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Mörderische Sippe: "Borgia"

Ohne Skrupel

Sie waren Vorbild für "Der Pate". ZDFneo zeigt die Geschichte der Borgias (ab FR, 6.4.), einer mörderischen Sippe ...

Rom, Sommer 1492. Papst Innozenz VIII. (Udo Kier) liegt im Sterben. Sein Atem geht flach, die Kardinäle versammeln sich eilig um sein Bett. Doch statt gottesfürchtig für Seine Heiligkeit zu beten, entbrennt unter den kirchlichen Würdenträgern ein erbitterter Streit um das Testament des Sterbenden.
Der spanische Kardinal Rodrigo Borgia (John Doman), dessen Ehrgeiz es ist, der Nachfolger auf dem Stuhl Petri zu werden, tobt vor Zorn, denn das Testament ist eine Fälschung. Borgias verzweifelter Plan: Innozenz muss zumindest so lange leben, bis er die Intrige aufgeklärt hat. Und so lässt er eine Amme rufen. Die entblößt eine pralle Brust und legt sie an die fahlen Lippen des
Todkranken.

Gierig wie ein Neugeborenes schmatzt und saugt der Papst, bis er satt ist. Nicht nur diese Szene wird bei vielen Fernsehzuschauern für Gesprächsstoff sorgen. Denn die sechsteilige TV-Serie "Borgia" zeigt den hohen Klerus in Zeiten der Renaissance von einer Seite, von der wir ihn bislang noch nicht gesehen haben: sexsüchtig, korrupt, machthungrig, intrigant, mordlüstern und skrupellos.
Im Zentrum der 24 Millionen Euro teuren Miniserie stehen Rodrigo Borgia, der 1492 auf den Heiligen Stuhl gewählt wird, und seine Kinder Juan, Cesare und Lucrezia. Während die meisten seiner Vorgänger ihre illegitimen Nachkommen als Nichten und Neffen ausgaben, holte Borgia als Papst Alexander VI. seine Kinder in den Vatikan und stattete sie mit einflussreichen Ämtern aus.

Oliver Hirschbiegel ("Das Experiment"), der die ersten beiden Folgen inszenierte, kostet aus, was ihm die Borgias und ihr ausschweifendes Leben an Möglichkeiten bieten. Er zeigt den Papst beim Liebesspiel mit seiner Mätresse, die Vergewaltigung der Frau eines Feindes durch Cesare und immer wieder Mord und Totschlag.

Da ist es fast unverständlich, dass die FSK-Freigabe "ab 12" lautet und die Serie somit um 20.15 Uhr gezeigt werden darf.

Mafia des 15. Jahrhunderts

Nicht alles, was das Fernsehen so ausführlich zelebriert, ist historisch verbürgt. "Es ist schwer, Mythos und Fakten zu unterscheiden", sagt der Amerikaner Tom Fontana, der das Projekt vom Drehbuch bis zum "Final Cut" allein verantwortet. Und Ferdinand Dohna, einer der drei Produzenten der auf Englisch gedrehten Miniserie, gibt zu: "Wir erzählen die Geschichte, wie sie gewesen sein könnte. Aber wenn man einen guten Film machen will, entscheidet man sich im Zweifel zugunsten der Unterhaltung, nicht der Wahrheit."
Tom Fontana, der schon als Schüler von Machtfülle und Einfluss der Renaissancepäpste fasziniert war, hat Jahre mit der Recherche für sein Lieblingsprojekt zugebracht. Als Hauptquelle dienten ihm die Aufzeichnungen des Deutschen Johannes Burckhard, der für Papst Alexander VI. (Amtszeit: 1492-1503) als Zeremonienmeister fungierte.

Burckhard ist zwar ein penibler Chronist, der jeden Skandal, jede Indiskretion notiert, aber er ist natürlich kein um Objektivität bemühter Journalist. So war es ihm ein Dorn im Auge, dass Papst Alexander VI. für die Zeit seiner Abwesenheit aus dem Vatikan seiner damals 21-jährigen Tochter Lucrezia die Amtsgeschäfte überließ und sie später als Gouverneurin von Spoleto einsetzte. Bei den Borgias blieb die Macht in der Familie.

Die Konsequenz und Skrupellosigkeit, mit der die Borgias ihren Einfluss mehrten, fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten. Bestsellerautor Mario Puzo ("Der Pate") sah in ihnen das Vorbild für moderne Mafiaclans. Die ZDF-Miniserie endet, als sich die von Rodrigo Borgia entfesselte Gewalt unaufhaltsam Bahn bricht. Produzent Jan Mojto, dessen EOS-Film das ambitionierte Projekt inzwischen in mehr als vierzig Länder verkauft hat, hält sich die Option auf eine Fortsetzung offen. "Wir haben noch Stoff für zwei weitere Staffeln."

Susanne Sturm