Als sich am 30. November die Nachricht verbreitete, Paul Walker sei bei einem Autounfall mit einem Sportwagen gestorben, dachten viele an einen dieser makabren Internetscherze, der sich an Walkers Status als Star der Autoaction "The Fast and the Furious" anhängen wollte.

Doch Stunden später war klar: Der 40-jährige Schauspieler hatte im kalifornischen Santa Clarita tatsächlich als Beifahrer im Wrack eines Porsche sein Leben verloren.

Wie genau es zu dem Unglück gekommen ist, und ob es neben überhöhter Geschwindigkeit noch andere Ursachen gab, wird vermutlich nie endgültig geklärt. Wer sich für Spekulationen interessiert, muss nur die Boulevard-presse verfolgen, die Paul Walkers Tod breit ausschlachtet. Das ist etwas, was dem Sohn eines Ka­nal­arbeiters nicht gepasst hätte.
Es missfiel ihm, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bei Interview­terminen zeigte er sich ohne Allüren und am liebsten in Klamotten von der Stange. Und sowohl die Freundin als auch seine 15-jährige Toch­ter aus einer früheren Beziehung hielt er weitestgehend aus der Öffentlichkeit. Ihnen zuliebe plante er den Rückzug aus Hollywood.

Doch zuvor wollte er noch mit seiner anderen Familie zusammen sein, der Crew von "Fast & Furious", mit der er 13 Jahre und fünf Filme (Teil drei setzte er aus) verbrachte.

Erfolg aus optischen Gründen

Während ihrer ersten Zusammenarbeit im Jahr 2000 galt Paul Walker als Prototyp dessen, was man in den USA einen All-American nennt: sportlich, blond und blauäugig. All seine Rollen bedienten dieses Klischee, sei es als Basketballer in "Pleasantville", als Quarterback in "Varsity Blues" oder als verwöhnter Student in "Eine wie keine" und "The Skulls". Ein Umstand, dem sich Walker schon in frühen Jahren bewusst war.

"Mein Aussehen hat in meiner Karriere bisher die größte Rolle gespielt", gab er sich bescheiden. Nach "The Fast and the Furious" wollte Walker seine zweite Karrie­re­phase mit seriöseren Stoffen beginnen. Stattdessen fand er die Rolle seines Lebens.

Auch privat ein Autonarr

Als Undercovercop Brian O'Con­ner, der bei seinen Ermittlungen gegen illegale Autorennen der Faszination der Untergrund-rennszene erliegt, spielte Paul Walker sich im Grunde genommen selbst. Denn die Liebe zu Autos war ihm in die Wiege gelegt: Sein Großvater fuhr in den 60ern Rennen für Ford, und auch sein Vater hatte ein Faible für schnelle Wagen.

Kein Wunder, dass Paul auf "The Fast and the Furious" ansprang: "Sie sagten mir, ich dürfe einen Cop spielen, schnelle Autos fahren und mit einer schönen Frau rummachen - und sie bezahlen mich dafür", schwärmte er von seinem Traumjob, dessen Gehaltsschecks die Grund­lage für eine eigene Kollektion flotter Vehikel legten.
Soziales Gewissen

Doch Walker war mehr als ein Adrenalinjunkie. Ursprünglich träumte er von einer Karriere
als Meeresbiologe - eine Leidenschaft, der er später mit der Na­tional-Geographic-Reihe "Shark Men" und dem Taucherfilm "Into the Blue" Tribut zollte. Auch sozial war er sehr engagiert: Mit der von ihm gegründeten Wohltätigkeitsorganisation "Reach Out Worldwide" half er u. a. 2010 den Erdbebenopfern Haitis.

Auch am 30. November 2013 hatte er gerade eine Autoshow zugunsten der Taifunopfer auf den Philippinen veranstaltet, als er für eine kleine Spritztour zu seinem Freund Roger Rodas ins Auto sprang. Wenige Hundert Meter später zerschellte der rote Porsche Carrera GT an einem Baum und ging in Flammen auf.

Einige Tage darauf glich die Unglücksstelle einem Meer aus Blumen, Abschiedsbotschaften und bizarrerweise "Fast & Furi­ous"-DVDs. Co-Star Tyrese Gib­son sagte hier unter Tränen seinem Freund Lebewohl, während Vin Diesel und Michelle Rodri­guez zu Paul Walkers Eltern flogen, um Trost zu spenden - und am Ende selbst diejenigen waren, die getröstet werden mussten, wie Vin Diesel neben einer herzzerreißenden Abschiedsbotschaft auf seiner Facebook-Seite schrieb.

Weiterdrehen, ja oder nein?

Bedenkt man, wie nah sich die Menschen vor und hinter der Kamera standen, dürfte es schwerfallen, die Reihe einfach weiterzuführen. Andererseits wäre es auch gewagt, Walkers Tod im siebten Teil zu verarbeiten: In einer Auflistung der Qualitäten von "Fast & Furious" käme emotionale Wahr­haftigkeit kaum unter die Top 10.

Entsprechend haben die Produzenten mittlerweile angekündigt, die Figur Brian O'Conner nicht sterben zu lassen. Rund die Hälfte seiner Szenen hatte Paul Walker vor seinem Tod abgedreht, ein Großteil davon will man in dem auf 2015 verschobenen siebten Teil benutzen, um ihn - so die offizielle Sprechweise - "in den Ruhestand zu verabschieden".

Das komplette Einstampfen des Fulns kam wohl nie infrage. Schließlich hatte der sechste Teil weltweit knapp 800 Millionen Dollar eingespielt. Eine Summe, bei der es in Hollywood nur wenig Platz für Gefühle gibt.

Nun ist es nichts Neues, dass ein Schauspieler stirbt, bevor ein Film in die Kinos kommt. Doch selten zuvor war der Tod so eng mit dem Film verbunden. Heath Ledger starb nicht wie der Joker aus "The Dark Knight" in einem Säurebad, und Oliver Reed fand seinen Tod nicht als "Gladiator"...

Ob man dagegen bei wilden Renn­szenen mit Paul Walker in Zukunft die Erinnerungen an seinen Tod ausblenden kann, ist fraglich. Natürlich wird das Studio es den Fans leichter machen, indem man das Mantra pflegt, "er hätte nicht gewollt, dass die Reihe endet" und - wie beim DVD-Verkauf des sechsten Films - einen Teil des Erlöses an Paul Walkers Stiftung spendet. Doch der unschuldige Spaß, den alle an der herrlich über­drehten und auf gute Art sinnfreien Action­fan­tasie hatten, wird sich nur schwer wieder einstellen.

Rüdiger Meyer

Fast & Furious
SO, 26.1., Cin, 20:15 Uhr