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Serie: "Boardwalk Empire"

Gangster's Paradise

Das Prohibitionsdrama "Boardwalk Empire" lässt die verruchten 20er wiederauferstehen. Großes TV in 12 Folgen (MI, 16.2., TNT Serie, 20.15 Uhr)

Mit einem Glockenschlag veränderte sich das Gesicht der USA: Am 16. Januar 1920 Punkt Mitternacht trat der Volstead Act, das Gesetz zum Verbot von Alkohol, in Kraft - und setzte ungewollt eine Spirale von Kriminalität, Korruption und Gewalt in Gang. Der historische Moment ist der Ausgangspunkt für "Boardwalk Empire".

Atlantic City verabschiedet sich vom Fusel mit einer großen Party, bei der die Bewohner erst den Whiskey feierlich zu Grabe tragen und sich dann ins Koma saufen. Besonders der Kämmerer der Stadt ist in Feierlaune. Der korrupte Nucky Thompson (Steve Buscemi) hat das Verbot mit illegalen Importen aus Kanada längst ausgehebelt - und damit den Wohlstand für sich und seine Stadt sichergestellt.

In den kommenden Jahren wird der Vergnügungsort an der Ostküste zum Treffpunkt der Crème de la Crème der Unterwelt aus New York und Chicago: Lucky Luciano, Arnold Rothstein, Johnny Torrio, Meyer Lansky und natürlich Al Capone.

Eine Filmlegende wechselt zum Fernsehen

Eine Welt, in der sich Martin Scorsese wohlfühlt. Der Regisseur von "Hexenkessel", "Good-Fellas", "Casino" und "Gangs of New York" ist in Hollywood der große Chronist für das organisierte Verbrechen. Alle Epochen sind in den Filmen vertreten, nur die Zwanziger nicht. Weshalb der Italo-Amerikaner Feuer und Flamme war, als Mark Wahlberg beim Dreh zu "Departed" ihm davon erzählte, dass er sich die Rechte an Nelson Johnsons Atlantic-City-Chronologie "Boardwalk Empire" gesichert hat.


BOARDWALK EMPIRE im TV
Selbst dass die Saga fürs Fernsehen adaptiert werden sollte, schreckte Scorsese nicht ab, im Gegenteil: "Das Fernsehen reizt mich seit Jahren, und dies war mein Einfallstor." Als Mentor stellte man Scorsese Terence Winter zur Seite. Der eigentliche Kopf von "Boardwalk Empire" hat nicht nur jahrelange TV-Erfahrung, er kennt sich als ehemaliger Autor von "Die Sopranos" auch mit Gangstern in New Jersey bestens aus. Nur dass sie dieses Mal tatsächlich existiert haben.

Die Hauptfigur Nucky Thompson ist angelehnt an Nucky Johnson, der von 1911 bis 1941 der heimliche Herrscher von Atlantic City war. Die Änderung des Nachnamens erfolgte, damit sich die Autoren Freiheiten bei der Figur erlauben können - und dem Zuschauer nicht das Gleiche passiert wie Terence Winter bei dem Western "Deadwood". Der googelte die historisch verbürgten Charaktere der Serie und wusste so vorher schon, was in den späteren Folgen passieren würde. Diese Enttäuschung wollte Winter seinen Fans ersparen: "Unser Nucky ist nur zu 70 Prozent real, die restlichen 30 Prozent sind fiktiv."

Viele Millionen, ein Ziel: Fernsehpreise

Anders Al Capone. Dessen Darsteller Stephen Graham liefert ein faszinierendes und historisch akkurates Porträt des berühmtesten Gangsters der Welt ab - und das beinhaltet, dass er 1920 noch ein kleiner Fisch war.

Beiläufig als Bodyguard und Fahrer eingeführt, bekommt der Zuschauer durch eine Nebenhandlung in Chicago hautnah den Aufstieg von Capone mit. Solche historischen Genauigkeiten haben natürlich ihren Preis. Satte 18 Millionen Dollar durfte Martin Scorsese für die Pilotfolge verpulvern, allein 5 Millionen davon gingen für einen 100 Meter langen Nachbau der legendären, titelgebenden Promenade drauf.

Insgesamt hat die 12 Folgen umfassende erste Staffel geschätzte 65 Millionen Dollar gekostet. Eine Investition mit einem Ziel: die großen Fernsehpreise. Jahrelang hatte der US-Pay-TV-Sender HBO mit "Die Sopranos", "Six Feet Under" oder "Deadwood" die Golden-Globe- und Emmy-Zeremonien dominiert. Doch in den letzten Jahren lief ihnen Konkurrent AMC mit "Mad Men" und "Breaking Bad" den Rang und die Abonnenten ab. "Boardwalk Empire" hat diesen Trend gestoppt. Seit 2005 ist keine HBO-Serie in den USA mit besseren Quoten gestartet, und bei der Golden-Globe-Verleihung war sie für drei Preise nominiert, darunter als beste Serie.

Der Grund dafür ist, dass sie zwar in den 20ern spielt, aber deutliche Parallelen zur heutigen Zeit aufweist. "Die Prohibition ist nur eine Metapher für das heutige Drogengeschäft", erklärt Winter. "Typen wollen das schnelle Geld machen, indem sie illegale Produkte verkaufen. Heute ist es Crystal Meth, und früher war es Alkohol." Dazu sind Themen wie die Gleichberechtigung - hier illustriert durch den Kampf um das Frauenwahlrecht - immer noch aktuell.

Für Produzent Martin Scorsese, der nur beim Pilotfilm Regie führte, ist nebenbei ein Traum wahr geworden: "Es ist fantastisch", sagt der 68-Jährige, "ich sehe endlich mal, was mit meinen Figuren geschieht, nachdem der Film zu Ende ist." Fantastisch - finden wir auch.

Rüdiger Meyer