Mit vierstündigen Dokus am Samstag hat Vox ja bereits Erfahrungen gesammelt, aber wie kommt man auf 12 Stunden-Doku-Programm? Was muss man berücksichtigen, bei so einer Zeitspanne?

Michael Kloft Die Dramaturgie ist das non plus ultra, dass haben wir bereits bei den Vierstündern in enger Abstimmung mit Alexander Kluge und VOX-Chef Frank Hoffmann entwickelt. Die tragende Dramaturgie besteht darin, jede Stunde zu erzählen, was damals genau passiert ist und das im Anschluss mit Dokus zu vertiefen. Das ist auch eine Herausforderung an die Zuschauer.

Wann kann man einsteigen?

Einsteigen kann man eigentlich immer. Das erklärt sich durch das Design, das VOX speziell für diesen Tag entworfen hat, sehr schnell und gut.

Was passierten in den zehnminütigen Stundenprotokollen zum Beispiel?

In den Stundenprotokollen wird gezeigt, was sich vor 66 Jahren innerhalb von jeweils 60 Minuten, also zum Beispiel zwischen 12 und 13 Uhr, ereignet hat. Es geht vom umkämpften Berlin nach San Francisco und weiter bis nach Borneo. Durch die ganze Welt. An diesem Tag tagten beispielsweise die Diplomaten in San Francisico um die Uno zu gründen. Der sowjetische Außenminister hält eine Rede, es gibt eine Falschmeldung, dass Hitler tot sei. Davon haben wir Filmaufnahmen. Gleichzeitig ist die Gruppe Ulbricht in Moskau losgeflogen, landet am Abend in der Nähe von Berlin und plant die DDR. Die Protokolle werden moderiert von Maria Gresz. Wir haben den Schauspieler Clemens Schick gewonnen, der Texte lesen wird.

... und Fritzi Haberlandt.

Ja, Fritzi Haberlandt spricht das Verhör von Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, das wir im Laufe der Recherchen entdeckt haben. Es stammt aus dem Jahr 1946, da hat sie der US-Geheimdienst vorgeladen. Die Abschrift auf englisch haben wir nun gefunden, übersetzt und abgeglichen mit dem, was sie zu späterer Zeit erzählt hat. Das hat Fritzi Haberlandt gesprochen.

Haben Sie weiteres unbekanntes Material entdeckt?

Es gibt sechs, sieben Stunden sowjetisches Filmmaterial aus der Zeit vom Beginn des Angriffs auf Berlin bis zum 8. Mai, bis zur Kapitulation. Das haben wir komplett hier vorliegen. Im Rohmaterial, das ist zum Teil schwierig zu datieren, aber wir haben versucht, es anhand der Route der Roten Armee in diesen Tagen festzumachen. Das erzählen wir in den Dokumentationen ab 20 Uhr, die sich mit der Zeit vom 16. April bis 8. Mai beschäftigen .

Viel Archivmaterial kam nach der Wende aus russischen Archiven. Wo kommt den jetzt noch etwas her?

Es gibt eine Menge Privatsammler, die Materialien zur Verfügung stellen. Auch was auf Dachböden immer wieder gefunden wird, da wundere ich mich über gar nichts mehr. Was den April 1945 angeht, ist es natürlich schwierig. Da wurde auf deutscher Seite eigentlich gar nichts mehr gefilmt. Es gibt noch das eine oder andere Foto und natürlich das sowjetische Material. Wir haben eine Rolle Film im Imperial War Museum gefunden, die genau am 30. April bei Bremen gedreht worden ist, im Internierungslager Borstel.

Zwischen den Stunden Protokollen zeigen Sie insgesamt 14 Dokus. Sie die alle neu?

In der Zusammenstellung sind die Dokus alle neu überarbeitet. Zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ist aber zum Beispiel eine neue Doku über das Reichsparteitaggelände in Nürnberg zu sehen. In einer neu geschnittenen Doku über Eva Braun erzählen wir, warum diese Frau am 30. April im Bunker ist und warum sie sich zusammen mit Hitler das Leben nimmt. Außerdem zeigen wir eine neue Doku über den Filmstar Hitler, in der es um das veränderte Verhältnis zu dieser Figur durch Filme wie Der Untergang,Speer und er bis hin zu den Extrembeispielen wie Der Bonker von Walter Moers oder Quentin Tarantinos Inglorious Basterds geht.

Eine andere Farbe im Programm.

Ja, das haben wir bewusst um 19 Uhr platziert, um in den Abend zu leiten, wo dann die vierteilige Dokumentation Hitlers Tod wartet.

Gibt es neue Erkenntnisse über die letzten Stunden im Führerbunker?

Es war mir wichtig, den Mord an den Goebbels Kindern so zu erzählen, wie er denn wirklich passiert ist, so weit man das rekonstruieren kann. Wir haben die Akten der Staatsanwaltschaft Münster, die in den 50er Jahren ermittelt hat, komplett vorliegen und da lässt sich das ziemlich gut rekonstruieren. Und es war eben anders, als es bei Bernd Eichinger in "Der Untergang" erzählt wird.

Wie war es wirklich?

Es war nicht die kaltherzige Mutter, die ohne mit der Wimper zu zucken die Kinder umbringt. Sie muss noch einmal schreiend rausgelaufen sein: "Ich kann es nicht!" So heisst es in Zeugenaussagen. Das macht die Sache allerdings nicht weniger schlimm. Eine fühlende Mutter, und trotzdem bringt sie die Kinder um. Ihr Fanatismus geht so weit, dass sie das überwinden kann. Dass lässt sich auch anhand der Aussage des anwesenden Arztes rekonstruieren. Vielleicht wollte er sich auch selber schützen, vielleicht hat er die Kinder umgebracht - aber näher ran kommt man nicht.

Wann zeigen Sie diese Episode?

So gegen 22.30 Uhr, vorher könnte man es schon aus Jugendschutz-rechtlichen Gründen nicht so detailliert erzählen.

Interview: Heiko Schulze

Ein Tag schreibt Geschichte - 30. April 1945
SA 30.4. Vox 12.15 Uhr