Raketenstarts, Gurken, knallende Champagnerkorken: Die platten Sex-Metaphern im Vorspann von "Masters of Sex" könnten einem "Austin Powers"-Film entstammen. Glücklicherweise der einzige Fehltritt der herausragenden neuen Serie über die Sexualforscher William Masters (Michael Sheen) und Virginia Johnson (Lizzy Caplan).

Von 1957 bis 1992 klärte das ungleiche Duo mit seinen Studien über Sexualität und Orgasmus die US-Bevölkerung auf - teilweise durch selbstlosen Körpereinsatz. Denn der Arzt der University von St. Louis und die Sekretärin und Mutter beobachteten nicht nur zehntausend Orgasmen von Probanden, sie brachten sich auch gegenseitig zum Höhepunkt.

Ein reizvolles Thema für den US-Kabelsender Showtime, der bereits mit Serien wie "The L Word", "The Tudors" oder "Californication" sein Faible für nackte Haut und sexuell aufgeladene Geschichten bewiesen hat. Doch die Serie ist mehr als nur eine Fleischbeschau, weiß Hauptdarstellerin Lizzy Caplan: "Natürlich gibt es viele Nacktszenen und Sex, aber im Grunde geht es in der Serie um Frauenrechte."
Das Anti-"Mad Men"

Dafür hat Michelle Ashford ("The Pacific") gesorgt, einer der wenigen weiblichen Showrunner im US-Fernsehen. In ihren Händen wird "Masters of Sex" zur Östrogenausgabe von "Mad Men". Denn unbestrittener Star der Serie ist Lizzy Caplan als willensstarke, alleinerziehende Virginia Johnson, die genau weiß, was sie will - beruflich und im Bett. Die Männer hingegen sind winselnde Weicheier: William Masters traut sich nicht aus seiner unglücklichen Ehe mit Libby (Caitlin FitzGerald) auszubrechen, Masters' Assistent Dr. Haas (Nicholas D'Agosto) kann die Ablehnung einer Frau emotional nicht verarbeiten, und ihr Chef Barton Scully (Beau Bridges) versucht verzweifelt, seine Homosexualität vor der Außenwelt und sich selber zu verbergen.

Scully, Verwaltungschef der Uni, ist aus rechtlichen Gründen eine fiktive Figur, die sich aus vielen verschiedenen realen Personen speist. Wie sich die Serie überhaupt einige Freiheiten herausnimmt gegenüber Thomas Maiers gleichnamiger Biografie über das Forscherpaar. "Alle wichtigen Ereignisse sind korrekt. Bei den zeitlichen Abläufen aber gibt es Abweichungen", gesteht Michelle Ash­ford. "So hatte der echte Bill Masters bereits zwei Kinder, als er Virginia Johnson kennenlernte."

Brust raus, Penis rein

Der Sexualkundlerin Johnson war ihr Ruhm sichtbar unangenehm. Erst im hohen Alter verriet sie Thomas Maier in 90 Stunden Interviews Details über ihr Verhältnis zu Masters, mit dem sie von 1971 bis 1993 auch verheiratet war. Ein Treffen mit den Machern der Serie lehnte die 2013 verstorbene Wissenschaftlerin ab. Vielleicht auch weil sie ahnte, dass die Serie zwar in ihrer Aussage feministisch sein würde, in ihrer Präsentation aber ganz und gar Hollywood.

Das zeigt sich bei der Darstellung von Nacktheit. Obwohl Masters und Johnson den weiblichen wie den männlichen Orgasmus untersuchten, bekommt der Zuschauer in erster Linie Brüste zu sehen. Männerhintern oder gar Frontalansichten sind wie bei fast allen Serien tabu (siehe links). Hier sieht auch Lizzy Caplan noch Verbesserungsbedarf: "Doppelmoral unter Geschlechtern existiert auf jeden Fall auch heute noch. Vielleicht sind wir doch nicht so weit gekommen, wie wir dachten."

Rüdiger Meyer

Masters of Sex
DI, 5.8., ZDF Neo, 22:45 Uhr