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Unterwegs mit Jörg Armbruster

Frühling mit Schattenseiten

2 Joerg Armbruster 2003
JÖRG ARMBRUSTER berichtet seit 1999 aus der arabischen Welt. 2011 war er vor Ort, als Ägypten und Libyen sich ihrer Despoten entledigten SWR/Korte

Ein Jahr nach Mubarak und Gaddafi: ARD-Korrespondent Jörg Armbruster berichtet exklusiv in TV SPIELFILM von einer Reise durch Ägypten und Libyen

Es ging gleich gut los. Die Angestellten einer Firma hinter unserem Studio in Kairo hatten beschlossen zu streiken. Also stellten sie ein paar Autos quer, um den Verkehr lahm zulegen. Nichts ging mehr. Auch unsere vollgepackten Autos konnten weder vor noch zurück. Völlig eingekeilt. Bitten und Betteln half nicht, Bestechen schon gar nicht.

"Deutsches Fernsehen? Na und! Berichtet über uns." Ägyptens Arbeiterbewegung ist sehr selbstbewusst geworden. Eigentlich sollte man sich darüber freuen. Eigentlich ... Nach zwei Stunden endlich: Wir sind unterwegs Richtung Norden nach Marsa Matrouh, einer Stadt am Mittelmeer, wo angeblich schon eine der bekanntesten Ägypterinnen Badeurlaub gemacht haben soll vor mehr als 2000 Jahren.

In der aber mit Sicherheit ein deutscher General ein paar Tage gewohnt hat vor genau siebzig Jahren. Ihre Spuren wollten wir suchen.

Wellness und Weltkrieg

Kleopatras Bad - so heißt die wilde Felsenlandschaft im Meer bei Marsa Matrouh, deren unterseeische Höhlen wie gigantische Whirlpools wirken. Die antike Wellness-Königin soll sich hier erholt haben von Cäsar und Marc Anton, vielleicht auch mit ihnen. Der Name Kleopatra ist entlang der ägyptischen Mittelmeerküste ein Lockstoff für Touristen.

Historiker wissen aber auch: Nicht überall, wo Kleopatra draufsteht, war auch Kleopatra drin. Rommels Strand. Den gibt es wirklich in Marsa Matrouh. Aber kaum wahrscheinlich, dass der deutsche General hier seine Badehose ausgepackt hat, auch im Rommelhotel ist er nicht abgestiegen. Ein paar Tage hat Hitlers Lieblingsgeneral hier in einer Höhle den Feldzug gen El Alamein geplant. Mit wenig Erfolg, wie wir wissen.

Diese Höhle, heute mit einer dicken Holztür verschlossen, soll ausgebaut werden, größer, schöner, eindrucksvoller, klärt uns der Museumschef auf. Vom Zweiten Weltkrieg als Erlebnispark träumt er, das sei eine Marktlücke, er rechne fest mit den Ewiggestrigen. Am nächsten Morgen, der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet. Es regnete nicht, es goss aus allen Kübeln. Der Sturm zerrte an den Fußgängern, riss ihnen ihre Schirme aus der Hand, und damit er richtig auf seine Kosten kam, peitschte er jedem noch einen Schwall Wasser ins Gesicht.

Es war kalt, es war zum Davonlaufen. Das taten wir auch, in Richtung Siwa, einer Oase fast 300 Kilometer südlich der Mittelmeerküste. Was wir da wollen? Schauen, ob die Revolution dieses Ende der ägyptischen Welt mitten in der Wüste überhaupt erreicht hat. Kaum ein Auto war unterwegs auf der fast schnurgeraden Asphaltstraße, zu kalt, zu regnerisch, zu ungemütlich. In der Nacht zuvor hatte es gebrannt in Siwa. Haine von Dattelpalmen und Olivenbäume sind zerstört. Ein Millionenschaden für die Bauern.
Es wird Generationen dauern, bis neue Bäume Früchte tragen und die Familien ernähren können.

Unter Schleiern

Die Menschen in Siwa scheinen den Atem anzuhalten. Ihr einziges Thema: der große Brand. Trauer würden die Frauen tragen, wenn sie nicht ohnehin von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt durch die Gassen und über die Feldwege hetzten. Ein schmales Guckloch, zu dem das Kopftuch auf Augenhöhe gefaltet ist, ihre einzige Sichtverbindung zur Außenwelt.

Wie Zyklopenwesen sehen sie aus. Filmen streng verpönt. Siwa ist in dieser Frage Mittelalter mit Satellitenschüssel und Internetanschluss. Keine einzige Einheimische ist bereit, vor unsere Kamera zu gehen. "So etwas gehört sich nicht in Siwa." Dennoch sind die Siwaner dankbar, dass ein ausländisches Fernsehteam vorbeischaut, Touristen bleiben aus. Eine Folge der ägyptischen Revolution, die hier gar nicht stattgefunden hat.

Der Wüsten-Che-Guevara

Nach Siwa endlich Libyen. Unsere erste Station: Tobruk. Angesichts der endlosen Reihen von Soldatengräbern sollte auch dem verblendetsten Rommelfan die Lust an der Heldenverehrung vergehen. Die Libyer feiern hier einen ganz anderen Helden: Omar Mukhtar. So hieß der Anführer der Widerstandskämpfer gegen die italienische Kolonialmacht in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts.

Ein sympathischer Großvatertyp mit weißem Bart und strengem Blick, eine Mischung aus Nikolaus, gealtertem Che Guevara und Dorfschullehrer. Seine Spuren zu finden ist einfach. Fast jeder Libyer kennt die Geschichte seines Heiligen Krieges gegen die Italiener im Dschebel Ahdar, den grünen Hügeln zwischen Tobruk und Bengasi.

An Waffen weit unterlegen, besiegte er dennoch immer wieder die hochgerüsteten italienischen Truppen durch Bauernschläue und seinen Glauben, erzählen uns die Libyer. In den Höhlen des Wadi al Cuf hatte er sich mit seinen Kriegern versteckt.

Mohammeds Mönche

Der Wadi ist eine Schlucht, tief eingeschnitten in die grünen Hügel. Seltene Pflanzen wachsen hier, wilde Heilkräuter, das Frühjahr prahlt mit seiner Blütenpracht. Omar Mukhtars Porträt war auch ein Symbol des Aufstands gegen Gaddafi. Auf ihn beriefen sich die modernen Rebellen Libyens, als sie vor einem Jahr ihre Revolution begannen.

Seinem Bild begegnen wir immer wieder auf unserer Reise durch das nachrevolutionäre Land. Auch im 140 Jahre alten muslimischen Konvent des Sanoussi-Ordens, einer der wenigen mönchsähnlich lebenden islamischen Bruderschaften. Normalerweise bleiben sie lieber verborgen hinter den Klostermauern, uns lassen sie drehen und erklären ihr Leben. All das gehört zur Kulturlandschaft Ostlibyens, und noch vieles mehr.

Zum Beispiel die gewaltigen griechischen und römischen Tempelanlagen, bis zu 2500 Jahre alt, in die Landschaft eingefügt, als seien sie natürlich gewachsen. Schließlich Bengasi - die Hauptstadt des Ostens. Hier hatte der Aufstand begonnen, hier feiern sich die Menschen als die wahren Revolutionäre. Und hier hat sich auch viel Unzufriedenheit gesammelt. Denn von dem, was die Menschen sich erträumt hatten, ist bisher kaum etwas in Erfüllung gegangen.

"Aber vierzig Jahre Misswirtschaft lassen sich nicht so leicht aus der Welt schaffen", hören wir immer wieder als geduldige Entschuldigung. Nach Bengasi fahren wir noch nach Leptis Magna, der vielleicht schönsten antiken römischen Stadt am Mittelmeer: ein Juwel und idealer Ort, um eine Reise durch zwei Länder im Umbruch zu beenden.
Foto: SWR/Korte, JÖRG ARMBRUSTER berichtet seit 1999 aus der arabischen Welt. 2011 war er vor Ort, als Ägypten und Libyen sich ihrer Despoten entledigten
Von der Jasminküste zum Kleopatrabad - Mo, 9.4., ARD, 19.00 Uhr