Legendäre Partys haben die deutschen Biathleten bei Olympia schon gefeiert. Seit gut 20 Jahren geht das so, seit Albertville. Ein passender Anlass musste nie lange gesucht werden: Stars wie Sven Fischer, Kati Wilhelm, Michael Greis oder Magdalena Neuner gewannen im Zeichen der Ringe jede Menge Goldmedaillen. Ob die gute Stimmung der Skijäger auch in Sotschi anhält - und vor allem im Deutschen Haus im olympischen Skiort Krasnaja Poljana, wo die Medaillen gefeiert werden -, bleibt abzuwarten. Denn obwohl Andrea Henkel und Simon Schempp in Antholz die ersten deutschen Einzelsiege im laufenden Weltcup gelangen, herrschte allzu oft nur Mittelmaß in der Loipe und auf dem Schießstand. Folglich gelten die Staffeln in Sotschi noch als sicherste Edelmetall-Kandidaten.

"In der Staffel haben die Frauen ja schon gezeigt, zu was sie in der Lage sind. Obwohl es mit Andrea derzeit nur eine Welt-spitzenathletin gibt", sagt die ARD-Expertin und dreimalige Olympiasiegerin Kati Wilhelm und hofft, dass die Anlässe zum Feiern in Sotschi nicht ausgehen.

Unbeirrt von Momentaufnahmen wie diesen - auch in anderen Disziplinen zeigen deutsche Vorzeigesportler im olympischen Winter unerwartet große Leistungsschwankungen, etwa Skispringer Severin Freund - hält der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) an seiner Medaillenvorgabe fest. "Ziel ist, 30 Medaillen wie in Vancouver zu holen oder zu übertreffen", sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper bei der Präsentation des Deutschen Hauses in Düsseldorf, räumte allerdings ein, dass es sich um ein "ehrgeiziges Ziel" handle, und bemühte das unvermeidliche "Quäntchen Glück", das die Athleten bei der Auftragserfüllung benötigen würden.

Im Meinungsaustausch mit den Wintersportverbänden hatte sich zuvor eine Spanne von 27 bis 42 Medaillen ergeben. Allein der unter anderem für die Biathleten zuständige Deutsche Skiverband (DSV) rechnet mit 15 Treppchen-Platzierungen. Peter Schlickenrieder, DSV-Vizepräsident und ARD-Experte für die Skilangläufer, sieht die Medaillenprognose insgesamt positiv. "Es ist wichtig, Ziele vorzugeben. Man läuft ja sowieso ständig Gefahr, viele Dinge zu relativieren. Jetzt steht da: 15 Medaillen - da gibt es später nichts zu relativieren."

Zuschauer machen Druck
Andererseits weiß der ehemalige Langläufer, was in Sotschi auf das deutsche Olympiateam zukommt. "Man sieht ja Tendenzen, und da sage ich: Das wird schwerer als jemals zuvor." Unumwunden gibt Schlickenrieder zu, dass er "Vorgaben als Aktiver nicht so gut gefunden hat, weil sie den Druck, den man sich ohnehin macht, noch mal ein bisschen erhöhen". Der ehemalige Ski-Alpin-Star Marco Büchel, der bei sechs Olympischen Spielen für Liechtenstein an den Start ging und jetzt als Experte fürs ZDF arbeitet, macht unter den großen Befürwortern der gängigen Praxis übrigens nicht nur Verbandsfunktionäre aus: "Auch die Zuschauer wollen eine Zahl hören: Womit können wir rechnen?" Ertappt.