Grabenkampf, Soldaten mit angsterfüllten Gesichtern vor dem Sturmangriff, an stählernen Geschützen, mit Gasmasken in einer surrealen Mondlandschaft. Bilder einer Urkatastrophe, die sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben haben... Dabei ist es immer wieder überraschend, wie TV-Historiker gut erhaltenes Filmmaterial aus alter Zeit auftreiben.

Für das Dokudrama 14 - Tagebücher des Ersten Weltkriegs, das den Kriegsverlauf vor 100 Jahren aus der Sicht von Bürgern unterschiedlicher Nationen erzählt, sichteten die Produzenten Gunnar und Florian Dedio beispielsweise mehr als 200 Stunden Filmmaterial, das zum Teil noch nie gezeigt wurde.
"Der Erste Weltkrieg ist noch nicht so abgegrast wie der Zweite", sagt der österreichische Filmemacher Günter Kaindlstorfer, dessen Doku Macht der Bilder (am 4. Juni um 20.15 Uhr in 3sat) die enorme Bedeutung von Film und Foto für Propagandazwecke beleuchtet. Mit dem ernüchternden Ergebnis, dass "vielleicht 20 Prozent der Aufnahmen authentisch sind. Der weitaus größere Teil wurde bei Manövern gedreht oder nachgestellt, mit abkommandierten Soldaten."

Dass nur etwa eine Handvoll Kameramänner auf jeder Seite wirklich an vorderster Front arbeitete, hatte neben Geheimhaltung und Propaganda auch pragmatische Gründe. Aufnahmen im Schützengraben waren einfach hochgefährlich. Eine Kamera wog fast 40 Kilo und musste mit der Hand möglichst gleichmäßig gekurbelt werden.

Weit mehr als im Film dokumentieren sich die Gräuel des Krieges auf Fotos, von denen noch Unmengen in Depots und auf Dachböden vermutet werden. Kaindlstorfer fand allein im österreichischen Staatsarchiv "300 000 Fotos, in zum Teil brillanter Qualität, die noch niemals verwertet worden sind".

Einen wahren Schatz historischer Aufnahmen hoben auch die Brüder Dedio mit der Sammlung des Fotografen und Fabrikanten August Fuhrmann: Tausende Abbildungen, koloriert von Porzellanmalerinnen, die jahrzehntelang bei einem Zahnarzt in Warnemünde lagerten.

Dass Fotos, Filme und Tonbänder aus Privatbesitz nicht in Vergessenheit geraten, haben sich auch bibliothekarische Projekte wie "Europeana 1914-1918" zur Aufgabe gemacht (siehe Infokasten). Das "British Pathé Archive" hat jetzt sogar seine umfangreiche Sammlung historischer Filmaufnahmen für Geschichtsforscher auf Youtube gestellt.

Heiko Schulze

14 - Tagebücher des Ersten Weltkriegs
ab DI, 27.5., Das Erste, Uhr 21.45

Das Europeana-Projekt
Wer hat noch Fotos, Feldpostkarten oder Tagebücher von seinen Urgroßeltern? Das digitale Archiv Europeana 1914-1918 sammelt und vereinigt Materialien aus Bibliotheken und Archiven aus aller Welt mit privaten Stücken aus ganz Europa. Wer etwas beitragen will, kann seine Erinnerungsstücke auf www.europeana1914- 1918.eu hochladen oder an sogenannten "Aktionstagen" digitalisieren lassen. Das von der Europäischen Kommission ins Leben gerufene Projekt basiert auf einer Initiative der Universität Oxford. Inzwischen kooperieren mehr als 2300 Institutionen, die Website enthält 26 Mio. Dokumente und Kulturgüter.