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SciFi-Serie

Twittern mit Toten

Wie verändern uns neue Technologien? Auch die zweite Staffel von Black Mirror ist so gruselig wie visionär

Kennen wir alle: Leute, die ständig das Smartphone in der Hand haben, um SMS zu schreiben, Tweets zu verfassen, Fotos zu posten. Der junge Ash in der "Black Mirror"-Folge "Der Wiedergänger" kann es auch beim Autofahren nicht lassen und verunglückt tödlich. Der trauernden Freundin wird ein Service angeboten, der alle digitalen Äußerungen von Ash in einer Software zusammenführt. Das Programm beantwortet nun ihre Mails an Ash und kann sogar chatten wie der Tote...

Das kennen wir noch nicht. Aber es ist unangenehm leicht vorstellbar. "Ich blickte irgendwann nachts auf all die Profilbilder der Twitter-Website, erinnert sich Charlie Brooker, Mastermind hinter der Thrillerserie, deren zweite Staffel mit drei Folgen nun auf RTL Crime läuft (Folge 2 und 3 am 20. und 27.8.). "Und ich dachte mir, was, wenn all diese Leute schon lange tot sind? Und sie nur von einer Software nachgemacht werden?"

Im digitalen Abdruck, den wir durch unsere eingetippten Meinungsbekundungen und Unterhaltungen im Internet hinterlassen, spiegelt sich die Persönlichkeit. Ein Programm, das daraus Sprachmuster extrahieren und bestimmte Redewendungen wiederholen kann, gibt es derzeit noch nicht. Aber es ist wahrscheinlich in Arbeit.
Der Suchmaschinengigant Google arbeitet mit Hochdruck an einer Art Universal-Datenbank, einer bisher beispiellos komplexen Verknüpfung von im Internet verfügbaren Informationsquellen. "Wir stehen aber noch am Anfang", räumt der zuständige Google-Entwickler Ben Gomes in einem "Spiegel"-Interview ein. "Für lange natürliche Unterhaltungen müssen noch große Computerwissenschaftsprobleme gelöst werden."

Würde die Digitalversion eines Toten Realität, würde sie auch genutzt werden, meint Brooker. "Auch wenn man weiß, es ist nur eine Software: Die Versuchung, sich damit zu unterhalten, wäre unerträglich groß, vor allem wenn man um jemanden trauert."

Moderne Version von "Twilight Zone"
Brooker sieht seine bisher sechsteilige Mini-Serie als moderne Fortführung von "The Twilight Zone", jener Sci-Fi-Serie, die in den USA in den 50er- und 60er-Jahren lief und selbst von Regisseuren wie Steven Spielberg kultisch verehrt wird. Das Gruselelement, das immer integraler Bestandteil von "Twilight Zone" war, findet man bei Brooker besonders in der Folge "Böse Neue Welt". Darin wird eine junge Frau auf offener Straße von Bewaffneten verfolgt. Die vielen Passanten helfen nicht, sondern richten nur mit ausdruckslosen Gesichtern ihre Handykameras auf das Geschehen. Medienzombies, inspiriert durch Nachrichtenbilder wie die von Diktator Gaddafi, der auf seiner Totenbahre von filmenden Souvenirjägern umringt war.

Eine besonders interessante Folge der ersten "Black Mirror"-Staffel, "Das transparente Ich", kommt bald ins Kino. Bei einem Bieterwettstreit um die Rechte setzte sich Hollywood-Star Robert Downey Jr. durch. Derzeit wird noch am Drehbuch gearbeitet. Die Menschen haben darin ein Implantat im Kopf, mit dem sie alles, was sie durch die Augen wahrnehmen, aufzeichnen. So können sie es immer und immer wieder ansehen, analysieren - und darüber verrückt werden. Zukunftsmusik? Für die filmende Computerbrille Google Glass wurde gerade die App MindRDR vorgestellt. In Verbindung mit einem MindWave-Sensor, der aussieht wie ein Headset, löst der Träger die Brillenkamera durch bloße Konzentration aus - und postet das Ergebnis gleich bei Facebook. Robert Downey Jr. sollte sich also besser beeilen. Damit sich beim Kinopublikum nicht ein "Kennen wir schon"-Gefühl einstellt.

Frank I. Aures