Auch wenn es gefühlt gar keine Fußballsommerpause gab, stattdessen Frauen-WM, U20-WM, U21- und U19-EM der Männer - und Testspiele, Testspiele, Testspiele: Dass die Bundesliga am 14. August ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt, können echte Fans kaum erwarten. Allen voran sicher die in Darmstadt: Gestartet ganz unten in der dritten Liga, gelang den Hessen ein sensationeller Durchmarsch und die Rückkehr in die Bundesliga nach 33 Jahren. Ihren "Uff-stiech" feierten die Darmstädter jedenfalls enthusiastischer als der große FC Bayern seine 25. deutsche Meisterschaft.

Illustre Expertenrunde

Zum Auftakt der 53. Saison empfängt der Titelverteidiger den Hamburger SV. Ausgerechnet - denn der nur durch einen unberechtigten, aber hübsch verwandelten Freistoß in letzter Relegationsminute gegen den KSC noch einmal glücklich reanimierte Bundes­liga-Dino ist der erklärte Lieblingsgegner der Münchner: Beim letzten Aufeinandertreffen am 14. Februar demontierte der FC Bayern die Nordlichter mit 8 : 0. Kein Wunder, dass auch die Quoten der großen Sportwettenanbieter massive Zweifel an einem Coup der Hamburger dokumentieren: Wer 10 Euro auf ihren Sieg setzt, kann im Erfolgsfall bis zu 300 Euro kassieren.
Das Duell der so ungleichen Traditions­clubs ist natürlich auch Thema unserer Expertenrunde mit vier prominenten Vertretern der wichtigsten Medienpartner der Liga. Aber um ein kleines Wettangebot kommen Alexander Bommes (ARD), Jochen Breyer (ZDF), Sebastian Hellmann (Sky) und Thomas Helmer (Sport1) auch nicht herum...

TV SPIELFILM: Das Eröffnungsspiel der Saison bestreiten Bayern und der HSV - Ihr erster Gedanke, als Sie von der Ansetzung erfuhren?
ALEXANDER BOMMES: Dass der FC Bayern vielleicht noch nicht in Tritt ist und es vielleicht mal kein fieser Abschuss wird.
JOCHEN BREYER: Rekordmeister gegen Relegationsrekord­meister, ein schöner Start in die Saison.
SEBASTIAN HELLMANN: Ich kenne Bruno Labbadia gut. Der geht mit 100 Prozent in die neue Saison. Hoffentlich raubt das Spiel bei den Bayern dem kleinen HSV-Pflänzchen nicht gleich zum Auftakt die Energie für den Start.
THOMAS HELMER: Super für den HSV: nichts zu verlieren und trotzdem die Chance, sich endlich mal wieder positiver zu präsentieren.

TV SPIELFILM: Und Ihr zweiter Gedanke?
BOMMES: Dass die Ansetzung nicht unbedingt von der Spannung, sondern eher von der Vorfreude auf die neue Bundesliga-Saison lebt.
BREYER: Jeder erwartet, dass der HSV unter die Räder kommt. Genau das könnte seine Chance sein.
HELMER: Aus Sicht der Bayern hätte es wohl schlimmer kommen können :-)

TV SPIELFILM: Ab 2016 kassieren die englischen Clubs für die Medienvermarktung 3,5 Milliarden Euro jährlich - deutet Liverpools 40-Millionen-Euro-Verpflichtung von Hoffenheims Roberto Firmino an, was dann passieren wird? Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

BOMMES: Der Fußball verliert diejenigen Menschen, die mit solchen Summen nichts mehr anfangen können. Zum Glück bleiben Teamgeist und gute Taktik aber auch eine Qualität. Augsburg hat das in den vergangenen zwei Jahren gezeigt.
BREYER: Vierzig Millionen für Firmino, acht für Joselu, zehn für Okazaki: Da sieht man, wohin die Reise geht. Einerseits bedrohlich. Andererseits: Sollte die Bundesliga es schaffen, diese Millionen klug zu investieren, kann sie letztlich profitieren.
HELLMANN: Für mich ist die Bundesliga die erste Adresse in Europa. Ich bin davon überzeugt, dass sich sehr viele gute Spieler vorstellen können, hier zu spielen. Wir haben viel zu bieten, was England nicht hat.
HELMER: Gerade für die eher mittelmäßigen Clubs in England ist das natürlich ein richtiges Pfund, wie zum Beispiel der Millionentransfer von Joselu zu Stoke City zeigt. Das gilt natürlich auch für viele Spieler, die dort mehr Geld verdienen können als woanders − und das sind nicht nur die Topleute. Und wie man am Beispiel von Hoffenheim und Roberto Firmino sehen kann, bekommen die deutschen Vereine dadurch auch höhere Ablösesummen für ihre Spieler.

TV SPIELFILM: Die Geldschraube im internationalen Fußball dreht sich weiter. Sagen Sie: Mitbieten, koste es, was es wolle, oder eine Grenze ziehen - auch um den Preis, dass deutsche Mannschaften keine großen Titel mehr holen?

BOMMES: Der FC Bayern und mit Abstrichen auch Dortmund werden durch ihre Möglichkeiten immer mithalten. Mal besser, mal schlechter. Wolfsburg kommt dazu. Wichtig ist nur, dass die UEFA ihre eigenen Richtlinien zum Thema Financial Fair Play konsequenter durchsetzt. Sonst braucht man sie nicht.
BREYER: Lieber auf die eigenen Stärken setzen: die he­rausragende Jugendarbeit zum Beispiel. Oder die besondere Fankultur. Der Neureichtum der Premier League wird die deutschen Clubs zu kreativen Lösungen zwingen. Das muss nicht nur ein Risiko, das kann auch eine Chance sein.
HELLMANN: Die deutschen Teams werden ihre Titel holen und international mithalten. Wo waren denn die Premier-League-Clubs im letzten Viertel­finale der Champions League? Alle zu Hause vor dem Fernseher.
HELMER: Ich glaube nicht, dass unsere Vereine so denken, sprich: mitbieten, bis der Arzt kommt. In der Liga wird größtenteils schon sehr gut und seriös gearbeitet und jeweils im Rahmen der finan­ziellen Möglichkeiten vernünftig eingekauft. Deshalb müssen wir in der Liga keine Grenze ­ziehen. Grundsätzlich sind wir schon gut aufgestellt und werden so auch weiter in der Lage sein, internationale Titel zu gewinnen. Was uns aus finanzieller Sicht - besonders im Vergleich mit England - fehlt, ist unter anderem ein Wettbewerb im Bereich Pay-TV.

TV SPIELFILM: Die Aufsteiger Braunschweig und Paderborn sind in den letzten Jahren trotz Mini-Etats nur knapp am Klassenerhalt gescheitert. Wie schätzen Sie die Chancen von Ingolstadt und Darmstadt ein, in der Liga zu bleiben? Bitte eine Prozentzahl...

BOMMES: Ingolstadt: 25 Prozent, Darmstadt: 35 Prozent.
BREYER: Genau 22,73 Prozent... Nein, im Ernst: Das zu schätzen ist unmöglich. Und genau deshalb macht die Bundesliga so viel Spaß, weil sich speziell im Abstiegskampf nichts vorhersagen lässt.
HELLMANN: Ingolstadt hat sicherlich das Potenzial, die Klasse zu halten. Und Darmstadt ist das größte Fußballwunder der vergangenen 30 Jahre. Vor drei Jahren sind die Lilien nur in der 3. Liga geblieben, weil die Offenbacher Kickers keine Lizenz erhalten haben - und dann packen sie den Durchmarsch in die Bundesliga, was bislang erst sieben Clubs gelang. Ob die Darmstädter den Klassenerhalt schaffen oder nicht - es ist schon großartig, dass sie überhaupt dabei sind.
HELMER: Für beide wird es sicherlich extrem schwer. Da aber beide Clubs sehr gute Trainer haben (Ingolstadt: Ralph Hasenhüttl, Darmstadt: Dirk Schuster) und erst einmal die Euphorie des Aufstiegs mitnehmen, werden sie vielleicht doch eine ähnlich gute Rolle spielen können wie zuvor Braunschweig oder Paderborn. Prozentual sehe ich ihre Chancen trotzdem bei nur zehn Prozent :-(

TV SPIELFILM: Ein Satz, den Sie in keinem Fieldinterview mehr hören wollen?

BOMMES: "Wat woll'n Se eigentlich?"
BREYER: "Wir sind keine Bayern-Jäger, uns reicht Platz 2."
HELLMANN: Die Aussage, dass es mal wieder am Schiedsrichter lag...
HELMER: "Warum haben Sie den Elfmeter vergeben?"

TV SPIELFILM: Worauf würden Sie eher wetten: Dass Schalke bis zur Winterpause ohne Trainerwechsel auskommt oder dass Bibiana Steinhaus bis dahin ihr erstes Bundesligaspiel pfeifen wird?

BOMMES: Wie reich werde ich, wenn beides eintritt...?
BREYER: Auf Ersteres. Der leidenschaftliche André Breiten­reiter auf Schalke, das könnte passen.
HELLMANN: Frau Steinhaus ist äußerst souverän, ein Einsatz für sie in der Bundesliga somit ohnehin kein Problem. André Breitenreiter wird einen guten Job machen, also nicht entlassen werden. Ich wette lieber darauf, dass es eine super Saison wird.
HELMER: Bibiana ist eine super Schiedsrichterin, hat aber einen extrem schweren Stand. Sie hätte es ab­solut verdient, aber die vielen Herren im Schieds­richterbereich wollen das eher nicht. Deshalb die Wette auf Schalke, zumal ich sehr viel von André Breitenreiter halte.

Frank Steinberg