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Der WM-Blog

Mehmet, der Zauberlehrling

Von Pferdeküssen und Menschenbissen

Helmut Monkenbusch beobachtete, wie Mehmet Scholl Louis van Gaal auf die Schliche gekommen ist

Mehmet, der Zauberlehrling

Wie haben Sie das nur gemacht, Louis van Gaal? Nach dem 5:1 gegen Spanien sprachen selbst die größten Kritiker des Trainers in seiner Heimat Holland von einer taktischen Meisterleistung. Hinten mit einer 5er-Kette zu spielen, aus der bei eigenem Ballbesitz eine 3er-Kette wird, ein überragender Schachzug. Davon bekamen die Fernsehzuschauer live allerdings wenig mit, weil die Bildregie das Spiel nur für kurze Augenblicke in der Totalen zeigte. Taktikfüchse mussten sich deshalb bis zum Analyse-Block gedulden. Das klingt nach angestrengtem Fernsehen, ist aber ein vergnügliches Format, wenn Mehmet Scholl sich diebisch darüber freut, einem Genie wie van Gaal auf die Schliche gekommen zu sein.

Gegen Spanien schien lange kein Kraut gewachsen zu sein, bis endlich das Team der Oranje auf eine "im Prinzip einfache Weise" den Weltmeister entzauberte, erklärte Scholl auf der Dachterrasse über dem Strand von Rio. Das Mittel waren lange Bälle in den Rücken der Abwehr auf die schnellen Spitzen Robben und van Persie. "Die Spanier laufen nicht gern Richtung eigenes Tor", verriet der ARD-Experte. Wer tut das schon?

Im Mittelfeld setzten de Jong und Sneijder - wie schon im Finale 2006 - ihr berüchtigtes Kung-Fu gegen die filigranen Spanier ein ("Das hat Spuren hinterlassen"), denen die Lust am Tiki-Taka schnell vergehen sollte. Und drittens bot der Bondscoach in der Abwehr die besagte 5er-Kette auf, aus der sich zwei Spieler in den Angriff einschalteten, sobald der Ball erobert war, und zwar die beiden Außen Janmaat und Blind. Daran erkenne man die "ganze Genialität" dieses Mannes, sagte Scholl voller Begeisterung, gern wolle er ihn loben, obschon van Gaal "menschlich eine Tragödie" sei.

Von Taktik hielt man in Deutschland - anders als in Holland - lange Zeit nicht viel. Bei der WM 1974 soll der Kapitän Franz Beckenbauer seinem Trainer Helmut Schön im Laufe des Turniers die Aufstellung diktiert haben. Ein Jahr zuvor im deutschen Pokalfinale wechselte sich der Gladbacher Günther Netzer selber ein und gab Hennes Weisweiler damit der Lächerlichkeit preis. Vor dem Endspiel 1990 forderte der Teamchef Franz Beckenbauer die Spieler auf: Geht ‘raus und spielt! Mehr brauchte es nicht. Dagegen wurde der Trainer Ralf Rangnick, der den deutschen Fußball als einer der ersten taktisch erneuerte, als "Professor" tituliert. Fußballtrainer in Deutschland, das waren Hütchenaufsteller. Bestenfalls "Dienstleister der Stars" ("11 Freunde"), heute ist es umgekehrt. Kaum einer, der mit Klopps "Gegenpressing" und "schnellem Umschaltspiel" nichts anzufangen wüsste oder der von Peps Tiki-Taka noch nichts gehört hätte. Ansonsten bringt es ihm der Mehmet bei oder der Olli im Zweiten.

Am besten schon während des Spiels. Um eine Partie "lesen" zu können, ist man darauf angewiesen, von den Kommentatoren mit taktischen Informationen versorgt zu werden. Die Kommentatoren sitzen im Stadion auf Höhe der Mittellinie und sehen mehr als wir. Oder schauen sie etwa gar nicht auf den Rasen, sondern nur auf den kleinen Monitor vor ihnen?

Helmut Monkenbusch