Mehmet Scholl war immer der etwas andere Fußballer, ein Mann mit bemerkenswert laxem Mundwerk und eigenwilligem Humor.
Nach seinem Karriereende beim FC Bayern dauerte es kein Jahr, ehe Scholl die Seiten wechselte, um dem deutschen Fernseh-Fan dessen Lieblingssport zu erklären: Ab März 2008 fungierte er als ARD-Fußball-Experte, bis im Sommer 2017 plötzlich Schluss war. Eine Scheidung im Zoff.
"Leute, ich habe eine ganz klare Meinung zu Doping"
Kolportierter Grund: Scholl habe sich am Rande des Confed Cups 2017 geweigert, über Doping bei der russischen Nationalmannschaft zu sprechen und sei einfach gegangen. Also, das mit dem Gehen stimmt. Die tatsächlichen Hintergründe enthüllt der heute 50-Jährige nun im "Bild"-Podcast "Phrasenmäher".
Das Doping-Thema an sich habe die Causa laut Scholl "überhaupt nicht" beeinflusst, wenigstens nicht direkt: "Leute, ich habe eine ganz klare Meinung zu Doping. Doping ist scheiße, Doping macht die Sportler kaputt, macht den Sport kaputt, macht unglaubwürdig, tötet Menschen, und die Zuschauer rennen weg."
Stattdessen habe es in Scholl schon zuvor "gegärt". Er habe zugeschaut und gewartet - "nicht, dass ich hinwerfen kann, sondern ob das so weitergeht. Und das wäre ja so weitergegangen."
"Die Story kommt raus oder ich gehe"
Demnach haben die ARD-Rundfunkanstalten ein Talent dafür entwickelt, "unser eigenes Produkt madig zu machen. Ich bin jedes Mal in etwas reingelaufen", erinnert sich Scholl und schildert die Situation von 2017: Deutschland stand im Confed-Cup-Halbfinale, die U21 zeitgleich im EM-Finale, "und wir hatten 33 Grad. Alles war perfekt!"
Und weiter: "Dann habe ich zu meinem Assistenten gesagt: Jetzt erzähl' mir nicht, dass sie mit etwas Negativem aufmachen!? Es gab überhaupt keinen Grund für irgendetwas Negatives. Und dann kommen die mit Russland-Doping um die Ecke. Und dann hab'' ich nur gesagt: Die Story kommt raus oder ich gehe. Es hieß, dass ich mich nicht einmischen darf. Ja, und dann bin ich gegangen."
Kurz darauf steckte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky in "Bild" das Rahmenwerk ab: "Die Redaktionen sind für den Inhalt zuständig, die Experten für die Meinung. Er muss die redaktionelle Hoheit akzeptieren."
Mehmet Scholl einigte sich mit ARD - scheinbar
Scholl wiederum ist wichtig zu betonen, dass nicht explizit Doping der Streitpunkt war: "Es hätte auch ein Bericht über schlechte Stadionmusik sein können, über randalierende Fans, schlechtes Wetter. Das hat da nicht hingepasst." Formell wähnte er sich im Recht, 15 ARD-Verpflichtungen waren vorgeschrieben, "der Confed Cup war mein 18. oder 19. Einsatz".
Wären es bloß Differenzen über die Rollen-Definition gewesen! "Das Schlimme war nicht, dass ich gefahren bin", sagt Scholl fast vier Jahre später, "sondern die Äußerungen der Bosse, nachdem sie mich gebeten hatten, bitte weiterzumachen".
"Da haben sie ganz lieb gesagt: ''Bitte Mehmet''"
Und das kam so: Zwei Tage nach seinem Abgang diskutierten Scholl und dessen Anwalt mit Balkausky sowie dem damaligen ARD-Programmchef Volker Herres.
"Da haben sie ganz lieb gesagt: ''Bitte Mehmet, du hast noch ein Jahr Vertrag, wir wollen Dich noch für die WM in Russland. Gibt's da einen Weg?'' Darauf ich: ''Leute, ich bin Profi. Natürlich ziehe ich das Jahr durch. Dass ich jetzt gegangen bin, heißt ja nicht, dass ich meinen Vertrag wegwerfe''", berichtet Scholl. "Man muss halt vernünftig miteinander um- und aufeinander eingehen."
Scholl-Vorwurf: "ARD wollte meine Eier abschneiden!"
Die Parteien versicherten sich die Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit, "und am nächsten Tag platzt die Bombe", sagt Scholl, indem er Balkausky mit einer gesprochenen Schlagzeile zitiert: "'Mehmet Scholl hat die Hoheit der Redaktion anerkannt, er ist zu Kreuze gekrochen.''"
Der Ex-Fußballer wählt einen plakativ formulierten Vorwurf: "Er wollte meine Eier abschneiden! Ich hab' ihn angerufen und gesagt: 'Axel, Ihr braucht einen neuen Experten. Du kannst doch nicht sagen, bitte, bitte, mach weiter. Und das am nächsten Tag so hinstellen, als hättet Ihr mir auf den Kopf gehauen. Das geht nicht.' Und das war das Ende."
Gleichwohl hebt Scholl die ARD als "super Arbeitgeber" heraus, er habe dort rund zehn schöne Jahre verbracht mit dem Höhepunkt der WM 2014 in Brasilien. Im Ersten "gibt's ganz, ganz viele nette, tolle Menschen", sagt Scholl, macht eine Kunstpause und ergänzt: "Es gibt allerdings auch ein paar, vor denen man sich hüten muss."
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Der Artikel Mehmet Scholl über ARD-Aus: "Wollten mir die Eier abschneiden" wird veröffentlicht von FOCUS online.