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TV-Kritik

Hahn im Korb

Til Schweiger betreut in RTLs neuer Casting-Show hoffnungsfrohe Mädels

MISSION HOLLYWOOD (RTL, Montag, 20.15 Uhr)
Anfang der 90er war ich mal in Hollywood. Für ein paar Tage. Das ehemalige Obdachlosenasyl stand in einer Querstraße vom Hollywood Boulevard und kurz vorm Abriss. Es war mit 12 Dollar die Nacht sensationell billig, ich nach sechs Monaten Weltreise pleite, das Essen grauslich, die Leute umso faszinierender. Denn praktisch alle, die in diesem Bau länger wohnten als ich, wollten zum Film. 

Da gab es Ken aus Queens, ein hünenhafter Hasselhoff-Klon, der jeden Morgen um 5.30 Uhr mit einem klapprigen Auto nach Venice Beach fuhr, damit dort seine imposanten Muskeln entdeckt werden. Drehbuchautor Martin, der das einzige Einzelzimmer belegen durfte, um seinen Film zu vollenden, und dessen Oma aus Hamburg-Eppendorf stammte. Oder Juan von der Rezeption, Typ John Turturro, der fast täglich von einem Besetzungstermin zum anderen rannte und doch jeden Abend wieder gleichmütig Schlüssel verteilte.

Aber ich schweife ab. 

Hollywood geht auch anders: Die zwölf sehr hübschen Kandidatinnen Mitte Zwanzig, die gestern abend zum Casting für eine versprochene kleine Rolle in der Fortsetzung des Teenie-Horrors "Twilight" antraten, wollen sich diesen Umweg sparen. Til Schweiger, einer der wenigen deutschen Mimen mit Hollywood-Erfahrung, weiß nämlich Bescheid und soll sie zum Film bringen. Dazu müssen die Kandidatinnen Übungen absolvieren, Aufgaben erfüllen, berühmte Szenen nachspielen. Wechselnde Jurymitglieder bewerten und beraten sie. Als Etappenbelohnung winken kleine Rollen, gestern zum Beispiel ein Kurzauftritt bei den Dreharbeiten zur RTL-Serie "Doctor's Diary".

Die Suche nach Germany's next Kleindarstellerin hätte ins Auge gehen können. Ging sie aber nicht, denn es war erfrischend zu sehen, dass einem Til Schweiger die Bosheit einer Heidi Klum nicht liegt. Der Hahn im Korb schwang zwischen jungenhaft-verlegen ("Ich will nicht der Nippelkönig werden") und schmierig-charmant ("Ihr seid alle entzückend") hin- und her und hatte wie auch Ko-Juror Heiner Lauterbach viel Spaß an den Knutsch- und Orgasmusszenen. 

Dankenswerterweise gab er nie vor, die ganze Chose wirklich ernst zu nehmen. Warum auch? Ein künftiger Star ist nicht dabei. Unterhaltsam war es trotzdem allemal - oder vielleicht gerade deshalb. In der nächsten Woche geht es zum Hollywood Boulevard.

Heike Barnitzke