Görings Bruder ein Widerstandskämpfer, kann das sein? Das ARD-Dokudrama "Der gute Göring" beleuchtet jetzt das Verhältnis zweier Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten und sich doch sehr nahestanden, der eine ein Mörder, der andere ein Retter.

Sandra Maischberger wurde im Jahr 2013 durch einen "Spie­gel"-Artikel auf den jüngeren Bruder des NS-Reichsmarschalls aufmerksam, in dem Autor Gerhard Spörl zu der Erkenntnis reift, dass anhand der Görings die gesamte Geschichte des Dritten Reichs erzählt werden könnte.

"Besser kann auf einen Filmstoff ja nicht hingewiesen werden", so die Polittalkerin, die mit ihrer Produktionsfirma Vincent TV 2014 bereits dem Berliner Bürstenmacher Otto Weidt ein Dokudenkmal gesetzt hat. Weid bewahrte jüdische Mitarbeiter vor dem Zugriff der Nazis.
Diesmal begann fast ein Wettlauf gegen das Vergessen, als sich - angestoßen von einer BBC-Doku - auch der austra­lische Autor William Hastings Burke der Geschichte Albert ­Görings annahm.

Wie zuvor im Weidt-Film inszenierte Regisseur Kai Chris­tiansen "Der gute Göring" als Kammerspiel mit eingestreutem Dokumaterial, das sich auf fünf Begegnungen der ungleichen Männer beschränkt. Eine Psychopathologie des Bösen in seltsam barocken Schlösserwelten, prominent besetzt mit Francis Fulton-Smith als prunksüchtigem Nazifürsten und Barnaby Metschurat, der hier den guten Albert mimt (im Hollywood-Film "Race", Kinostart 5. Mai, spielt er dann Joseph Goebbels).

In sehr überschaubaren Partien: "Tatort"-Kommissarin Anna Schudt als Emmy Göring und die viel beschäftigte Natalia Wörner, demnächst in der neuen ARD-Filmreihe "Die Diplomatin".
"Ich habe es Natalia verkaufen dürfen, weil wir befreundet sind", sagt Maischberger lachend, "aber sieht sie nicht aus wie Henny Porten?" Die Schauspielerin war die deutsche Stummfilmdiva schlechthin, geriet nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings vollkommen in Vergessenheit.

"Wir wollten nicht noch einen Film über das Dritte Reich, sondern neue Personen in den Fokus rücken, wirklich etwas Neues erzählen", erläutert Regisseur Christiansen. "Die Görings erscheinen mir im Kern fast ar­chaisch wie Kain und Abel, aber es ist auch ein Film über einen ­Helden in dunkler Zeit."

Für Sandra Maischberger hat die Entdeckung des vergessenen Aufrechten mehr als historische Bedeutung. "Mein Thema ist ja die Gegenwart, und da glaube ich, dass man nicht oft genug ­zeigen kann, dass es selbst in übermächtigen politischen Großwetterlagen immer möglich war, eine humanistische ­Haltung beizubehalten."

Ihr nächstes Projekt ist bereits in Arbeit, im Mittelpunkt steht eine Frau: die Spionin Mata Hari.

Heiko Schulze

Der gute Göring
SO 10.1. Das Erste 21.45 Uhr


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