Die Zuschauer sollten gewarnt sein: Ein gemütlicher Fernsehabend wird das nicht. Spätestens wenn die "Titelhelden" aus der "Der Baader Meinhof Komplex" in der Stammheimer Haft isoliert werden, weil draußen die zweite Generation der RAF das Morden beginnt, rutscht man zunehmend beunruhigt auf dem Wohnzimmersessel herum.

Die Sache ist über 30 Jahre her. Aber sie ist heiß, und wie beim TV-Film "Mogadischu" aus dem letzten Jahr merkt man schnell: Über das düsterste Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte ist noch lange kein Gras gewachsen.

"Wie tief das Trauma des RAF-Terrorismus der 70er-Jahre in Deutschland auch heute noch sitzt, war selbst für mich überraschend", sagt Bernd Eichinger, der als Produzent und Drehbuchautor gemeinsam mit Regisseur Uli Edel den Aufreger des vergangenen Kinojahres auf die Leinwand brachte. Bereits vor der Premiere von "Der Baader Meinhof Komplex" war die Stimmung unter Kulturschaffenden, Kritikern und Politikern aufgeheizt wie seinerzeit beim Stammheim-Prozess.

Die einen waren tief beeindruckt von einem authentischen, spannenden Drama, andere empörten sich über die "Action-Dramaturgie" oder vermissten einen Blick auf die Zeitumstände. Dass Hinterbliebene von Anschlagsopfern wie die Witwe des ermordeten Bankiers Jürgen Ponto gegen Details in der Darstellung klagten, tat ein Übriges.

Zur Fernsehausstrahlung wird der Film jetzt erneut für Gesprächsstoff sorgen, seine herausragende Bedeutung hat die ARD bereits im Sendeplatz dokumentiert: der erste Teil läuft am Sonntagabend, anstelle des "Tatort".

Vom Protest zum Terror

"Der Baader Meinhof Komplex" folgt weitgehend dem gleichnamigen Sachbuchklassiker des ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteurs Stefan Aust und beginnt bereits zehn Jahre vor dem Terrorjahr: Während der Studentenkrawalle beim Besuch des Schahs von Persien in Berlin 1967 erschießt der Polizist Karl-Heinz Kurras den Studenten Benno Ohnesorg.

Das ist der Auslöser für die politisch vorwiegend links orientierte Studentenschaft, gegen den Staat zu rebellieren. Das Verhalten der USA im Vietnamkrieg vertieft die Kluft. Nach Protestaktionen und Brandstiftungen eskaliert die Situ-ation durch das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke. Spontiaktivist Andreas Baader, die Journalistin Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin bilden Anfang der 70er-Jahre die linksmilitante Rote Armee Fraktion, kurz RAF.

Die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut", die Selbstmorde der inhaftierten RAF-Mitglieder sowie die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers stürzen die Bundesrepublik im September und Oktober 1977 in eine ihrer schwersten Krisen, den "Deutschen Herbst". Insgesamt war die RAF verantwortlich für 34 Morde, zahlreiche Banküberfälle und Sprengstoffattentate, bis sie 1998 ihre Selbstauflösung erklärte.

Mehr als zehn Jahre danach ist "Der Baader Meinhof Komplex" der Versuch, "jungen Leuten zu zeigen, was damals passiert ist", sagt Regisseur Uli Edel. Das tut der Film so drastisch wie realistisch. Offen bleibt bei dem gnadenlosen Geballer, wie es dazu kommen konnte, dass eine "mitleidlose Mörderbande", so Jörg Schleyer, der Sohn des ermordeten Arbeitgeberpräsidenten, große Sympahie in studentischen und künstlerischen Kreisen genießen konnte.

Hier offenbart sich ein Grundproblem bei der Bewertung der RAF-Historie, die eng mit der Geschichte einer Generation verbunden ist, der 68er. Einblicke in die damalige Gefühlslage der Protestler gewährt der Film "Deutschland im Herbst" (am 21.11. um 23.15 Uhr im NDR). Elf Filmemacher - darunter Alexander Kluge, Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder - stellen sechs Monate nach der Ermordung Schleyers bei der Berlinale ihre Reaktion auf die Ereignisse vor. Die Collage aus Dokuschnipseln und gespielten Episoden vermittelt eine höchst angespannte Atmosphäre in der Bevölkerung, die Paranoia gegenüber der Staatsmacht, aber auch den spießigen Muff eines autoritätshörigen Nachkriegsdeutschlands.

"Der Baader Meinhof Komplex" widmet sich jetzt mit den Mitteln des Mainstreamkinos unverhohlen der Gewalt der Täter. Das knapp dreistündige Sperrfeuer der Ereignisse lässt dabei wenig Raum für hintergründige politische Analyse. Vielleicht verleiht gerade dieser Umstand dem Film seine Faszination, "der Geschichte von Idealismus, der in politische Verirrung und in schreckliches Handeln umschlägt", wie Stefan Aust sagt. Die RAF wird uns in jedem Fall noch länger beschäftigen.

Heiko Schulze

Der Baader Meinhof Komplex
SO/MO 22./23.11. ARD 20.15 Uhr