Coole Hip-Hopper in XXL-Hosen, blass geschminkte Fabelwesen, schnorrende Punks oder lässig abgewetzte Sneakers-Typen, die jedes Geländer mit ihrem Skateboard bearbeiten. Jugendkulturen prägen unsere Städte, geben die Trends für Mode und Musik vor. Es sind Teenager, die sich abnabeln von der Kindheit, mit Gleichgesinnten eintauchen in einen eigenen Kosmos und der Welt mitteilen: Ich bin ein Jugendlicher!

Dass es diesen heute nicht mehr wegzudenkenden Lebensabschnitt nicht schon immer gab, aber doch bereits länger als Bluejeans und Rock 'n' Roll, erzählt der Dokumentarfilm Wir, die Teenager des US-amerikanischen Filmemachers Matt Wolf. Basierend auf dem Bestseller Die Erfindung der Jugend des britischen Popjournalisten Jon Savage, führt Wolfs künstlerische Filmcollage anhand von Archivbildern und Spielszenen in die Anfänge der Jugendkultur und gewährt Einblicke in die Wahrnehmungswelten von Teenagern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Bis dahin gab es nämlich nur Erwachsene oder Kinder.
Erst mit der Abschaffung der Kinderarbeit entdeckte man plötz­lich noch eine weiteren Pha­se des Lebens. Keine schöne Entdeckung, denn die Jugend­lichen der Jahrgänge um 1900, die nun nicht mehr in den Fabriken arbeiten mussten, machten fortan die Straßen unsicher, bildeten Banden, raubten - und mordeten. Die Londoner Polizei nannte sie "Hooligans". Tatsächlich begann das Nachdenken darüber, wo das Kindesalter endet und das Erwachsensein beginnt, mit dem wachsenden Problem jugendlicher Straftäter.

Es gab noch keinen Rock 'n' Roll, aber zuweilen Sex und jede Menge Drogen - nicht nur in männ­lichen Gangs. "Flapper" waren die Riot-Grrrls der 1920er-Jahre, die schrill geschminkt, rauchend und kokainschnupfend die Restwelt zu empören suchten. Brenda Dean Paul galt als It-Girl jener Szene, die nach dem Motto "Wir wollen jung sein, bevor wir alt werden" lebte. Es gelang ihr: Paul starb heroinabhängig mit 51 Jahren.

Nach den Halbstarken der 50er-Jahre und den wilden 60ern und 70ern, in denen das Auf­begehren politisch wurde und die Heranwachsenden auf Konfrontationskurs zum Establishment gingen, scheint heute der Drang junger Leute nach Abgrenzung von der Erwachsenenwelt weitgehend erlahmt. Nur wenige Teenager brechen noch radikal mit der Elterngeneration. Ein gegenteiliges Phänomen ist zu beobachten: Die Jugendkultur hat sich mit ihren vielen trendigen Szenen zu einem von Sport- und Modemarken durchkommerzialisierten Freizeitpark gewandelt, zu dem plötzlich auch Erwachsene Zutritt haben. Fünfzig- oder sogar Sechzigjährige mit Basecap und Sneakers scheinen manchem ein Indiz dafür, dass Jugend kein Alter, sondern ein Bewusstseinszustand ist. Das ist natürlich Quatsch.

Heiko Schulze

Wir, die Teenager
SO 29.6. Arte 21.35 Uhr