(TV-News, 8.10.2014) Bislang kommen die meisten großartigen TV-Serien aus Amerika. "24", "Breaking Bad", "House of Cards" oder "Homeland" haben TV-Geschichte geschrieben und zu Recht jahrelang jeden nur denkbaren Preis kassiert. Deutsche Serienware dagegen besticht nur selten durch besondere Raffinesse, elegante Plots oder einen ganz speziellen Look.

Das liegt an vielerlei Faktoren. Es mangelt am nötigen Budget - Opulenz lässt sich nun mal nicht mit sparsamen Mitteln erzeugen. Für eine einstündige US-Serienfolge werden im Schnitt drei Millionen Dollar gezahlt, Star-Gagen wie die von Ashton Kutcher oder Charlie Sheen, die bis zu zwei Millionen Dollar pro Folge (!) kassieren, noch nicht mitgerechnet. Zum Vergleich: Ein normaler deutscher 90 Minuten dauernder TV-Film kostet in der Herstellung zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro, eine 60minütige Serienfolge maximal die Hälfte.

Aber auch die Serien-Drehbücher, an denen in den USA oder im neuen Serien-Boom-Land Dänemark, ganze Schreibwerkstätten sitzen, haben bei uns leider nur allzu oft nichts von der scheinbaren Leichtigkeit und Hochspannung, mit der die internationalen Erfolgsserien glänzen. In Skandinavien oder den USA ist der Writer's Room der Ort, an dem ein Autorenteam gemeinsam schreibt, die Handlungen strafft und auf Logik überprüft, die Charaktere zuspitzt und die Dialoge poliert bis sie im besten Fall glänzen.

Die heimischen Autoren dagegen sind nur selten im Team unterwegs, die meisten schreiben allein im stillen Kämmerlein und müssen ihre Drehbuchfassungen in endlosen Sitzungen mit schwerfälligen Redakteuren so lange an den so genannten Mainstream anpassen, bis auch das letzte Bisschen von Individualität perdu ist..

Das alles soll sich jetzt ändern, denn jetzt geht Kino-Regisseur Tom Tykwer mit "Babylon Berlin", einem so ambitionierten wie finanziell üppig ausgestatteten Projekt in Serie. Dazu sitzen erstmals in der Geschichte des deutschen Fernsehens der Pay-TV-Sender Sky Deutschland und die öffentlich-rechtliche ARD mit ihrer Tochter Degeto in einem Boot. Als internationaler Rechteverwerter ist Jan Mojto ("Unsere Mütter, unsere Väter") mit seiner Münchner Beta Film an Bord.

Das Budget von "Babylon Berlin" ist mit rund 25 Millionen Euro für acht bis zehn Folgen amerikanisch großzügig berechnet, davon soll das Erste rund neun Millionen, Sky Deutschland rund vier Millionen Euro beistuern, der Rest soll durch den Verkauf der internationalen Rechte finanziert werden.

"Babylon Berlin" soll laut Tykwer "ein epischer, moderner Polizeifilm in historischem Gewand" sein. Die Drehbücher basieren auf den Buchvorlagen des Bestsellerautors Volker Kutscher, der in seinen spannenden und präzise beobachteten historischen Krimis in den 1920er Jahren einen Kölner Kommissar namens Gereon Rath vom Rhein nach Berlin schickt.

In der pulsierenden deutschen Hauptstadt blüht damals nicht nur die Kulturszene mit ihren Theatern, Konzertsälen, Varietés und Cabarets, auch das Verbrechen prosperiert. Es gibt Gaunerbanden, Hochstapler, Taschendiebe, aber auch Auftragsmörder, Drogendealer und Opiumhöhlen, in denen so mancher Rausch in einer Orgie der Gewalt endet. Während der nächtliche Tanz auf dem Berliner Vulkan immer gefährlicher wird, richtet sich die politische Gesellschaft neu aus, wird der Grundstein für die kommende Nazi-Herrschaft gelegt.

Wie drastisch das Berliner Sündenbabel im TV gezeigt werden darf, wird für Tykwer und die Seinen sicher noch zu mancherlei Bedenkenträger-Konferenzen führen, denn für das Erste rechnet sich eine derart teure Investition nur, wenn die Quote stimmt. Dazu aber müsste "Babylon Berlin" um 20.15 Uhr gezeigt werden können, damit die für diese Uhrzeit verbindliche FSK-12-Freigabe eingehalten werden kann. Wird's blutig, muss die Ausstrahlungszeit auf 22.00 Uhr verlegt werden, ein Procedere, das schon die ZDF-Serie "Borgia" jede Menge Zuschauer gekostet hat.

Zuerst wird die komplette Serie im Bezahlfernsehen laufen, kurz darauf im Ersten.

Susanne Sturm