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Mo Asumang trifft sich für Doku "Die Arier" mit Rechtradikalen

Keine Angst vor der braunen Brut

Mo Asumang, Ex-Moderatorin von "liebe sünde", hat eine Dokumentation über "Die Arier" (DI, 29.4.) gedreht. Dafür mischte sich die Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen unter die Neonazis in Deutschland und den USA.

Sie sind im Fernsehen durch eher unterhaltende Formate wie "liebe sünde" bekannt geworden. Wann begann ihre Hinwendung zu ernsten Themen wie Rassismus?

Mo Asumang Das hatte einen ganz konkreten Anlass, und zwar eine Morddrohung von Neonazis. "Diese Kugel ist für dich, Mo Asumang", heißt es in einem Song der rechtsradikalen Band White Aryan Rebels aus dem Jahr 2002. Ich habe mich danach auf die Suche nach meiner Identität gemacht und 2007 mein Regiedebüt "Roots Germania" gedreht. So fing das an.

Manche Leute hätten sich nach einer solchen Drohung versteckt, Sie haben das Gegenteil gemacht und sind in die Öffentlichkeit gegangen. Sind Sie ein mutiger Mensch?

Mo Asumang In machen Dingen bin ich das. Aber mir blieb ja auch gar keine andere Wahl. In den Zeiten des Internets hat man eigentlich keine Chance, sich unsichtbar zu machen, also bin ich die Flucht nach vorn angetreten. Dabei habe ich festgestellt, dass das auch Spaß macht. Es irritiert Rechte ungemein, wenn ich mich als Person einbringe und direkt auf sie zugehe.

Inwieweit schützt Sie die Anwesenheit eines Kamerateams?

Mo Asumang Das Kamerateam, das mich zu dem rechtsradikalen Musikfestival und hauptsächlich beim Dreh begleitet hat, bestand aus Kamerafrauen. Die hätten mich nicht großartig schützen können, wenn die Rechten es wirklich darauf angelegt hätten, mich zu verprügeln. Dann hätte auch die Tatsache, dass die Kamera läuft, sie nicht am Zuschlagen gehindert.

Was schützt Sie dann?

Mo Asumang Meine Einstellung. Ich versuche, eher sanftmütig zu sein, deshalb habe ich auch mit Frauen gedreht, weil deren Anwesenheit deeskalierend wirkt. Die Situation ist für die Rechten ja ohnehin schon eine Provokation, wenn auf einmal eine Schwarze vor ihnen steht. Man muss damit rechnen, dass sie weglaufen.

Die Art, wie Sie direkt auf Leute zugehen, erinnert an Michael Moore. Ist das jemand, den Sie schätzen?

Mo Asumang Michael Moore ist schon eines meiner Vorbilder, aber ich denke, dass ich eine etwas andere Vorgehensweise habe. Ich bin anders als er nicht auf Krawall gebürstet. Ich brauche das auch nicht, weil die Situationen, in die ich mich begebe, krass genug sind.

In ihrem neuen Film "Die Arier" ist mir aufgefallen, dass die deutschen Rechtsradikalen das Gespräch mit ihnen verweigern, während die Amerikaner da offener sind...

Mo Asumang Nach "Roots Germania" gehen bei vielen Rechten die Alarmlichter an, wenn sie mich sehen. Sie wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen, dass ich nicht nur wie andere Interviewer Fragen stelle, sondern das ich sie als schwarze Deutsche stelle. Ich gehe auf die Rechten zu, ich schaue sie an, man riecht sich, vielleicht lächle ich, wenn wir filmen. Das sorgt für Irritationen.

Dagegen haben die US-Neonazis keine Probleme, mit ihnen zu reden...

Mo Asumang
Die Neonazis in den USA haben eine Freiheit der Meinungsäußerung, die weit über das hinausgeht, was in Deutschland zulässig ist. Insofern können sie in den USA Sachen sagen, für die sie in Deutschland verklagt würden. Außerdem fehlen ihnen die historischen Erfahrungen der Deutschen.

Ihre Eltern haben nicht erlebt, wie ihre Häuser zerbombt wurden, weil die Nazis anders nicht zu stoppen waren. Wenn sich US-Rechte eine Hakenkreuzbinde überstreifen, dann hat das was von einem schlechten Film, in dem man etwas nachspielt, das man gar nicht richtig kennt.

Der Hassprediger Tom Metzger, der seine Parolen übers Internet verbreitet, kommt wie ein freundlicher älterer Herr rüber, der gerne Bäume umarmt...

Mo Asumang Ja, der hat die Situation für sich zu nutzen versucht und Werbung in eigener Sache gemacht. Ich bin fest davon überzeugt, dass er gar nicht an das glaubt, was er predigt. Das ist ein Riesengeschäft. Mir ist sehr wichtig, dass die Menschen das kapieren.

Inwieweit spielt die Aufdeckung der NSU-Morde in Ihren Film hinein?

Mo Asumang Einige der Publikationen, die den "arischen Widerstand" fordern, stammen aus dem Umkreis der NSU-Mörder. Man hat auch ein entsprechendes Heft in der Garage von Beate Zschäpe gefunden.

Welche Rolle spielen die "Arier" für die rechte Ideologie?

Mo Asumang Es ist der ideologische Kern, in dem sich die über die Welt verstreuten Neonazis vereinen können. Deshalb ist die Irrlehre über den weissen Herrenmenschen als Arier so gefährlich. 'Arisch' funktioniert heutzutage als Wort-Bild-Marke perfekt. Es erlaubt, auch russische oder amerikanische Neonazis einzufangen.

'Die Weißen' z.B. als Überbegriff für Rassisten, würde nicht funktionieren, denn auch Juden sind weiß. Mein Film zeigt, dass der Arier-Mythos der Rechten unvereinbar mit allem ist, was man aus der Geschichte und der Wissenschaft weiß. Das bringt die Ideologie hoffentlich ins Wanken.

Sie zeigen ja sehr eindrücklich, dass die von der Sprachwissenschaft als Arier identifizierten Menschen dunkelhäutig sind und im Iran leben. Wie kommen die Nazis darauf, dass Arier blond und blauäugig sind?

Mo Asumang Mit Arthur de Gobineau begann im 19. Jahrhundert die Umdeutung einer sprachwissenschaftlichen Unterscheidung zu einer Rassenlehre, die immer absurder wurde und nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Die Nazis haben aus dieser trüben Quelle geschöpft und immer weiter fabuliert, bis aus den Persern irgendwann Germanen wurden.

Kann man eigentlich ernsthaft mit Leuten wie Axel Stoll diskutieren, der behauptet, die Arier kämen vom Aldebaran und lebten auf der Rückseite des Mondes?

Mo Asumang Das ist nicht immer einfach. Für Stoll ist die Science-Fiction-Parodie "Iron Sky" ein Dokumentarfilm. Aber ich denke, jeder Mensch ist es wert, dass man zumindest versucht, mit ihm in Kontakt zu kommen. Ändern können sich die Leute nur selbst. Aber vielleicht gibt ihnen die Begegnung mit mir einen Impuls.

Tatsache ist, dass die Nazis zwar gegen Juden und Ausländer sind, aber die meisten von ihnen niemanden kennen, der Jude oder Ausländer ist. Man muss diese Erstarrung in den Köpfen durchbrechen und sagen: Mach' deine Erfahrungen, bild' dir dein eigenes Urteil.

Nur so bekommt man die Neonazis aus den Klauen ihrer Führer, die alles tun, damit sie keinen Kontakt mehr zur Welt außerhalb dieser rechten Parallelgesellschaft haben. Denn jeder Kontakt zur Realität birgt aus deren Sicht die Gefahr, dass das ganze Konstrukt zusammenbricht.

Es gibt ja glücklicherweise auch immer wieder Aussteiger aus der NS-Szene, wie auch Ihr Film zeigt. Tut der Staat genug, um diese Leute zu unterstützen?

Mo Asumang Leider nicht. Das ist ein Thema, das wir sehr viel stärker angehen müssen. Vor allem die jungen Leute, die sich von der rechten Szene angezogen fühlen, aber noch nicht richtig eingetaucht sind, müsste man sehr viel stärker unterstützen, damit sie nicht abrutschen. Aber auch die Aussteigerprojekte und der Schutz von Menschen, die sich von der extremen Rechten lossagen, verdienen bessere Förderung.

Sie gehen ja auch in Schulen, um aufzuklären...

Mo Asumang Ja, und wenn ein Nazi in der Klasse ist, setze ich mich direkt daneben. Und die ganze Klasse schaut zu und hat hoffentlich dieses Bild im Kopf, um das es mir auch als Filmemacherin geht: Der Neonazi und die Afrodeutsche nebeneinander. Und wenn die Klasse das sieht, denkt sie hoffentlich: geht doch!

Die Arier
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