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"Nachtschicht: Wir sind alle keine Engel"

Markenkrimi "Nachtschicht"

Fünf Gründe, warum die "Nachtschicht"-Krimis so gut sind

1. Interessante Figuren
Foto: Networkmovie, Regisseur Lars Becker
In "Wir sind alle keine Engel" fordert Sharronda (Alina Levshin) ihr Gehalt in einem Blumenladen ein - was in eine Geiselnahme mit Waffengewalt mündet. Ist die Frau ängstlich oder nervös? Nein, sie ist genervt, weil alles so kompliziert ist.

Außerdem dabei: Nazis, die von den braunen Kumpels wegen "unerlaubter Ausländerkontakte" verstoßen wurden, Radiomoderatoren, die unter dem Motto "Schick ihn in die Wüste" nach originellen Trennungsmethoden fragen.

Die Figuren von Autor und Regisseur Lars Becker sind widersprüchlich, unberechenbar und angesichts der schweren Verbrechen, die sie begehen, erstaunlich unbedarft. "Das sind keine Einszueins-Kopien von Leuten, die ich erlebt habe, aber ich kenne solche Typen reichlich", sagt Becker, der auf einen besonderen Erfahrungsschatz zurückgreifen kann:

Er lebte dreißig Jahre auf St. Pauli, Hamburgs "kleinstem Stadtteil mit dem Höchstmaß an Verrücktheiten" (Becker). Sechs Jahre lang betrieb er dort sogar die Bar Centrale.
2. Realistische Verbrechen
Geniale Psychopathen, raffinierte Komplotte, glamouröse Zuhälter... findet man in der "Nachtschicht" nicht. Stattdessen spontane Morde, Menschenhandel, Ausbeutung.

"Früher gab es zwei dominante Gruppen, die den Kiez unter sich aufgeteilt haben", sagt Becker. Heute sei es viel diversifizierter. "Helmut Kohl hat 1983 gesagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland.

Das war schon damals lächerlich", so Becker. "In Hamburg haben wir schon seit den Siebzigerjahren massiv Einwanderer. Die sozialen Veränderungen, die das mit sich bringt, sind das, was mich am meisten interessiert."
3. Sender, Produktion und Regisseur vertrauen einander
Der dreizehnte "Nachtschicht"-Film, den Becker gerade in Hamburg für das ZDF abgedreht hat, sollte ursprünglich "nur" eine weitere Rotlichtgeschichte erzählen. "Das Drehbuch war schon abgenommen, ich fand dann aber die aktuellen Entwicklungen in Syrien so wichtig, dass ich das Buch noch einmal komplett umgeschrieben habe."

Jetzt geht es auch um syrische Frauen, die über Agenten an heiratswillige Deutsche vermittelt werden. "Europa ist deren letzte Hoffnung", sagt Becker. Dass Sender und Produktionsfirma (Network-Movie) auf so viel Engagement so flexibel und willig reagieren, ist selten. Allerdings hat die "Nachtschicht" mit Quoten zwischen fünf und sechs Millionen auch ein verlässlich großes Publikum.
4. Stimmige Milieus und Orte
Der Anblick der Innenstädte in Deutschland wird immer einheitlicher, die Reeperbahn wird heute eher von Musical-Theatern und Touristenbussen dominiert als von Straßenprostitution und Verbrechen. Schwere Zeiten für Filmemacher?

"Man sucht noch intensiver nach guten Drehorten, aber man muss sich auch der Realität stellen", sagt Becker. Das bedeutet, auch in visuell unattraktiven Wohnvierteln zu drehen und ihnen gute Bilder abzugewinnen oder in den Räumen eines Pizzalieferdienstes oder einer Radiostation spannende Geschichten zu erzählen.
5. Gute Schauspieler auch in kleinen Rollen
Mit Armin Rohde und Barbara Auer spielen zwei sehr bekannte Darsteller ständig bei der "Nachtschicht". Dass sie manchmal nicht viel Text abbekommen, nehmen sie in Kauf. Auch die Episodenhauptrollen sind immer prominent besetzt, diesmal mit Alina Levshin, in vorherigen Fällen mit Schauspielern wie Ben Becker, Mišel Matičević oder Joachim Król.

Für Lars Becker spielt sogar eine Größe wie Götz George mal eine Episodenhauptrolle, was er sonst kategorisch ablehnt. Als Komparsen treten Beckers Kontaktpersonen aus Rotlichtvierteln und Hochhausgettos auf.

"Schauspieler, die selbst eine Migrationsgeschichte haben, tragen so eine Geschichte mit. Die sind nicht nur authentisch, die sind mit Herz dabei", sagt er.