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Was von Gottschalk übrig blieb

Wetten, das war's ..?

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ZDF und Svea Pietschmann

Zur letzten Show (SA, 13.12.): ein persönlicher Rückblick von Michael Scholten. Der ehemalige TV SPIELFILM-Redakteur hat zehn Jahre bei "Wetten, dass...?" mitgearbeitet.

Am 14. Februar 1981, als Frank Elstner "Wetten, dass...?" aus der Taufe hob, saß ich als neunjähriger Steppke vor dem Fernseher. Am 13. Dezember 2014, wenn Markus Lanz in Nürnberg das Totenglöckchen läutet, feiere ich meinen 43. Geburtstag.

In den 33 Jahren und zehn Monaten, die dazwischenlagen, gehörte "Wetten, dass...?" immer dazu: Als Kind und Jugendlicher verpasste ich keine Show, als junger TV SPIELFILM-Redakteur freute ich mich über eine Pressekarte für die legendäre Ausgabe mit "Show-Kanzler" Gerhard Schröder.

Im Dezember 2001 wurde ich dann Mitarbeiter der ZDF-Onlineredaktion und war bei 53 Sendungen hinter den Kulissen aktiv. Ich bereitete mit Kollegen Interviews vor, die Jessica Schwarz, Mirjam Weichselbraun oder Nela Panghy-Lee mit den Wettpaten und Sängern führten.

Vermutlich war ich das kleinste Rädchen in dem riesigen Motor, der den schweren Unterhaltungsdampfer antrieb. Aber ich war stolz, den "Access All Areas"-Ausweis um den Hals zu tragen, Teil dieser erfolgreichen Show und der großen "Wetten, dass...?"-Familie zu sein.
Wir reisten als öffentlich-rechtlicher Wanderzirkus nach Berlin, Basel oder Böblingen und nahmen
jedes Mal ein paar Hotels in Beschlag. Der Mix aus funktionalen Messehallen mit kahlen Korridoren, durch die Kantinengeruch wehte, und der hineingepflanzten "Wetten, dass...?"-Kulisse voller Nebelschwaden und Scheinwerfer - er war unwiderstehlich.

Das war richtig großes Fernsehen. Teuer. Gebührenfinanziert. Altmodisch. Oft kritisiert. Aber erfolgreich.

Madonna und was sie drunter trägt

Die Proben am Freitag und Samstag waren die Höhepunkte: Da war Thomas Gottschalk so flegelhaft witzig und politisch unkorrekt, wie er es in der Liveshow gern vermissen ließ. Auf der Bühne probten Robbie Williams, Shakira, David Bowie, Paul McCartney oder Johannes Heesters. Wir Mitarbeiter lauschten den kleinen Privatkonzerten.

Nur Madonna schmiss uns raus. Sie duldete bei der Probe nur Regisseur und Kameraleute, vergaß aber, dass die Bilder auf jeden Monitor in der Halle übertragen wurden. So saßen wir vor dem Fernseher und amüsierten uns über die fleischfarbenen Liebestöter, die sie unterm sexy Outfit trug.

Die Weltstars kamen und gingen, arrangierten sich hinter den Kulissen mit wohnlich gestalteten Messehallenbüros oder in schlichten Steckwand-Garderoben und bestätigten die Vorurteile, die wir Angestellten halt von Weltstars haben: Jennifer Lopez bestand auf komplett in Weiß gehaltene Garderoben, Madonna wollte Kabbala-Wasser, Bodyguards blockierten die Toilettentüren, damit Céline Dion in Ruhe pullern konnte, Luciano Pavarotti ließ sich mit einem Golfcart 50 Meter von der Garderobe zur Bühne fahren, und Tokio Hotel untersagten Fotos von Bill Kaulitz' Rauhaardackel, weil er "aus den Medien herausgehalten" werden sollte.

Mehr als 200 Leute arbeiteten an einer "Wetten, dass...?"-Ausgabe. Es gab viel Routine, aber die wurde aufgebrochen durch Aftershowpartys, bei denen sich die Sponsoren der Gottschalk-Firma Dolce Media nicht lumpen ließen, oder durch Sommersendungen auf Mallorca. Der Job machte Spaß.

Okay, die Quoten sanken, die Kritik an Gottschalk und dem altbackenen Konzept wuchs, aber niemand stellte ernsthaft die Zukunft infrage. Dann kam der 4. Dezember 2010. Samuel Koch hatte uns schon am Vortag bei den Proben mit seiner Wette beeindruckt. Wie er mit Salto über die fahrenden Autos sprang, war auch für "Wetten, dass...?"-Verhältnisse nicht alltäglich.

Wann immer ich durch die Halle lief, sah ich ihn abseits der Bühne üben. Am Abend trafen hinter den Kulissen Cameron Diaz, Christoph Waltz und Justin Bieber ein. Die Show begann, Thomas Gottschalk begrüßte die Wettpaten Otto Waalkes und Sara Nuru, dann setzte Samuel Koch zum Sprung an.

Wir interviewten im Onlinestudio gerade Hardy Krüger. Parallel schaute ich auf den Bildschirm in der Wettpaten-Lounge und sah den Unfall, der alles veränderte. Die Anspannung war überall zu spüren. Es wurde telefoniert und diskutiert, dann brach Regisseur Frank Hof die Show ab. An diesem Abend in Düsseldorf verlor "Wetten, dass...?" seine Unschuld.

Der Spaß, die Unbeschwertheit, die "Uns kann keiner was"-Attitüde war dahin. Thomas Gottschalk hielt zu später Stunde eine Ansprache ans Team. Wir hockten auf den leeren Plätzen, auf denen eine Stunde vorher noch mehr als 3000 Zuschauer gesessen hatten.

Ich denke, alle teilten das beklemmende Gefühl, das man sonst nur hat, wenn ein Familienmitglied verunglückt oder gestorben ist. Man weiß: Ab heute ist alles anders.

Was von Gottschalk übrig blieb

Dass Thomas Gottschalk zwei Monate später seinen Ausstieg bekanntgab, überraschte mich nicht. Dass er noch sieben Shows moderierte, war dem Bitten des Intendanten zu verdanken, aber vermutlich auch den langfristigen Mietverträgen mit sechs Hallen und dem Coliseo Balear auf Mallorca geschuldet.

"Ich rate dem ZDF, die Show einzustellen, sobald Thomas Gottschalk nicht mehr will. Sonst wird sie einen ständigen Niedergang erleben." Das ist ein Zitat aus dem Jahr 2002.

Alexander "Sascha" Arnz, Regisseur der ersten 136 "Wetten, dass...?"-Ausgaben, sagte mir die Sätze in einem TV SPIELFILM-Interview zu seiner Pensionierung. Frank Elstner war damals sauer. Sein langjähriger und verdienter Regisseur, so ließ er mich am Rande eines ARD-Pressetermins wissen, irre sich. Heute ist klar: Er irrte sich nicht.

Die 13 Millionen Zuschauer bei Markus Lanz' Premiere waren angesichts der großen Neugier einer ganzen Fernsehnation vorauszusetzen. Der Effekt verpuffte aber schnell. Stattdessen merkten die Zuschauer, dass sie an Markus Lanz plötzlich vermissten, was sie an Gottschalk immer so blöd fanden: die affigen Klamotten, die Gleichgültigkeit den Gästen gegenüber, mangelnde Vorbereitung...

Unter Markus Lanz sollten die Wetten im Vordergrund stehen und die Promis journalistisch angehauchte Fragen beantworten, die ein Talkshow-erfahrener Moderator von Karten abliest.
Das Dumme war nur, dass genau das ein 30 Jahre altes Fernsehkonzept war, das längst gescheitert wäre, hätte Thomas Gottschalk es nicht bewusst ignoriert und in eine One-Man-Show umgewandelt. Dass Lanz und seine Produktionsfirma nun als Heilsbringer in den Quotenkampf zogen und Gottschalks zurückgelassener Garde das Gefühl gaben, bislang alles falsch gemacht zu haben, vergiftete die Stimmung auch hinter den Kulissen.

Ich war nicht mehr dabei, hörte aber genug Klagen aus der alten "Wetten, dass...?"- Familie. Die früheren Königskinder der ZDF-Unterhaltung fühlten sich vom Stiefvater Lanz ungeliebt und unkten, dass das Märchen kein gutes Ende finden würde.

Tod in der Stierkampfarena

Im Sommer 2013 flog ich nach Mallorca, um privat die Sommerausgabe im Coliseo Balear zu besuchen. Ich war es leid, seit 2010 immer erzählen zu müssen, dass meine aktive "Wetten, dass...?"-Zeit mit Samuel Kochs Unfallsendung endete. Ich ahnte nicht, dass ich an diesem Abend einen dem Tode nahen Fernsehsaurier erleben würde.

Die Wetten fand ich gut, Stefan Raab mit seiner Duschkopf-Schleichwerbung durchaus witzig, aber Jürgen Drews, Mickie Krause, die Geissens und die Buh-Rufe bei der Limbo-Pleite machten deutlich, dass "Wetten, dass...?" seine Grandezza verloren hatte.

Es wäre unfair, allein Markus Lanz die Schuld in die Schuhe zu schieben. Der Versuch, ein angezähltes Liveformat durch einen Moderator statt durch einen Entertainer retten zu wollen, war ehrenwert, aber erfolglos. Nun kommt am 13. Dezember, was kommen musste: das Aus! Oder doch nur eine Pause, wie sie sich Frank Elstner wünscht? Er könnte ja wetten, dass er es schafft, die Zeit zurückzudrehen und der Show alten Glanz zu verleihen. Er würde die Wette ziemlich sicher verlieren.

Michael Scholten

Wetten, dass...?
SA 13.12. ZDF 20.15 Uhr
Weitere spannende Zahlen und Fakten aus 33 Jahren "Wetten, dass ..?" finden Sie in der aktuellen
TV SPIELFILM
(Heft 26 - ab 5.12. im Handel)


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