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"Limit"

Frank Schätzing im Interview

Der Erfolgsautor Frank Schätzing ("Der Schwarm") im Gespräch mit TV SPIELFILM über seinen neuen Roman "Limit", Uma Thurman und was uns die Zukunft bringen kann

Ihr Sci-Fi-Thriller "Limit" ist im Jahr 2025 angesiedelt. Ein Drittel der Geschichte spielt auf dem Mond, wo die neue Energieressource Helium-3 gefördert wird. Das treibt die Ölwirtschaft auf der Erde in den Ruin, lange bevor die Ölreserven aufgebraucht sind. Wann kamen Sie auf diese Idee?
FANK SCHÄTZING Das war Ende der 1990er. Da las ich einen Zehnzeiler zum Thema Helium-3 in irgendeinem wissenschaftlichen Magazin. Man hatte gerade den Nachweis geliefert, dass dieses Edelgas in rauen Mengen auf dem Mond lagerte. Seit vier Milliarden Jahren war es mit den Sonnenwinden dorthin gelangt, während es auf der Erde praktisch nicht vorkam, weil unser Magnetfeld und unsere Atmosphäre den Sonnenwind ablenken. Weiter stand da, wenn es gelänge, lunares Helium-3 in einem Fusionsreaktor mit Wasserstoff zu verschmelzen, ließe sich die Menschheit auf unabsehbare Zeit mit umweltfreundlicher Energie versorgen. Klasse, dachte ich, mal angenommen, das klappt - dann würden wir Öl und Ergas nicht mehr brauchen, was gravierende Folgen für die Weltwirtschaft und den Umweltschutz hätte. Gleichzeitig stünde ein ungeheurer Run auf den Trabanten zu erwarten, alle wollten zurück zum Mond, und natürlich würden sich die großen Nationen um die Vorherrschaft dort oben kloppen. Das fand ich eine fabelhafte Ausgangssituation für einen globalen Thriller.

Nun kann man das Helium-3 ja nicht mal eben vom Mond abholen und zur Erde bringen.
FANK SCHÄTZING Genau da liegt das Problem: Wie kriegt man das Zeug hierher? Ganz klar braucht man effizientere Transportmittel als Raketen. Und da kommt der Spacelift ins Spiel, an dem die NASA schon seit Jahren forscht. Das Prinzip ist einfach: Man spannt ein Seil zwischen der Erde und einem Punkt im so genannten geostationären Orbit - der liegt dort, wo Erdanziehungskraft und Fliehkraft einander aufheben -, lässt eine Kabine an dem Seil rauf und runter fahren, und fertig ist der Fahrstuhl. So einfach ist es dann aber doch nicht, denn bislang scheitert die Umsetzung an der Reißfestigkeit eines 36.000 Kilometer langen Seils.

Der Rest des Buches spielt auf der Erde. Eine chinesische Dissidentin und ein britischer Web-Detective werden von Unbekannten um den halben Globus gejagt. Schauplätze sind London, Shanghai, Berlin, Vancouver, Äquatorialguinea. Sind Sie überall gewesen?
FANK SCHÄTZING London und Berlin kenne ich gut, und in Vancouver leben die Eltern meiner Frau. China bereise ich seit Jahren in Gedanken, hab's nur noch nicht hingeschafft. In Äquatorialguinea war ich noch nie, aber - ehrlich gesagt - da zieht mich auch nichts hin.

China ist Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse...
FANK SCHÄTZING Die mir gerade ein wenig hasenfüßig vorkommt. Ich soll auf einem Empfang der Chinesen sprechen. Dann sickerte durch, meine chinesische Heldin sei eine Regimekritikerin, und plötzlich wurde angeregt, wir sollten das Thema China vielleicht nicht groß thematisieren.

Ist ein Scherz, oder?
FANK SCHÄTZING Dachte ich zuerst auch. (Lacht) Ich schreibe über China, und beim chinesischen Empfang mit lauter Chinesen reden wir nicht über China. Das ist doch mal ein Ansatz.

So was nennt man wohl totale Eskalationsvermeidung. Es kann aber sein, dass Sie nach "Limit" eh nicht mehr nach China einreisen dürfen.
FANK SCHÄTZING Mein bester Freund sagte kürzlich: "Wärst du bloß vorher mal hingefahren. Jetzt lassen sie dich nicht mehr rein." Dabei ist "Limit" durchaus chinafreundlich. Egal. Umso lieber werden sie mich nach Taiwan lassen. Man soll es ja nicht glauben, aber dort bin ich mittlerweile so was wie ein Kultautor.

Durch den "Schwarm"?
FANK SCHÄTZING "Schwarm", "Tod und Teufel", das Sachbuch. Kürzlich war ein Bekannter in Taipeh und sagte: "Du liegst da in allen Buchhandlungen gleich stapelweise rum."

Wie technisch versiert waren Sie, bevor Sie mit der Recherche für dieses Buch angefangen haben?
FANK SCHÄTZING In Astrophysik kannte ich mich ganz gut aus, in Sachen Raumfahrt wusste ich etwa 20 % dessen, was ich heute weiß. Was den Spacelift angeht, kenne ich die Grundidee seit Mitte der 1990er Jahre, die Details habe ich erst bei der Recherche erfahren.

Wie haben Sie recherchiert?
FANK SCHÄTZING Man muss surfen können. Surfen heißt ja nicht, mal eben Google anzuklicken, man muss Fährten lesen. Man kann zum Beispiel auf die NASA-Homepage gehen. Die NASA hat ein ganzes Dossier über den Spacelift, dort wird das Prinzip erklärt, und von der NASA-Page gelangt man wiederum zu wissenschaftlichen Abhandlungen aus aller Welt. So puzzelt man sich die einzelnen Teile zusammen, lernt dabei die Namen der Experten für die jeweiligen Sachgebiete kennen und ruft die einfach an.

Hat Ihnen geholfen, dass Sie der sind, der Sie sind oder, hatten die Wissenschaftler gar keine Ahnung, wer sie da anruft?
FANK SCHÄTZING Seit dem "Schwarm" habe ich so eine Art "Kanzler-Bonus". Es war fast nie ein Problem, Termine mit Experten zu bekommen. Und spätestens im Gespräch merkten die, dass ihnen da kein Spinner gegenüber saß, sondern einer, der sich vorher über ihr Fachgebiet schlau gemacht hatte, so dass wir auf relativ hohem Niveau miteinander reden können. Das goutieren Wissenschaftler natürlich.

Wie gut waren Sie in der Schule in Physik und Chemie und Biologie?
FANK SCHÄTZING In Biologie war ich eigentlich immer gut. Aber in Chemie hatte ich ein Ausreichend, und in Physik auch mal eine Fünf.

Der technische Teil, den Sie an den Anfang des Buches stellen, ist extrem detailliert geschildert und damit für Laien reichlich kompliziert. Haben Sie keine Angst, Ihre Leser zu überfordern?
FANK SCHÄTZING Komplex ist es, das stimmt. Aber man kann natürlich auch selektiv lesen und sagen: Ich will vom Spacelift eigentlich nur wissen, dass er aus zwei Seilen besteht, an denen man zur Raumstation OSS hochfahren kann. Den Rest überspringt man dann halt.