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Neu als Serie

"Bates Motel", der berühmteste Thriller der Filmgeschichte

Mit Bates Motel geht der berühmteste Thriller der Filmgeschichte in Serie (MO, 5.5.): modern erzähltes TV, bei dem sich Hitchcock nicht im Grab umdrehen würde

Noch sind es nur die kalten, labbrigen Steaks, die Norma Bates mit dem großen Messer in der heimischen Küche bearbeitet. Sorgsam trennt sie Fleisch und Knochen voneinander, schneidet Fettränder ab, wischt blutigen Saft von dem schweren Holzbrett. Eine Mutter, die das Abendessen für sich und ihren Sohn bereitet - völlig alltäglich.

Aber jedem dürfte klar sein, dass es nicht lange dauern wird, bis die lange scharfe Klinge auch lebendes Fleisch tranchiert. Es braucht kaum mehr als Andeutungen, um bei "Bates Motel" einen wohligen Schauer zu erzeugen: das Aufblitzen des Messers.

Das Rascheln eines Duschvorhangs. Der Anblick der viktorianischen Villa, die auf dem Hügel über der titelgebenden Schnellstraßenabsteige thront und mit ihrer schiefen Steintreppe und den hohen Fensterbögen einen unheilvollen Schatten wirft.
Als im Kino noch geschrien wurde "Bates Motel" erzählt die Vorgeschichte zu "Psycho". Jenem Klassiker von Alfred Hitchcock, in dem der geisteskranke Norman Bates in Frauenkleidern brutale Morde begeht. Der Regisseur brach in seinem Thriller Konventionen: Zum Höhepunkt kommt er bereits in Minute 47, als Anthony Perkins Hauptdarstellerin Janet Leigh unter der Dusche niedersticht.

Wie in einem Tobsuchtsanfall lässt Hitchcock in der 45 Sekunden langen Sequenz mehr als 50 Schnitte auf den Zuschauer einprasseln, gefilmt aus Aberdutzenden Kamerapositionen. Ohne auch nur einen einzigen Messereinstich oder eine klaffende Wunde zu zeigen, bannte der Meister der Manipulation den schreckenerregendsten Mord der Filmgeschichte auf Zelluloid.

Unterlegt mit der berühmten "Iiieeek-iiieeek-iiieeekiiieeek"-Tonfolge von Komponist Bernard Herrmann. Der Film profitierte aber nicht nur von der Hochspannung im, sondern auch vor dem Kino: Um das Ende geheim zu halten, soll Hitchcock in den USA alle Kopien von Robert Blochs Romanvorlage aufgekauft haben.

Der Trailer bestand aus einer Reihe mysteriöser Anspielungen. Und nach Beginn der Kinovorstellung durfte niemand in den Saal gelassen werden. Das Ergebnis: Die nichts ahnenden Kinobesucher schrien während der Vorführung, griffen einander, sprangen aus ihren Sesseln auf und liefen die Gänge im Saal auf und ab.

Der Schocker wurde zum Publikumsmagneten. 2001 wählte das American Film Institute "Psycho" zum besten Thriller aller Zeiten. Ein gewaltiges Erbe.

Vom Werden eines Monsters

Oft wurde in den vergangenen 50 Jahren versucht, an den Erfolg von "Psycho" anzuknüpfen. Erreicht wurde die Qualität des Meisterwerks nie. "Bates Motel" geht dem Vergleich aus dem Weg und nimmt die aus dem Buch bekannte Vorgeschichte als Vorlage: Nach dem Tod ihres Mannes ersteigert Norma Bates ein Motel und zieht mit ihrem Sohn Norman in die Kleinstadt White Pine Bay, um neu anzufangen.

Doch in dem beschaulichen Küstenstädtchen wimmelt es nur so von dunklen Geheimnissen. Um nicht von der Last des Originals erdrückt zu werden, haben sich die Serienmacher Carlton Cuse ("Lost") und Kerry Ehrin ("Friday Night Lights") eines Kunstgriffes bedient: Anstatt ihre Serie chronologisch korrekt in den frühen 50er-Jahren anzusiedeln, spielt "Bates Motel" in der Gegenwart.

Die zeitgemäßen Impulse hauchen den Figuren neues Leben ein und geben der Geschichte die nötige Intensität. Selbst den Kennern des Romans "Psycho" wird so manche angenehme Überraschung bereitet. So entdeckt der 17-jährige Norman unter dem Motelteppich ein geheimnisvolles Heft mit Zeichnungen misshandelter Frauen.

Geradezu unheimlich, wie der junge Brite Freddie Highmore in diesem Moment zum ersten Mal die düstere Seite seiner jugendlichen Unschuld durchschimmern lässt. Highmore spielt Bates als einsamen Teenie, einen liebenswürdigen, etwas nerdigen Außenseiter, der einfach dazugehören will und von der wohlmeinenden, aber besitzergreifenden Norma daran gehindert wird.

Ist diese Mutter-Sohn-Beziehung mit den inzestuösen Untertönen der Auslöser für Normans spätere Wandlung? Ist es der kriminelle Halbbruder Dylan, der mit Norma im Clinch liegt? Oder doch White Pine Bay, das Pendant zu David Lynchs Twin Peaks?

Trotz aller Neuerungen vergessen Carlton Cuse und Kerry Ehrin nie, Hitchcocks Meisterwerk den nötigen Respekt zu zollen. Sei es mit akkurat gezeichneten Figuren oder mit bis ins kleinste Detail nachempfundener Szenerie. Nur durch sie entsteht der düstere atmosphärische Sog, dem sich niemand entziehen kann. So wie das blitzende Messer, das in der Küche liegt.

Laslo Seyda

Bates Motel
MI 11.9. Universal Channel 21 Uhr