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Nostalgie

Rückkehr der Gameshow-Zombies

Rückkehr der Gameshow-Zombies

Ruckzuck, Glücksrad und Co.: Warum jetzt die Shows aus den frühen Tagen des Privatfernsehens wiederkommen.

Der Titel ist anders, aber sonst ist alles gleich: Die Wand, liebeshungrige Singles und die sexy Stimme von Susi. Am 19.10 startete bei Sat.1 Gold die Kuppelshow "Herz sucht Liebe". Die Show mit Thomas Ohrner darf wohl nur aus rechtlichen Gründen nicht "Herzblatt" heißen, wirbt aber mit dem Slogan "Die Mutter aller Dating-Shows kehrt zurück".

Das Comeback von "Herzblatt" (1987 bis 2005) ist nur der Gipfel eines aktuellen Trends: Längst (zurecht?) beerdigt geglaubte Spielshows aus den 80er- und 90er Jahren kehren ins deutsche Fernsehen zurück. Am Montag, den 17. Oktober, reaktivierte der neue Sender RTL Plus die Klassiker "Ruck Zuck" (mit Oliver Geissen) und "Glücksrad" (mit Jan Hahn), die beide mit Unterbrechungen von 1988 bis 2005 im TV liefen und liefen. Anfang September schickte der Sender bereits "Jeopardy" (1990-2000), moderiert von Joachim Llambi) und "Familienduell" (92-03) mit Inka Bause zurück in den Kampf um die Quoten.

Die Sendungen beamen uns zurück in die frühen, wilden Zeiten des Privatfernsehens, als die Sender auf günstig zu produzierende Formate setzten, meist aus dem Ausland importiert, mit Moderatoren, die wie umgeschulte Staubsaugervertreter wirkten (Werner Schulze-Erdel, Harry Wijnvoord).

Ein seltsamer Trend, der übrigens nicht auf Deutschland beschränkt ist. Auch in den USA spricht man schon von einem Gameshow-Revival, mit einer Neuauflage von "Match Game" und geplanten Comebacks von "The Gong Show" und "Pyramid". Und eine Entwicklung, die auch vor anderen Kunstformen nicht Halt macht. Letztes Jahr waren Serien dran ("Akte X", "Gilmore Girls", "Twin Peaks"), auch im Kino greift man gerne zu altbewährtem ("Ghostbusters"). Gehen die Produzenten im Zweifel auf Nummer sicher und setzten auf ein bewährtes, billiges Format mit Wiedererkennungswert?

Übersättigung durch Qualitätsserien?
Fällt den Film- und Fernsehmachern nichts Neues ein? Eine Klage, die man jedes Jahr wieder hört, die aber selten aktueller war - und das mitten in dem angeblichen Goldenen Zeitalter der Serie.
Und vielleicht liegt das Comeback der simplen, familienfreundlichen Gameshows gerade an der Übersättigung des Marktes mit immer komplexeren Serien und einer Atomisierung des Programms in immer kleinere Zielgruppen. In den USA wurde der Trend zur neuen alten Einfachheit auch schon als Gegenbewegung zu den High-End-Serien gedeutet.

In Deutschland starten die Neuauflagen mit Sat.1 Gold und RTL Plus auf "Hausfrauen-Sendern", für ein Publikum denen viele neue Shows oder Fernsehnasen wie Joko und Klaas zu verrückt sind und die sich angeblich nach guten alten Zeiten sehnt, als die Familie sich noch geschlossen vor dem Fernseher versammelte.

Voll im 90er-Jahre-Revival
Angesprochen werden können aber auch die jüngere Generationen, die sich in einer Mischung aus Nostalgie, wohligem Grusel und pflichtschuldiger Ironie an das Trashfernsehen ihrer Kindheit erinnert. Dass es ein Bedürfnis dafür gibt konnte man kürzlich auf Twitter in Echtzeit beobachten, als Jan Böhmermann eine Reaktivierung von "Wetten, dass..?" im Rahmen seines "Neo Magazin Royal" ankündigte.

Gerade bei den 14-49 jährigen liefen "Jeopardy" und Familienduell von den Marktanteilen überraschend gut, jedenfalls für die Verhältnisse des Minisender RTL Plus. Kein Wunder, stecken wir doch seit wenigen Jahren voll in einem 90er-Revival in Musik, Mode und Alltagskultur, angestoßen von der Generation, die in diesem Jahrzahnt sozialisiert wurde und die sich jetzt nach dieser aus heutigen Sicht heilen Welt sehnt, ohne Terror, Finanzkrisen und dauerpräsentem Internet. Stellt sich nur noch eine Frage: Was macht eigentlich Werner Schulze-Erdel?
Sebastian Milpetz