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Das größte Serienphänomen der 80er

"Dallas": Intrigen, Streit und Sex

Dallas
J.R. und Sue Ellen Ewing in der 80er-Jahre-Serie "Dallas" ARD

Mit dieser Serie wurden TV-Deutschland die Augen geöffnet: "Dallas" zeigte, dass Millionen nicht mit ehrlicher Arbeit sondern nur mit Lug, Betrug und Ölfeldern zu machen sind (Geburtstag: 30.6.)

Bevor "Dallas" ab dem 30. Juni 1981 auch in Deutschland ausgestrahlt wurde, hielt ich nichts von Fernsehserien, schon gar nichts von Seifenopern. Nur um das triviale Machwerk aus eigener Anschauung heraus herabwürdigen zu können, sah ich mir die amerikanische Erfolgs-Soap an. Und blieb hängen und amüsierte mich.

Massen vorm Fernsehschirm

Womit ich im Mainstream lag. Nach einer Erhebung des "Instituts für Demoskopie Allensbach" kannten zwei Jahre nach Sendestart 98 % aller Deutschen "Dallas" oder hatten schon von der Serie gehört. In über 90 Ländern aller Kulturkreise versammelten sich Massen vorm Fernsehschirm, wenn der Ölmagnat J. R. Ewing seine Familie und die Geschäftswelt triezte.

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Angaben über die höchste erreichte Quote (nach dem Attentat auf J. R.) schwanken, eine Quelle gibt bis zu 80 % an. Dallas war das TV-Phänomen der Achtziger.

Die Story

Für alle, die die Story nicht kennen: Im Mittelpunkt steht die texanische Familie Ewing. Der Patriarch Jock Ewing ist mit Gaunereien und Härte zu einem Vermögen gekommen, das es jetzt zu halten und zu mehren gilt. Seine Gattin Miss Ellie (Barbara Bel Geddes) steht ihm treu zur Seite, obwohl sie mehr von seinen Machenschaften weiß, als er ahnt.

Zwei ihrer drei gemeinsamen Söhne leben mit ihnen auf der Southfork-Ranch: Fiesling J. R. (Larry Hagman), dessen kriminelle Energie die seines Vaters noch übertrifft, und der nette, gut aussehende Bobby (Patrick Duffy). Zu Miss Ellies Leidwesen ist der dritte Sohn Gary vom Vater verstoßen worden: nicht geschäftstüchtig genug und mit der falschen Frau liiert. Jedoch wohnt Garys dralle, lüsterne Tochter Lucy bei ihren Großeltern, und Jocks unehelicher Sohn Ray Krebbs verdient sein Brot als Vorarbeiter auf der Ranch.

Dann ist da noch J. R.s Gegenspieler Cliff Barnes, der anfangs mit legalen Mitteln versucht, den Ewings das Handwerk zu legen. Natürlich gelingt es ihm nie wirklich.

Warum ausgerechnet "Dallas"?

Wie konnte es dazu kommen, dass die Geschichte einer neureichen texanischen Familie derartig Furore machte? Bildungsbürger und Politiker waren entsetzt. 1983 brandmarkte der französische Kulturminister Jack Lang die Serie als "Symbol des amerikanischen Kulturimperialismus". Unrecht hatte er nicht. Wie in jeder Soap geht es um Intrigen, Streit und Sex. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gab es so etwas unernstes noch nicht.

Aber mit "Dallas" sollte erstmals auch das männliche Publikum angesprochen werden. "Dallas" lief abends zur Prime Time, es ging nicht nur um Familie, sondern auch um das Geschäftsleben. Und, obwohl einige Protagonisten sich wirklich übel benehmen, taugen sie als Identifikationsfiguren.

Ihre Opfer ebenso, vor allem, wenn sie mal einen Gegenschlag landen. Was allerdings nicht allzu oft vorkommt, denn in "Dallas" herrscht das Recht des Stärkeren, es geht um Ausübung von Macht. Entsprechend dem Zeitgeist der Achtziger, als der Siegeszug des realen Kapitalismus sich abzeichnete. Die friedfertigen und sozial gesinnten Hippies waren out, man wollte sich amüsieren und kräftig konsumieren.

So reich und omnipotent sein wie J. R., das mag manch männlichen Zuschauer in Tagträume versetzt haben. Aber das hätte "Dallas" nicht zu derartiger Popularität verholfen. Nicht bei allen Zuschauern lief die Identifikation so platt. Außerdem fand die Serie sowohl biedere weibliche als auch feministische Fans. Warum nur?

Alle wohnen noch zu Hause

Eine entscheidende Rolle spielt der Humor. Obwohl die Ewings Millionäre sind, wohnen sie noch "zu Hause". Ruft Mama zum Abendessen, haben auch gefürchtete Geschäftsleute anzutanzen. Rügt Jock seinen Sohn J. R., muss der demütig zurückrudern, egal, welches Schurkenstück er gerade ausgeheckt hat.

Und das ist nicht alles, was J.R. einstecken muss. Sein Stammhalter John Ross entwickelt sich zum Loser. Der Junge ist friedfertig und freundlich. Von Dad zu einem Jagdausflug gezwungen, mault er, warum man das Fleisch nicht im Supermarkt kaufen könne. Und dann erst J. R.s Ehefrau Sue Ellen. Die einstige Schönheitskönigin hat keine Lust, in Miss Ellies devote Fußstapfen zu treten. Fortwährend von ihrem Gatten gedemütigt, steigt sie mit seinem Erzfeind Cliff Barnes ins Bett.

Doch die Affäre scheitert, Sue Ellen sucht Trost im Alkohol und torkelt in einer der späteren Folgen betrunken durch ein mieses Stadtviertel. Als ein Penner ihr Schnaps anbietet, trinkt sie angewidert aber dankbar aus seiner Flasche.

"Nicht diese Jet-Set-Scheiße"

Zynischer Humor? Man darf eine Serie nicht so ernst nehmen. Schließlich verhilft sie zur tröstlichen Erkenntnis, dass man mit ehrlicher Arbeit nicht steinreich werden kann. Als hässlicher Typ mit keckernder Lache kriegt man wegen der Kohle vielleicht viele Frauen ins Bett, aber auf wahre Liebe kann man nicht hoffen.

Darüber hinaus: Auch mächtige Leute unterliegen spießigen Zwängen. Köstlich das alljährliche Ewing-Barbecue und der Ball der Ölbarone. Rituale, die ähnlich vermutlich auch George W. Bush sozialisiert haben. Wäre "Dallas" zwanzig Jahre länger gelaufen, wäre J. R. vielleicht auch in die Politik gegangen ...

Doch mit "Dallas" ging es bergab. Larry Hagman klagte: "Die Zuschauer wollen die Ewing-Familie und nicht diese Jet-Set-Scheiße". Schon 1981 hatten die Dallas-Autoren nämlich Konkurrenz bekommen, die sie mit immer abstruseren Geschichten auf Abstand halten wollten.

Dem Denver Clan fehlte der Humor

Auch in "Dynasty", auf deutsch "Denver Clan", gab es zwei Familienunternehmen mit böser und nicht ganz so böser Führung. Wie Musikfans Jahre zuvor zwischen Beatles und Stones entscheiden mussten, teilten sich nun "Dallas-" und "Denver"-Fans in zwei Lager. Die "Denver"-Anhänger schwärmten davon, dass die Serie urbaner sei, die Darsteller(innen) wären besser angezogen (obwohl - im Stil der Achtziger!), auch Frauen agierten geschäftlich, und es gab einen schwulen Sohn. Jedoch fehlte "Dynasty" der Humor. Obwohl es einmal zum Schlamm-Catchen der beiden Hauptdarstellerinnen Linda Evans und Joan Collins kam. Aber das war albern, nicht witzig.

Hatte "Dallas" noch ironisch in der Macho-Attitüde seiner Protagonisten geschwelgt, die ihre Cowboy-Mentalität in die Geschäftswelt trugen, zeigten die "Denver"-Stars die glatte Fratze neoliberalen Business-Gehabes. Trotzdem: Dallas war schon lange vor der letzten Folge 1991 auserzählt und ist heute einfach ein zeitgeschichtliches Phänomen. An das man sich amüsiert erinnert.

Marion Meinold