Gab's beim Spielen Situationen, in denen ihr euren Intellekt und euer eigenes Rechtsbewusstsein ausblenden musstet?
Nadja Uhl: Ich sag's mal etwas lapidar: Töten will gelernt sein. Ich weiß nicht, wie es Moritz ging, aber wenn ein Mensch am Boden liegt und du auf seinen Kopf zielst, wie ich es in der Szene der Erschießung des Bankiers Erich Ponto mehrmals wiederholen musste, da passiert ja was mit dir. Ich glaube, dass man entweder gar nicht nachdenkt, wenn man tötet, oder aus der tiefen Überzeugung handelt, das einzig Richtige zu tun. Man tötet nicht so nebenbei.
Bilder Der Baader Meinhof Komplex
Als Schauspieler ist es eine Gratwanderung. Man spielt Töten, man sieht Blut - also ich habe das völlig unterschätzt. Auch wie jemand vor deinen Augen stirbt, das zu spielen kostet unglaublich viel Energie. Das hab ich selten nach einem Drehtag so gespürt wie in dieser Rolle.
Moritz Bleibtreu: Die Samurai sagen, in dem Moment, in dem du fähig bist, einen Menschen bewusst zu töten, bist du auch fähig, dich selbst zu töten. Du bringst nämlich dadurch auch den wahrscheinlich wichtigsten Teil um, der einen Menschen ausmacht: die Fähigkeit zum Mitgefühl.
Parallel zum "Baader Meinhof Komplex" hat Nadja den ARD-Film "Mogadischu" über die Entführung der Lufthansa-Maschine durch palästinensische Verbündete der RAF 1977 gedreht. Wie spielt man an einem Tag die Terroristin und am nächsten die Stewardess, die als Geisel in dem Flieger sitzt, den eben diese Terroristin entführen ließ?
Nadja Uhl: Es ist mit Sicherheit meine bisher extremste Erfahrung gewesen. Einen Tag nachdem wir am Set von "Mogadischu" die Erschießung von Flugkapitän Schumann gedreht hatten, haben wir in Marokko als RAF-Mitglieder die Flugzeugentführung organisiert - ein solcher Spagat ist grenzwertig. Im Gefühl und im Reflektieren.
Ich muss ja beiden Frauen als Menschen gerecht werden, um sie zu spielen, der Stewardess Gaby Dillmann genauso wie der Terroristin. Und obwohl jedem von uns klar ist, dass man Menschen nicht töten darf, dass es Opfer und Täter gibt, kann ich die Rolle Brigitte Mohnhaupt nicht verraten. Ich kann nur hoffen, dass ich beiden Frauen gerecht geworden bin. Und zwar ohne jegliche moralische Wertung.
Moritz Bleibtreu: Wenn ich mich entschließe, eine Figur zu spielen, muss ich emotional und menschlich Achtung vor ihr haben, selbst wenn ich weiß, dass sie das größte Drecksschwein war. Wie soll ich denn in Baaders Gefühlswelt eintauchen, wenn ich nicht respektiere, wie er sich fühlt und warum er tut, was er tut? Als Schauspieler bin ich in der Schuld der Figur, die ich spiele.
Bei einem Mann wie Andreas Baader, den lange Zeit viele cool fanden, weil er tatsächlich ein cooler Typ war, kann ich mich doch nicht hinstellen und sagen, ich spiele den jetzt aber total unsympathisch, weil die Zuschauer den aus Political Correctness auf keinen Fall cool finden dürfen.
Nadja Uhl: Bei so komplexen und brutalen Themen wie diesem wird sicher jedem schnell klar, dass man mit Moral allein nicht weiterkommt. Ich finde etwas anderes sehr spannend an diesem Spiel mit dem Feuer - zu zeigen, wie verführbar man selbst im Kino sitzen kann. Als Schauspieler muss man den Mut aufbringen, eine Figur so auszureizen, dass jeder sie in ihrem Handeln versteht und sich fragt: Wahnsinn, hätte ich da mitgemacht?
Wir wollen mit diesem Film ganz sicher keine Götzenverehrung betreiben, aber wir wollen zeigen, dass es sie gab. Es gab den Baader-Meinhof-Mythos, es gab den Sexappeal von Baader und Ensslin und diesen intellektuellen Mythos um Ulrike Meinhof. Und ich finde, man sollte gelegentlich prüfen, auf welche Lehroder Hexenmeister man im Leben reinfallen möchte und welchen man besser widersteht.
Ein Teil der Gefängnis-Szenen wurde in Stammheim gedreht, in dem Trakt, in dem die RAF-Mitglieder saßen. Auch eine besondere Erfahrung?
Moritz Bleibtreu: Knast ist immer Scheiße und vermittelt ein bedrückendes Gefühl. Was aber in Stammheim wirklich interessant war ist, dass dieser ominöse siebte Stock, in dem die RAF-Mitglieder lange in Isolationshaft saßen, mittlerweile zum Jugendarrest gehört. Als wir da waren, hing in der Zelle, in der Andreas Baader saß, ein Bushido-Plakat. Also da würde ich jetzt schon gerne wissen, ob der Junge überhaupt weiß, was das für ein geschichtsträchtiger Ort ist, an dem er da einsitzt.
Manche Schauspieler sagen, ihre Rolle hätte sie noch Monate verfolgt. Wie schnell wart ihr die RAF wieder los?
Moritz Bleibtreu: Es gibt Schauspieler, für die es neben der Arbeit kaum ein Leben mehr gibt. Ich kann das beurteilen, weil meine Mutter früher so war. Die stand dreieinhalb Stunden auf der Bühne und hat anschließend viereinhalb Stunden in der Kantine über ihre Rolle diskutiert.
Nadja Uhl: Schrecklich, dieses sechswöchige Zerkauen von Stoffen in der Theaterkantine.
Moritz Bleibtreu: Das fand ich schon als Kind echt grauenvoll und das ist sicher auch der Grund, warum ich ganz anders geworden bin. Spielen funktioniert ohne hundertprozentige Hingabe sowieso nicht. Aber wenn die Arbeit vorbei ist, ist sie vorbei. Und gut.
Susanne Sturm
Kinostart: 25. September 2008
Nominiert für den Oscar
Premierenfotos "Baader Meinhof Komplex"
Nadja Uhl: Ich sag's mal etwas lapidar: Töten will gelernt sein. Ich weiß nicht, wie es Moritz ging, aber wenn ein Mensch am Boden liegt und du auf seinen Kopf zielst, wie ich es in der Szene der Erschießung des Bankiers Erich Ponto mehrmals wiederholen musste, da passiert ja was mit dir. Ich glaube, dass man entweder gar nicht nachdenkt, wenn man tötet, oder aus der tiefen Überzeugung handelt, das einzig Richtige zu tun. Man tötet nicht so nebenbei.
Bilder Der Baader Meinhof Komplex
Als Schauspieler ist es eine Gratwanderung. Man spielt Töten, man sieht Blut - also ich habe das völlig unterschätzt. Auch wie jemand vor deinen Augen stirbt, das zu spielen kostet unglaublich viel Energie. Das hab ich selten nach einem Drehtag so gespürt wie in dieser Rolle.
Moritz Bleibtreu: Die Samurai sagen, in dem Moment, in dem du fähig bist, einen Menschen bewusst zu töten, bist du auch fähig, dich selbst zu töten. Du bringst nämlich dadurch auch den wahrscheinlich wichtigsten Teil um, der einen Menschen ausmacht: die Fähigkeit zum Mitgefühl.
Parallel zum "Baader Meinhof Komplex" hat Nadja den ARD-Film "Mogadischu" über die Entführung der Lufthansa-Maschine durch palästinensische Verbündete der RAF 1977 gedreht. Wie spielt man an einem Tag die Terroristin und am nächsten die Stewardess, die als Geisel in dem Flieger sitzt, den eben diese Terroristin entführen ließ?
Nadja Uhl: Es ist mit Sicherheit meine bisher extremste Erfahrung gewesen. Einen Tag nachdem wir am Set von "Mogadischu" die Erschießung von Flugkapitän Schumann gedreht hatten, haben wir in Marokko als RAF-Mitglieder die Flugzeugentführung organisiert - ein solcher Spagat ist grenzwertig. Im Gefühl und im Reflektieren.
Ich muss ja beiden Frauen als Menschen gerecht werden, um sie zu spielen, der Stewardess Gaby Dillmann genauso wie der Terroristin. Und obwohl jedem von uns klar ist, dass man Menschen nicht töten darf, dass es Opfer und Täter gibt, kann ich die Rolle Brigitte Mohnhaupt nicht verraten. Ich kann nur hoffen, dass ich beiden Frauen gerecht geworden bin. Und zwar ohne jegliche moralische Wertung.
Moritz Bleibtreu: Wenn ich mich entschließe, eine Figur zu spielen, muss ich emotional und menschlich Achtung vor ihr haben, selbst wenn ich weiß, dass sie das größte Drecksschwein war. Wie soll ich denn in Baaders Gefühlswelt eintauchen, wenn ich nicht respektiere, wie er sich fühlt und warum er tut, was er tut? Als Schauspieler bin ich in der Schuld der Figur, die ich spiele.
Bei einem Mann wie Andreas Baader, den lange Zeit viele cool fanden, weil er tatsächlich ein cooler Typ war, kann ich mich doch nicht hinstellen und sagen, ich spiele den jetzt aber total unsympathisch, weil die Zuschauer den aus Political Correctness auf keinen Fall cool finden dürfen.
Nadja Uhl: Bei so komplexen und brutalen Themen wie diesem wird sicher jedem schnell klar, dass man mit Moral allein nicht weiterkommt. Ich finde etwas anderes sehr spannend an diesem Spiel mit dem Feuer - zu zeigen, wie verführbar man selbst im Kino sitzen kann. Als Schauspieler muss man den Mut aufbringen, eine Figur so auszureizen, dass jeder sie in ihrem Handeln versteht und sich fragt: Wahnsinn, hätte ich da mitgemacht?
Wir wollen mit diesem Film ganz sicher keine Götzenverehrung betreiben, aber wir wollen zeigen, dass es sie gab. Es gab den Baader-Meinhof-Mythos, es gab den Sexappeal von Baader und Ensslin und diesen intellektuellen Mythos um Ulrike Meinhof. Und ich finde, man sollte gelegentlich prüfen, auf welche Lehroder Hexenmeister man im Leben reinfallen möchte und welchen man besser widersteht.
Ein Teil der Gefängnis-Szenen wurde in Stammheim gedreht, in dem Trakt, in dem die RAF-Mitglieder saßen. Auch eine besondere Erfahrung?
Moritz Bleibtreu: Knast ist immer Scheiße und vermittelt ein bedrückendes Gefühl. Was aber in Stammheim wirklich interessant war ist, dass dieser ominöse siebte Stock, in dem die RAF-Mitglieder lange in Isolationshaft saßen, mittlerweile zum Jugendarrest gehört. Als wir da waren, hing in der Zelle, in der Andreas Baader saß, ein Bushido-Plakat. Also da würde ich jetzt schon gerne wissen, ob der Junge überhaupt weiß, was das für ein geschichtsträchtiger Ort ist, an dem er da einsitzt.
Manche Schauspieler sagen, ihre Rolle hätte sie noch Monate verfolgt. Wie schnell wart ihr die RAF wieder los?
Moritz Bleibtreu: Es gibt Schauspieler, für die es neben der Arbeit kaum ein Leben mehr gibt. Ich kann das beurteilen, weil meine Mutter früher so war. Die stand dreieinhalb Stunden auf der Bühne und hat anschließend viereinhalb Stunden in der Kantine über ihre Rolle diskutiert.
Nadja Uhl: Schrecklich, dieses sechswöchige Zerkauen von Stoffen in der Theaterkantine.
Moritz Bleibtreu: Das fand ich schon als Kind echt grauenvoll und das ist sicher auch der Grund, warum ich ganz anders geworden bin. Spielen funktioniert ohne hundertprozentige Hingabe sowieso nicht. Aber wenn die Arbeit vorbei ist, ist sie vorbei. Und gut.
Susanne Sturm
Kinostart: 25. September 2008
Nominiert für den Oscar
Premierenfotos "Baader Meinhof Komplex"