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ARD zeigt "Henri 4" in dreistündiger TV-Fassung

Angriff auf Hollywood

Angriff auf Hollywood
In den stark gefilmten "Schlachtszenen" erreicht "Henri 4" Hollywood-Niveau Central Film

Historiendrama in Übergröße: Das deutsch-französische Filmepos "Henri IV" (FR, 6.4.) nach Heinrich Manns Romanvorlage will es mit dem US-Kino aufnehmen

Sein oder Nichtsein, das war für den Hugenotten Heinrich von Navarra die Frage, als er 1587 dem übermächtigen Heer der Katholiken gegenüberstand. Es ist eine Schlüsselszene des Historiendramas "Henri 4", das die ARD am Karfreitag in einer gegenüber der Kinofassung um 30 Minuten längeren Version ausstrahlt.

Der Ehrgeiz, es mit Hollywood aufzunehmen, ist bei der Verfilmung dieser Schlacht besonders spürbar. Hunderte von Komparsen und Dutzende Pferde stürmen aufeinander los, Kanonenkugeln reißen Krater in den Boden, Schwerter knallen auf Rüstungen, Lanzen bohren sich in Leiber. Acht Minikameras, die an den Körpern der Pferde und der Kämpfer befestigt wurden, ziehen die Zuschauer mitten ins Schlachtgetümmel hinein.
Und auch bei der Ausstattung, den hunderten von Requisiten und Kostümen, orientiert sich "Henri 4" eher an dem Look großer Kinodramen wie "Elisabeth - Das Goldende Königreich" als an bescheiden budgetierten TV-Filmen wie "Die Rache der Wanderhure".
Acht Jahre hat es gedauert, bis "Henri 4" drehreif war. Jo Baier, Autor und Regisseur, stand vor der Frage, wie er aus einen 1000- Seiten-Wälzer von Heinrich Mann über einen König des 16. Jahrhunderts eine Geschichte destilliert, die uns im 21. Jahrhundert noch etwas zu sagen hat. Zumal der deutsche Schriftsteller sich bei der Romanbiographie auf seine eigene Gegenwart bezog.

Die beiden historischen Romane "Die Jugend des Köngis Henri Quatre" und "Die Vollendung des Königs Henri Quatre" entstanden zwischen 1935 und 1938 im französischen Exil, wohin der Sozialist und Pazifist 1933 vor den Nazis geflohen war. In Henri IV. (1553-1610) sah Mann ein positives Gegenbild zu Hitler und der faschistischen Diktatur.

Die Bartholomäusnacht vom 24. August 1572, in der Tausende Hugenotten ermordet wurden, erscheint wie ein Vorschein des Röhm-Putsches von 1934, in dem sich Hitler seiner Konkurrenten entledigte. Und die von Spanien finanzierte, erzkatholische Heilige Liga trägt in ihrem Fanatismus und ihrer Bereitschaft zur Gewalt Züge von NSDAP und SS.

Eine der wichtigsten Quellen Heinrich Manns war Pierre de Vaissières 1928 publizierte "Henri IV"-Biographie. In ihr zeichnet der französische Historiker ein idealisiertes Bild des Monarchen, den er als Philosophenkönig verklärt. Der deutsche Schriftsteller hat diese Perspektive weitgehend übernommen, und speziell die Fernsehfassung der Verfilmung "räumt der Botschaft von einem grenzenlosen Humanismus noch mehr Platz als der Kinofilm ein", so die Produzentin Regina Ziegler.

Sie hatte die schwerste Aufgabe bei dem Projekt: die Finanzierung. 20 Millionen musste die erfahrene Filmproduzentin auftreiben.Wie bei allen Filmen dieser Größenordnung stammt das Kapital aus verschiedenen Töpfen. Zehn Prozent steuerte Ziegler Film bei, 30 Prozent gaben die ARD-Anstalten dazu und zehn Prozent spendierten die Franzosen, die dafür den Titelhelden mit dem TV-Darsteller Julien Boisselier besetzen durften. Und weil der Filmfonds Nordrhein-Westfalen sich mit 2,9 Millionen Euro beteiligte, entfiel ein Drittel der insgesamt 79 Drehtage auf just dieses Bundesland.

Regisseur Jo Baier ("Nicht alle waren Mörder"), dem mit Ulrich Noethen, Devid Striesow, Hannelore Hoger und Joachim Król die erste Garde der deutschen Schauspieler zur Verfügung stand, zeigt ein ungeschöntes Bild der Renaissance. Die Straßen sind schmutzig, von den Wänden blättert die Farbe, und der regelmäßige Gebrauch von Wasser und Seife ist selbst im Adel wenig verbreitet.

Der heutige Louvre, von Mitterand zwischen 1981 und 1999 in einen der größten Museumskomplexe der Welt umgewandelt, war Baier für das Elend vor 500 Jahren zu adrett. Kurzerhand ließ er den Sitz der französischen Könige in Prag nachbauen. Ein Aufwand, wie ihn sonst nur Hollywood praktiziert, den aber das deutsche Kinopublikum nicht honorierte.

Die Hoffnung von "Blechtrommel"-Regisseur und Oscarpreisträger Volker Schlöndörff ging nicht auf. Er hatte in einem Beitrag für "Die Welt" die kühne Erwartung geäußert, "dass unser Publikum den jungen Julien Boisselier feiert wie den jungen Delon, und dass die Franzosen unsern Ulrich Noethen als atemberaubend wahnsinnigen Thronfolger, unseren Joachim Król als Nibelungen-treuen Gefährten und Devid Striesow als perversen Wirrkopf entdecken."

Tatsächlich wollten in Deutschland nur knapp 40 000 Besucher den Film auf der Leinwand sehen. Am Ende blieb Regina Ziegler auf rund einer Million Euro Schulden sitzen. Trotzdem hat sie den Traum vom europäischen Kino noch nicht ausgeträumt. Bei historischen Stoffen hält Ziegler allerdings das Fernsehen für das geeignetere Medium.

Jetzt ist "Henri 4" dort angekommen, wo er hingehört. Die ARD zeigt am Karfreitag beide Teile der Fernsehfassung - die den Nebenfiguren erheblich mehr Platz einräumt - direkt hintereinander.

Rainer Unruh

Henri 4
FR, 6.4., ARD, 20.15 Uhr