Glückliche Tiere, eine saubere Natur, traditionsverbundene Landwirte, die ihre Produkte lieben - es sind ausnahmslos schöne Bilder, die uns beim Etikett "Bio" in den Sinn kommen. Zu schön, um wahr zu sein?

"Hinter den Kulissen sieht es anders aus. Bio wird der konventionellen Landwirtschaft in vielen Fällen immer ähnlicher", erklärt der Dokumentarfilmer Christian Jentzsch im Gespräch mit TV SPIELFILM. Sein Film "Die Bio-Illusion", den Arte jetzt zeigt, wirft einen ziemlich ernüchternden Blick auf eine Landwirtschaft, die mit dem ursprünglichen Ökogedanken nur noch wenig zu tun hat.
Sieben Milliarden Euro wurden vergangenes Jahr allein in Deutschland für Bio-Lebensmittel ausgegeben. Europaweit waren es 21 Milliarden. Bio hat sich in den vergangenen Jahrzehnten von einer Nische zum Massenmarkt entwickelt. Rund vier Prozent des Umsatzes mit Lebensmitteln in Deutschland entfallen auf die Biosparte.

Ein Grund für den Boom: Salat und Tomaten mit dem Öko-Prädikat sind erschwinglich geworden. Ein Großteil des Umsatzes entfällt inzwischen auf die großen Handelsketten. 65 Prozent aller Bio-Konsumenten kaufen biozertifizierte Lebensmittel im Discounter. Das bleibt nicht ohne Folgen: "Die Lebensmittelriesen üben auf Biolandwirte denselben Preisdruck aus wie auf konventionelle Produzenten", sagt Dokufilmer Jentzsch.

Sie verlangen normgerechte Ware ohne Schönheitsfehler, und das in großen Mengen und zu jeder Jahreszeit - Anforderungen, denen nur eine industriell organisierte Landwirtschaft genügen kann. Wer sich dem verweigert, droht im Verdrängungswettbewerb unterzugehen.

Das ist nicht die einzige hässliche Seite des Biobooms. Christian Jentzschs Doku berichtet von Agrarspekulanten, die in Osteuropa riesige Landflächen aufkaufen, kleinbäuerliche Strukturen platt machen und durch biozertifizierte Monokulturen ersetzen. EU-Öko-Subventionen stocken die saftige Dividende kräftig auf.

Man erfährt auch von zu laxen Kontrollen einiger Biosiegel-Anbieter, was zu Schmu und Betrug einlädt. Da werden Obst und Gemüse heimlich mit der chemischen Keule bearbeitet. Und hinter den Stalltüren eines deutschen Bio-Geflügelzüchters herrscht das ganze Grauen moderner Massentierhaltung.

Als Verbraucher habe man nämlich durchaus die Möglichkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen

Trotz aller Missstände: Jentzschs Film ist kein plumpes Biobashing nach dem Motto "Sowieso alles Beschiss!". Bei allen Skandalen durch Kontrolllücken seien Biosiegel immer noch eine gute Orientierungshilfe: "Bio ist grundsätzlich ein wertvoller und guter Ansatz. Ich kaufe selbst auch weiterhin bestimmte Bio-Produkte."

Als Verbraucher habe man nämlich durchaus die Möglichkeit, die Spreu vom Weizen zu trennen. So ist Biosiegel nicht gleich Biosiegel. Während das offizielle Siegel der EU (Blatt aus Sternen) vergleichsweise moderate Anforderungen an Produzenten stellt, gelten die Verbände demeter und Bioland als streng.

"Echte Qualität hat ihren Preis"

Wem es wirklich ernst ist mit dem Bio-Gedanken, der sollte neben der Etikettierung auch darauf achten, saisonal und regional einzukaufen. Erdbeeren im Dezember und Feldsalat im Juli können hierzulande nicht ressourcenschonend produziert werden und verursachen auf ihren Transporten rund um den Globus jede Menge Treibhausgase.

Wer die Möglichkeit hat, sollte direkt beim Produzenten kaufen, etwa beim Biobauern auf dem Wochenmarkt, auch wenn das Kilo Kartoffeln dort mehr kostet als beim Discounter. Denn, so Jentzsch: "Wir müssen endlich anerkennen, dass echte Qualität ihren Preis hat."

Christian Holst
Die Bio-Illusion
DI 3.6. Arte 20.15 Uhr