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Woody Allen im Interview

Gott und Liebe? Alles Schwachsinn!

In seinem 40. Film als Regisseur und Autor ist Woody Allen zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Im Interview zu "Whatever Works" verrät Woody Allen, wie er auf Evan Rachel Woods kam, warum er nie selbst die Hauptrolle spielen wollte und weshalb in seinen Filmen soviel Sex vorkommt.

Die Hauptrolle in diesem Film spielt Larry David, aber die Rolle hätten Sie genauso gut spielen können. Wieviel von Ihnen selbst steckt in der Rolle?

WOODY ALLEN Ich schrieb die Rolle eigentlich für Zero Mostel. Ich wollte einen großen, polternden Kerl für den Part. Vor Jahren habe ich mit ihm einen Film gedreht und ich fand ihn sehr kultiviert. Er wusste alles über Kunst, Musik und Literatur und belehrte die gesamte Crew. Er war so von sich überzeugt und deshalb schrieb ich diese prahlende Rolle für ihn. Dieser Mann wirkt nach außen hin bestimmt fies, aber mit Zero in der Rolle hättest du ihn geliebt, obwohl er dich beleidigt. Als er starb, schloss ich das Skript in eine Schublade und dachte nie daran, die Rolle selbst zu spielen.

Wie kamen Sie dann auf Larry David?

WOODY ALLEN Wie Sie wissen gab es ja einen Autorenstreik, und ich musste schnell ein Skript herzaubern. Ich sah in meiner Schublade nach, fand das Skript und fragte mich, wer die Rolle heute spielen könnte. Mein Casting Director schlug Larry David vor und es war, als ginge mir ein Licht auf. Larry hat die Fähigkeit, mürrisch und beleidigend und intellektuell zu sein, und trotzdem magst du ihn. Einige Komiker beleidigen dich und du kannst sie nicht leiden, weil sie ausfallend werden. Meiner Meinung nach war Larry wie für die Rolle geschaffen, also rief ich ihn an. Er sagte mir, dass er absolut nicht schauspielern konnte. Er wusste nicht, wie man schauspielerte und er tat einfach das, was er immer tat. Ich versuchte ihm einzureden, etwas mehr Selbstvertrauen zu haben und die Chance zu nutzen. Er sagte ja, aber jeden Tag beschwerte er sich bei mir, dass er nicht spielen konnte. Mit den Jahren habe ich gelernt, dass diejenigen, die dir sagen, wie toll sie sind, rar sind. Diejenigen, die dir erzählen, dass sie es nicht können, begegnen dir ständig.

Seit Zero Mostel 1977 starb, hat sich die Welt verändert. Was mussten Sie an dem Skript ändern?

WOODY ALLEN Das Grundkonzept ist gleich geblieben. Ich fand es lustig, dass Zero mit dieser kleinen, dümmlichen Ausreißerin zusammenlebt und plötzlich taucht ihre Mutter wie aus dem Nichts auf und sie hasst ihn und er hasst sie. Dann taucht auch noch der Vater auf und das Ganze wird ein völlig absurdes Durcheinander. Die existenzialistischen Probleme bleiben: die Angst vor der Sterblichkeit, das Gefühl der Einsamkeit. Diese Probleme werden nie gelöst werden. Ich habe die politischen Themen aktualisiert. Als ich das Skript schrieb, wurden noch keine Menschen in Bussen im Mittleren Osten in die Luft gesprengt oder in Darfur massakriert. Obama war nicht Präsident und deshalb musste ich einige politische Bezugspunkte verändern. Aber die Geschichte ist die gleiche geblieben.
Larrys Motto lautet: "Whatever Works". Ist das auch Ihre Philosophie?

WOODY ALLEN Das gilt wahrscheinlich für jeden. Das Leben ist ein harter Kampf und es gibt viel Schmerz und Brutalität. Es ist schwierig, eine Beziehung zwischen zwei Menschen am Laufen zu halten. Es ist schwierig, nicht in Einsamkeit zu versinken und deshalb ist alles ok, was auch immer einer Beziehung hilft, damit sie funktioniert. Was immer nötig ist, damit du ein anständiges Leben führen kannst und solange du niemandem schadest, ist es ok. Wenn man die meisten Leute nach ihrer Einstellung fragt, bin ich sicher, dass sie genauso denken.

Heißt das, Sie sind ein Optimist?

WOODY ALLEN Meine persönliche Auffassung bleibt dieselbe: Das Leben ist hart und es gibt keine Hoffnung (lacht). Wir müssen akzeptieren, dass das Leben bedeutungslos und leer ist und wir nur ein zufälliges Element in einem unbedeutenden Universum sind; ein Universum, das möglicherweise schon bald wieder verschwinden könnte. Wir müssen unseren Weg finden, ohne vorzugeben, dass es diesen omnipräsenten Gott gibt, der über uns wacht oder dass Liebe über alles steht und alles zum Guten wendet. Das alles ist Schwachsinn. Wir erzählen uns diese Dinge, um die kalten, harten Fakten zu beschönigen. Ich sehe mich nicht als Pessimist oder Zyniker, es klingt nur so grimmig, wenn ich es ausspreche. Ich bin Realist und denke lediglich, dass sich die Leute etwas vorgaukeln, wie das Leben sein könnte. Und dann werden sie enttäuscht. Habe ich sie jetzt genug deprimiert? (lacht)

Wie es scheint, hat sich das Leben für Sie zum Guten gewendet. Sie sind in Ihren Siebzigern, sind verheiratet, haben Kinder und arbeiten noch immer mit den größten Filmstars der Welt.

WOODY ALLEN Die Dinge sind ganz gut gelaufen. Ich hatte viel Glück im Leben innerhalb meines beschränkten Daseins. Ich bin 73 und habe ständig Angst, dass ich zu alt werde und aus den Latschen kippe. Ich bin den schlimmen Dingen, die passieren können, ausgeliefert. Aber in New York geboren zu werden, mein Leben ohne schlimme Krankheiten gelebt zu haben, tolle Eltern und einige wunderschöne Frauen gehabt zu haben, hat mein Leben sehr bereichert. Ich habe großartige Kinder. Aber genauso gut könnte ich von einem Piano erschlagen werden, sobald ich gehe (lacht).

Sex ist eine Konstante in Ihrem Werk. Sie haben die Grenzen immer sehr großzügig ausgetestet. In "Vicky Christina Barcelona" ging es um eine Dreierbeziehung, in diesem Film zeigen Sie zwei Männer miteinander. Für jemanden Ihrer Generation sind Sie sehr offen für diese Dinge.

WOODY ALLEN Es gibt Themen, die für Spannungen zwischen den Menschen sorgen und sie zum lachen bringen. Wenn jemand über Sex redet, kichern und lachen die Leute, egal, worum es geht. Wie ein Komiker auch willst du aus den Menschen eine Reaktion herauskitzeln. Wenn ich jüdische Verweise einbringe, flippen die Leute total aus. Sie lachen, völlig egal, ob der Witz lustig war oder nicht. Denn jahrelang sprach niemand darüber, ob man jüdisch oder katholisch ist. Auch Psychiatrie war ein Berufsfeld, über das nie gesprochen wurde, aber über das gelacht wird. Als ich aufwuchs, gab es einen großen Unterschied zwischen weißen und schwarzen Menschen. Schwarze durften noch nicht einmal Sport treiben. Sie mussten im Bus hinten sitzen. Die Leute akzeptierten das, obwohl die meisten wussten, wie dumm das war. Den Leuten wurde außerdem beigebracht, dass Sex vor der Ehe oder Homosexualität falsch ist. Ich denke, Sex zwischen zwei Menschen, die sich darüber einig sind, ist ok. Meinetwegen auch zwischen vier (lacht). Solange man niemanden verletzt, ist alles möglich, was auch immer funktioniert.
Sie sprechen immer wieder über diese magische Schublade, in der Sie Ihre Ideen aufbewahren. Wo ist diese Schublade und wie viel Papier liegt darin?

WOODY ALLEN Sie ist in meinem Nachttischchen direkt neben meinem Bett. Dort steht eine Lampe und es liegt ein Block und ein Stift und ein Telefon daneben. In der Schublade liegt meine Klarinette und meine Kopfhörer, um Jazz zu hören, mein Pass, der Gummiknüppel eines Polizisten für den Fall, dass jemand einbricht und sämtliche Zettel mit meinen Ideen drauf. Wenn ich einen Film plane, dann hole ich die Zettel heraus und suche die richtige Idee. Es ist sehr schwer, ein Skript aus dem Nichts heraus zu schreiben, deshalb mag ich diese kleinen Notizen mit Ideen. Sie geben einen Anhaltspunkt. Der könnte lauten: "Ein Mann bastelt in seinem Hintergarten eine Rakete, um auf den Mond zu fliegen." Damit fange ich an und entscheide dann, ob es eine gute oder eine schlechte Idee ist, mit der man arbeiten kann. Dann schreibe ich das Skript, gebe es meinem Produktionsleiter und der sagt mir, dass der Film 20 Millionen Dollar kosten würde. Ich habe keine 20 Millionen, also wandert das Skript zurück in die Schublade.

Erinnern Sie sich an Ihren allerersten Zettel?

WOODY ALLEN Ich glaube, ich war 19 und arbeitete in einem Sommertheater. Ich habe damals seitenlange Notizen gemacht. Ich lese sie immer noch manchmal durch und sie bringen mich auf andere Ideen.

"Whatever Works" ist Ihr 40. Film als Autor und Regisseur. Wird es mit den Jahren einfacher, einen Film zu drehen?

WOODY ALLEN Nein. Einen Film zu drehen ist keine Wissenschaft. In der Wissenschaft macht man die Experimente immer und immer wieder, bis man das richtige Ergebnis bekommt. Ein Film ist jedes Mal etwas völlig Neues, deshalb kannst du auch nicht aus deinen Fehlern lernen. Bei "Match Point" hatte ich Schwierigkeiten am Set, die bei "Vicky Christina Barcelona" kein Thema waren. Kein Film hilft mir beim nächsten. Nur weil ich 40 Filme gedreht habe, heißt das nicht, dass ich etwas davon verstehe.

Wurden Sie schon einmal gefragt, ob Sie unterrichten wollen? Obwohl Sie sagen, dass Sie nicht wüssten, was Sie tun, bin ich sicher, dass Sie den Prozess sehr gut kennen.

WOODY ALLEN Das hat mich noch nie jemand gefragt. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Ich habe ein paar Mal vor Studenten gestanden und ihre Fragen beantwortet. Meine Art zu Arbeiten ist sehr intuitiv. Es wäre wohl sehr schwierig für mich, den Studenten etwas Konkretes beizubringen außer zu sagen, ob du Talent hast oder nicht (lacht). Ich kann das nicht so gut festlegen, wie es Milos Forman oder Spike Lee können, die beide unterrichtet haben.

Sie wissen inzwischen, wie Sie brillant casten und oft auch die Schauspieler gegen ihren Typ besetzen. Besonders mit Schauspielerinnen hatten Sie bisher immer großen Erfolg. Warum haben Sie Evan Rachel Wood gewählt?


WOODY ALLEN Ich glaube, Sie hat eine tolle Karriere vor sich. Ich habe von ihr zuvor noch nie gehört und war auf der Suche nach einem jungen Mädchen. Meine Frau sah "Krass" und erzählte mir davon. Ich besorgte mir den Film und sie war fantastisch. Ich traf sie, und sie war nett, also habe ich sie engagiert. Sie war sehr schüchtern, aber ich hatte bei ihr ein gutes Gefühl. Sie hatte zuvor noch nie in einer Komödie gespielt, aber sie kann tatsächlich spielen. Robert De Niro hatte auch nie in Komödien gespielt, bis er seine erste gemacht hat und seitdem ist er wundervoll.

Scott Orlin


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