heruntergekommene Hotels, vermummte Männer vor Gericht, die elternlose Kinder mit dem Versprechen nach Deutschland locken, sie könnten hier Fußballstar werden.
"Ganz viele Pädophile fahren über Jahrzehnte ins Ausland und gern in Krisengebiete", sagt Karremann. "Dort sind die Kinder besonders ausgeliefert. Die sagen dann, ich tue ja auch etwas Gutes. Ich bezahle das Kind schließlich dafür." Dieses "Mitgefühl" versiege allerdings schnell, wenn die Kinder aufgrund ihres Alters für den Pädophilen uninteressant würden, meist mit Einsetzen der Pubertät.
Karremann kennt sich aus in der Szene. Er hat für das ZDF schon einige Filme zum Thema gemacht, Artikel und Bücher geschrieben, für die er ein Jahr undercover recherchiert und sich selbst als Pädophiler ausgegeben hat. "Man muss nicht viel tun. Diese Leute sprechen gern über sich und ihre Probleme."

Hilfe für die Wehrlosen
Ein normales Leben sei für die meisten nicht möglich, erzählt Karremann. "Man kann nicht von neun bis fünf arbeiten, wenn man mittags im Hallenbad sein muss. Weil dann die Kinder dort sind. Dazu kommt die ständige Angst, verhaftet zu werden."
Das alles berichtet der Journalist mit leiser Stimme, ruhig und strukturiert. Dieser Mann ist kein hassgetriebener Eiferer. Er ist ein Pragmatiker. "Was nützt es, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen und zu sagen, wie schrecklich das ist? Es ist besser, Anwalt zu sein für die, die sich nicht wehren können", erklärt er. Ganz spurlos ist die Recherche wohl nicht an ihm vorbeigegangen. Kinder habe er in dieser Zeit nicht auf den Schoß nehmen können.
Auf das Thema Pädophilie sei er durch Zufall gekommen. "Ich war für den ,Stern‘ vor einigen Jahren in Thailand. Dort habe ich jemanden kennengelernt, der Kinderpornografie auf Videokassetten vertrieben hat, und der hat einen Kompagnon gesucht. Und hat sich ausgerechnet an mich gewandt." Heute ist Karremann auch bei der Kriminalpolizei als Spezialist anerkannt, der die Beamten auch als Referent schult. Die Kriminalpolizei hat mittlerweile eine zentrale E-Mail- Adresse ([email protected]) eingerichtet, unter der Urlauber Missbrauchsbeobachtungen melden können.
Die Informationen, die Karremann aus der albtraumhaften Parallelwelt der Kinderschänder zusammenträgt, sind nicht leicht verdaulich, aber besonders wertvoll. Denn es sind keine reißerischen Boulevardstücke, die sich an Missbrauchseinzelheiten weiden und letztlich dazu dienen, Ängste und Aggressionen zu schüren und damit den Verstehensprozess zu verhindern. Seine Aufgabe ist am Detail ausgerichtete Aufklärung: Wer weiß, mit welchen Tricks Pädophile arbeiten, kann seine Kinder wirkungsvoll schützen. Karremann: "Wenn die Kinder Nein sagen können, dann ist die Gefahr in den meisten Fällen schon gebannt." Frank Aures