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Der WM-Blog

Gottlob gegen Portugal

Gottlob gegen Portugal
NDR/Marcus Krüger

Spielt der ARD-Kommentator für Deutschland? In der Hitze von Salvador verlor Gottlob seinen Sachverstand, gab jede Distanz auf und wurde zu einem Schlachtenbummler, der die deutsche Elf unbedingt gewinnen sehen will.

Gottlob und wie er das Spiel sah

War der Elfmeter für Deutschland wirklich berechtigt? "Über den Pfiff lässt sich streiten", sagte selbst Mario Götze, der nach einem Zupfer seines portugiesischen Gegenspielers Joao Pereira in den Strafraum gesunken war. ARD-Kommentator Gerd Gottlob sah die Szene in der 12. Minute, die zum 1:0 für Deutschland führte, anders und urteilte: "Eine Entscheidung, die man vertreten kann." Er fügte hinzu: "Spätestens seit dem Elfer für Brasiliens Stürmer Fred."

Seitenwechsel. Zweite Halbzeit, 75 Minute: Benedikt Höwedes foulte Portugals Stürmer Eder im Strafraum. Gottlob sprach, nein, er brüllte ins Mikrofon: "Ball gespielt von Höwedes! Ball gespielt von Höwedes!" Das war reines Wunschdenken, wie die Zeitlupe bewies. "Ob er so richtig den Ball trifft, glaube ich fast schon nicht mehr", räumte Gottlob ein. Aber deswegen klein beigeben? Lieber trat er nach. "Ob Eder da aber schon zu Boden gehen muss, das weiß ich auch nicht."

So ging das 90 Minuten lang. Gottlob schätzte beinahe jede wichtige, jede brisante Szene falsch ein. In der Hitze von Salvador verlor er seinen Sachverstand, gab jede Distanz auf und wurde zu einem Schlachtenbummler, der die deutsche Elf unbedingt gewinnen sehen will. An ihrem Spiel berauschte er sich, kaum eine Aktion, die er nicht "super" fand. Statt von der Mannschaft sprach er manchmal von "wir". Er kommentierte nicht, er feuerte "uns" an. Das Protokoll seiner Parteinahme:

12. Minute. "Der Arm ist draußen, und Götze fällt", kommentiert Gottlob. Umstrittener Elfmeter (siehe oben). 1:0. "Das Tooooooooooooooor!"

15. Minute. Miguel Veloso beschwert sich lautstark beim Schiedsrichter. Gottlob: "Das ist der Verzweiflungsruf von Veloso, der gerne einen Einwurf gehabt hätte." Und dies zu Recht. Toni Kroos hatte als Letzter den Ball berührt, bevor er ins Aus ging.

26. Minute. Gottlob: "Hummels tackelt Almeida. Auch das völlig korrekt. Ball gespielt von Hummels!" Hugo Almeida rappelt sich noch einmal auf, zwei Minuten später liegt der portugiesische Stürmer wieder am Boden. Er greift sich an den Oberschenkel. Endlich spielt die Bildregie eine Zeitlupe ein. Alle sehen: Hummels grätscht Almeida in die Beine. Den Ball trifft er nicht. Was sagt Gottlob? "Es sieht so aus, als müsse Almeida schon in der 28. Minute den Platz verlassen."

30. Minute. "Super Pass von Kroos auf Özil, der den besser postierten Götze sieht." Wir sehen den schönen Angriff noch einmal in Zeitlupe. Gottlob: "Super Pass, toller Angriff."

32. Minute. Hummels köpft das 2:0. Gottlob: "Eine super Ecke. Und ein super Kopfball. Den kann man nicht besser machen." Einblendung der Bundeskanzlerin auf der Ehrentribüne. Gottlob: "Das weiß auch Angie, sie klatscht frenetisch. Und was für ein Stein wird auch Löw vom Herzen gefallen sein." Das Tor in Zeitlupe. "Super mit links abgesprungen. O, wie ist das schön, singen die Fans."

37. Minute. Gottlob: "Er kriegt Rot! Er kriegt Rot! Müller ging zu Boden. Und das macht er nicht, wenn es dafür keinen Anlass gab." Anlass = Foul? Die nächsten Minuten verbringen Millionen Zuschauer mit dem Studium der Zeitlupen. Genauso wie Gottlob. Er schlussfolgert: "Die Hand geht raus. Ist das ein Schlag? Aber hier. Da geht es richtig weiter. Da geht der Kopf von Pepe zum Schädel von Müller. Für mich eine klare rote Karte." Die Zuschauer rücken näher an die Bildschirme heran, um es besser sehen zu können. Ist es ein Kopfstoß - oder streifen nur Pepes Locken das Haupt Müllers? Schwer zu entscheiden.

45. Minute. Tor Müller. 3:0. Gottlob: "Müller ist auf dem besten Wege, wieder Torschützenkönig zu werden. Der Mann, der Pepe zu einer roten Karte brachte. Er hat es nicht provoziert, es ist aus dem Spiel heraus passiert."

61. Minute. Toni Kroos hat den Ball auf der rechten Seite in Höhe des Strafraums. Er läuft die Linie entlang. Vor der Mittellinie schlägt er den Ball aus vollem Lauf diagonal auf die linke Seite zu Götze. Der Ball landet zentimetergenau auf dessen Brust. Sehr elegant. Szenenapplaus. Gottlob kommentiert auf seine Art: "Toller Ball von Toni Kroos auf Götze. Ein super Pass!"

67. Minute. Konter über Müller auf Schürrle, der spielt quer zu Götze. "Annehmen, reinmachen!" fordert Gottlob. Götzes Schuss wird abgefälscht, der Ball fliegt übers Tor. Zeitlupe. Gottlob: "Superaktion von Schürrle, der bekannt dafür ist, dass er sofort zur Stelle ist, wenn er eingewechselt wird."

73. Minute. Gestützt von Betreuern, humpelt Hummels verletzt vom Platz. "Bitter für den Dortmunder, der eine super Partie gespielt hat."

75. Minute. Foul von Höwedes im Strafraum (siehe oben). Portugals Kapitän Cristiano Ronaldo protestiert, doch der Schiedsrichter verweigert den fälligen Strafstoß. Gottlob: "Und da kommt die ganze Wut zum Vorschein bei Ronaldo, ausgelöst durch die Elfmeterentscheidung für Deutschland." Diese Betrachtung ist alles andere als fair. Ausgelöst wurde sein Ärger durch die krasse Fehlentscheidung des Referees.

78. Müller schießt sein drittes Tor. 4:0. "Woooooooooow!" Noch zweimal sehen wir die Bundeskanzlerin auf der Ehrentribüne. "Angela Merkel beobachtet alles ganz genau." Das ist nicht ausgeschlossen. Aber in der Szene, die wir sehen, jubelt sie. Noch einmal Merkel - Gottlob: "Angela Merkel im Gespräch mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach" -, dann ist das Spiel aus.

Kurz vor dem Anpfiff hatte Gottlob im Gespräch mit dem ARD-Duo Opdenhövel/Scholl die Frage gestellt: "Wie gut sind wir? Wo stehen wir?" Dieses Spiel werde es zeigen. Und er machte Deutschland Mut: "Wir haben allen Grund, zuversichtlich zu sein!"

Wie stark wir sind? Das hätten wir auch gern gewusst. Aber Gottlob konnte es uns nicht sagen. Als Fan war sein Urteilsvermögen naturgemäß eingeschränkt. Die deutsche Mannschaft gewann gegen eine schwache Elf aus Portugal mit 4:0. Die Hilfe des schwachen Schiedsrichters Milorad Mazic aus Serbien hätte sie gar nicht nötig gehabt, um das Spiel zu gewinnen. Und sie hätte es sogar ohne Gottlob geschafft.

Helmut Monkenbusch