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MTV kehrt zurück zur Kernkompetenz

MTV kehrt zurück zur Kernkompetenz
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Erst war MTV Musik, dann Reality-TV, dann ganz verschwunden. Senderchef Mark Specht verrät, was wir vom Neustart im Free-TV erwarten dürfen

Frech, innovativ, anders - als MTV Anfang der Achtziger an den Start ging, war schnell klar: Dieser Sender wird die Popkultur prägen - mit Videoclips, schrägen Shows und schillernden Events wie den MTV ­Music Awards. Ab 1997 gab es auch ein deutsches Programm, bevor der mittlerweile zum Medienkonzern Viacom (Viva, Nickelodeon, Comedy Central) gehörige Musiksender ins Pay-TV abwanderte. Jetzt meldet sich MTV mit einem Mix aus bekannten Musikformaten, Shows und Reality im Free-TV zurück. Los ging es bereits Anfang Dezember. Via Satellit und Kabel (in allen großen Netzen) will man spätestens zum Jahreswechsel voll verbreitet sein, so Mark Specht, der MTV-Verantwortliche bei Viacom.
Foto: Imago
Was versprechen Sie sich vom Comeback ins Free-TV?
Mark Specht: Das Thema Musik wird immer wichtiger. Das erkennen wir überall. Bei Events, im TV, und auch die Platten­firmen profitieren von diesem Trend. Musik ist bei MTV fester Bestandteil der DNA. Außerdem waren wir als Marke, auch als wir kein linearer Free Channel mehr waren, überall präsent.

In den USA und England hat MTV Millionen Fans im Netz. Bei uns sieht es mau aus - gerade mal 600 000 Fans, wobei n-tv im Vergleich 900 000 hat.
Gemeinsam mit Viva, unserer zweiten Musikmarke, haben wir rund zwei Millionen Fans. Und wir haben gemerkt, dass die ­Resonanz auf das Programm ­unheimlich stark war, als wir den Livestream auf der Website gestartet haben. Wir dachten, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, MTV ­zurückzubringen.

Spielt die Musik mittlerweile nicht im Internet?
Wenn ich das neue Beatsteaks-­Video sehen will, dann kann ich das bei YouTube oder einer anderen Plattform eingeben. Wenn ich aber Musik will, die so ähnlich ist, dann wird es schon schwieriger. Es gibt bei den Streamingdiensten zwar Empfehlungsfunktionen, aber wir vermissen die Kuration, die ein Sender wie MTV bieten kann. Wir wollen, dass sich die Zuschauer zurücklehnen können und unterhalten werden.

War der Ausstieg ein Fehler?
Wir haben heute eine andere ­Situation als 2011, wo die analoge Distribution das Maß der Dinge war. Das hieß: begrenzte Kapa­zitäten in den Kabelsendern von circa 36 bis 40 Sendern. Durch die Digitalisierung gibt es heute mehr Programmplätze, und es wird einfacher, einen Sender zu verbreiten. Das alles, in Kombination mit unseren Überlegungen, hat uns dazu bewogen zu sagen: Wir bringen MTV zurück.

Welche Zielgruppe wollen Sie ansprechen?
Weniger eine demografisch definierte, eher eine, die den Lifestyle von MTV lebt. Bei Festivals wie dem Lollapalooza in Berlin spielen The XX oder die Foo Fighters, und da tanzen die 14-Jährigen im Publikum genauso wie die 45-Jährigen. Oder die noch Älteren. Da sind ganze Familien, und das ist das Publikum, das wir glauben erreichen zu können.

Wie viel Musik ist drin im neuen MTV? Zuletzt gab es davon nicht mehr so viel.
Musik ist der Kern von MTV, und deshalb zeigen wir mehr Musik - dreizehn Stunden jeden Tag. Aber nicht nur, weil - das vergisst man immer ein bisschen - wir auch durchaus stolz sind auf unsere Rea­lity-Kompetenz. Es ist nicht so, dass Reality erstmals von RTL II mit "Big Brother" nach Deutschland kam. Wir hatten die erste Realityshow.

"The Real World".
Genau, das war 1992. Der Unterschied zu anderen ist, dass wir unsere Formate sehr hochwertig produzieren. "Siesta Key" ist so ein Format, das die Schönen und Reichen in Floridas Inselwelt zeigt, beim Freizeitgenießen, beim Feiern, beim Verlieben. Und das ist einfach gut gemacht. Vom Look and Feel her wie "O. C., California". Ein super Format, obwohl es Reality ist.
Foto: Sender
Bei Formaten wie "Geordie Shore" heißt es schon im Vorspann ­"Vorsicht vor Kraftausdrücken und Szenen sexueller Natur".
Das sind natürlich Guilty Plea­sures, mit gut aussehenden Menschen in Urlaubssituationen. In jedem Fall anders als "Bauer sucht Frau". Formate wie "Geordie Shore" oder "Ex on the Beach" polarisieren und begeistern vor allem das junge Publikum. Natürlich ist das teils provokant, aber oft auch hintergründig, wie bei "Catfish", wo die Moderatoren den Problemen der digitalen Lebenswelt auf den Grund gehen.

Was haben Sie zu späterer Sendezeit in petto?
Zum Start, als kleines Weihnachtsgeschenk am 23. Dezember, produzieren wir ein Special von "MTV Buzz", das Format von Uli Brase, bei dem sie promi­nente Gäste einlädt und mit ihnen denkwürdige, witzige Clips schaut. Am selben Tag zeigen wir Konzerte mit Shawn Mendes und den Chainsmokers sowie die ­Jahrescharts der hundert erfolgreichsten Songs 2017. Das ist unser Kick-off kurz vor Weihnachten.

Viele bekannte TV-Gesichter hatten ihren Anfang bei MTV und Viva. Gibt es demnächst neue Jokos und Nora Tschirners zu entdecken?
Da kann einem richtig schwindelig werden, wenn man das deutsche Fernsehen schaut. Sogar Sportreporter Matthias Opdenhövel ist ja ein Ex-Viva-Mitarbeiter. Den Status als Trendsetter und Kaderschmiede würden wir gern fortsetzen, mit neuen Typen und neuen Formaten.

Zum Beispiel?
Wir denken über eine Plattform für Newcomer nach und gehen wieder mehr auf Festivals. Außerdem setzen wir auf unser Erfolgsformat "MTV Unplugged". Das ist für Künstler immer noch so etwas wie ein Ritterschlag. Im März produzieren wir eine neue Ausgabe mit Samy Deluxe.