Heimat ist etwas Schönes. Ortsfremden das spezifisch Schöne der eigenen Herkunftsgegend zu vermitteln, ohne in den Kitsch abzurutschen, ist eine Kunst. Axel Prahl und Jonas Nay beherrschen sie gut, vor allem wenn sie ­unter Anleitung von Regisseur Lars Jessen spielen, der wie sie von der Küste stammt. In "Vadder, Kutter, Sohn" ­haben Prahl und Nay als Vater und Sohn nicht nur mit den Widrigkeiten des küstennahen Arbeitsmarkts zu kämpfen, sondern auch mit der gemeinsamen Vergangenheit. Im Interview erklären die Schauspieler, was das Meer mit ihnen macht und warum sie lieber doch keine Vollzeitmusiker geworden sind.

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"Vadder, Kutter, Sohn" bietet Nordsee, Krabbenfischer und
Seemannslieder - habt ihr einen Heimatfilm gedreht?

Axel Prahl: Im Prinzip schon.

Was ist das Tolle an der Küste? Ihr kommt beide daher.
Jonas Nay: Das Meer! Ich fühle mich dort immer angenehm klein und unbedeutend, das bringt mich runter, rela­tiviert die Probleme: Wenn ich diesen Film jetzt verhaue... Dem Meer ist das egal. Das beruhigt.
Prahl: Allein, wenn du dich hinsetzt und dieses kontinuierliche Rauschen hörst... Dazu der Blick: Nichts, was das Auge hält. Sobald ich einen Fuß in Richtung Wasser setze, pegelt mein ganzer Körper runter. Ich habe mal ein Gedichtchen geschrieben: Wenn alles, was da lebt, nur lebt zumeist durch Wasser, so muss Meer doch mehr sein als nur Meer.

Das Meer ist ein Weg in die Welt.
Prahl: Klar, es ist alles verbunden durch Wasser. Wie heißt es noch bei Homer: Das Meer ist immer das Meer. Auch wenn ich weit weg von zu Hause am Strand stehe, habe ich ein Gefühl von ­Heimat. Ich habe lange Zeit in Berlin gelebt, jetzt habe ich endlich in Brandenburg ein Haus am See ­gefunden. Wenn die Sonne scheint und ein bisschen Wind geht, dann sieht das aus wie die Flensburger Förde - genial.

Im Film suchst du mit einer Wünschelrute nach Wasser. Hat das ­Esoterische seinen Platz im Gemüt des Norddeutschen?
Prahl: Du wirst lachen: Mein Opa hat damals im Schrebergarten mit der Weidenrute Brunnen gesucht. Und das hat wirklich funktioniert. Hat nichts mit Esoterik zu tun.
Nay: Na ja, gräbt man tief genug, kommt in Norddeutschland eigentlich immer Wasser. (lacht) Kamen die Sprüche, die du beim Dreh ausgepackt hast, auch vom Großvater?
Prahl: Auramäßig alles tipptopp - so was? Das stammt... aus der Summe meiner Erfahrungen. (lacht)

Im Film trifft man sich regelmäßig in einer großen Gaststätte, in echt machen die alle zu.
Prahl: Vielleicht weil man in den Kneipen nicht mehr rauchen darf.
Nay: Das ist doch nicht das Problem. An das Rauchverbot hält sich da doch sowieso niemand. Das gilt in Dithmarschen nicht.
Prahl: Der "Kaisersaal" in Hennstedt, in dem wir gedreht haben, ist tatsächlich noch in Betrieb. Aber der Besitzer ist schon 93 und findet ­keinen Nachfolger. Alles sieht darin original aus wie in den 60er-Jahren. Man hat überlegt, das Gebäude zu sanieren und als Gemeindehaus zu nutzen. Aber die Stadt will lieber abreißen und was Neues bauen.

Die Gemeinschaft im Film ist stabil, Handys und Computer, die die Menschen vereinzeln, tauchen allerdings auch nicht auf.
Prahl: Keine Handys? Guck mal, das ist mir gar nicht aufgefallen.
Nay: Ich finde schon, das wir das zeigen, was wir auch vorgefunden haben. Der NDR war mal da und hat die Anwohner über die Dreharbeiten und die beteiligten Schauspieler befragt. Die Leute waren dermaßen desinte­ressiert, das war schon sehr witzig.
Prahl: "Kenn ich nich, interessiert mich auch nich! Ich seh die da immer nur sitzen!" Wir konnten sehr entspannt arbeiten.

Im Film singt ihr in einem Heimatchor. Ihr seid tatsächlich auch ­Musiker. Kann man sich das heute nur leisten, wenn man sein Geld mit etwas anderem verdient?
Prahl: Meist ist es leider tatsächlich so. Ich kenne sehr viele hervorragende Musiker, die davon einfach nicht leben können. Außer sie unterrichten an einer Musikschule oder so.
Nay: Es geht gar nichts mehr über den Verkauf von Tonträgern, nur noch mit Konzerten. Und selbst die Musikstars müssen durchgängig auf Tournee sein. Wenn man das macht, kann man noch was verdienen. Bis zu einem gewissen Grad an Popu­larität bringen einem Auftritte bei Hochzeiten mit einer Top-40-Band aber mehr Geld ein. Das habe ich früher auch gemacht.
Prahl: Ich habe 1974 mal den ­Neustädter Sängerwettstreit in der Strandhalle gewonnen!
Nay: Und ich habe mal den Förderpreis für Jazzgesang als Big-Band-Sänger gewonnen. Die Urkunde hat meine Mutter noch in ihrem grünen Ordner. (lacht) Neben dem Fahrradführerschein.

1974? So lange bist du schon dabei? Und die erste Platte kam dann erst im Jahr 2011?
Prahl: Ja, mit 51. Sozusagen als ich es mir leisten konnte. Mit 21 hatte ich mal eine Gruppe, Impuls. Wir hatten ein Radiokonzert, für das wir tausend Mark bekamen - und ein halbes Jahr proben mussten. Ich wusste, das halte ich nicht durch. Ich wurde damals Vater, hatte einen festen Job beim Theater, der brachte mir tausend Mark monatlich - da fiel die Entscheidung ziemlich leicht.
Nay: Ich studiere Jazzpiano. Aber auf Lehramt. Vielleicht werde ich irgendwann mal Lehrer. Würde mir auch Spaß machen.