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Eventserie "Der Schwarm": Das ZDF verbrennt mehr als 40 Millionen Euro

Meinung | Für unfassbar viel Geld hat das ZDF den Bestseller "Der Schwarm" von Frank Schätzing als Serie verfilmt. Unser Redakteur Michael Hille ist nach dem Ansehen der Folgen der Meinung: Das war leider ein Schuss ins Blaue.

Die Meldung verbreitete sich in Windeseile: Kurz vor dem Start der ZDF-Megaproduktion "Der Schwarm" meldete sich in einem Zeit-Interview der Autor der Bestseller-Vorlage, Frank Schätzing, und kritisierte die kommende Serie scharf: Von einem "zusammengeschusterten Unsinn" sprach er, die Serie sei zudem erzählerisch "grundfalsch" und "ohne aktuelle Relevanz", auch die Dialoge und Figuren sagten ihm nicht zu: "Manches ist kinoreif, anderes ist rühr- und redseliges Beziehungskisten-TV. Es pilchert mehr, als es schwärmt."

Der Schöpfer von "Der Schwarm" war also nicht gerade happy mit dem, was das ZDF für eine Rekordsumme produziert hatte: Mehr als 40 Millionen Euro hat man investiert, zusammen mit Partnern aus dem Ausland wie ORF und Hulu Japan. Bei der Berlinale zeigte man vorab die ersten drei Folgen, aufwendige Marketing-Kampagnen versprechen ein TV-Ereignis. Seit dem 22. Februar 2023 kann man sich in der ZDF-Mediathek selbst ein Bild machen. Was dabei aber schwerfällt: Frank Schätzing zu ignorieren. Mit vielen seiner bösen Vorabkommentare lag er nämlich leider goldrichtig.

Natur vs. Mensch: "Der Schwarm" erzählt von drohender Katastrophe

Foto: ZDF, Klaas Heufer-Umlauf, sonst eher als Moderator bekannt, zeigt sich in "Der Schwarm" als Schauspieler.

Wer den Roman von 2004 kennt, weiß, dass "Der Schwarm" ziemlich komplex erzählt ist und viele verschiedene Perspektiven einnimmt. Fürs Kino wäre das wohl unverfilmbar gewesen, obwohl Ridley Scott ("Gladiator") es 2006 mal mit Uma Thurman in der Hauptrolle versuchen wollte. Daraus wurde bekanntlich nichts. Im Serienformat ist "Der Schwarm" eh besser aufgehoben, immerhin hat multiperspektivisches Erzählen im Fernsehen schon oft zu Sternstunden geführt – man denke nur an "Game of Thrones". Logisch also, dass sich das ZDF für den kreativen Chef hinter "Der Schwarm" Frank Doelger anheuerte – war er doch über Jahre in die Produktion der legendären Fantasy-Serie aus den USA involviert.

Die Serie tanzt also inhaltlich auf vielen Hochzeiten, erfindet zum Buch auch noch einige Figuren und Handlungen dazu. Erzählt wird die Geschichte verschiedener Charaktere, verteilt über die ganze Welt, die alle mit rätselhaften Phänomenen konfrontiert werden. Die Molekularbiologin Cécile Roche (Cécile De France) entdeckt ein neuartiges Bakterium im Trinkwasser, das eine weltweite und sehr tödliche Pandemie auslösen könnte. Der Walforscher Leon (Joshua Odjick) wundert sich über das veränderte Verhalten der Meeresbewohner, die plötzlich aggressiv Boote attackieren. Ähnlich besorgniserregende Entdeckungen machen die Studentin Charlie (Leonie Benesch) in einer Forschungsstation auf den Shetlandinseln, U-Boot-Kapitän Alban (Oliver Masucci) und Tauchrobotik-Experte Roscovitz (Klaas Heufer-Umlauf) beim Tauchgang sowie Meeresbiologe Dr. Sigur Johanson (Alexander Karim). Letzterer entdeckt einen bislang unbekannten Eiswurm, der Kontinentalhänge destabilisiert und so verheerende Tsunamis auslöst.

Je mehr Phänomene auftauchen, umso mehr beschleicht die verschiedenen Experten rund auf dem Globus derselbe Verdacht: Die Natur schlägt zurück und rächt sich an der Menschheit. Nur: Wie kann man die drohende weltweite Katastrophe noch abwenden?

Frank Schätzing lag mit seiner "Der Schwarm"-Kritik richtig

Foto: ZDF, "Der Schwarm" zeigt eine gewaltige Katastrophe. Die Feinde kommen dieses Mal nicht vom Himmel, sondern aus den Tiefen des Meeres.

Der Roman "Der Schwarm" ist seit seinem Erscheinen nur noch aktueller geworden. Eine dystopische Zukunftsversion, in der die Natur durch enorme humanitäre Katastrophen als Rache für Verschmutzung und Klimawandel zurückschlägt, birgt eine erschreckende Sprengkraft. Es wird kaum möglich sein, die Serie anzusehen, und nicht an jüngere Ereignisse wie die Flut im Ahrtal, die Coronavirus-Pandemie oder die Erdbeben in der Türkei und in Syrien zu denken. Das ZDF hatte mit seiner Produktion also Gold in der Hand – nach Hause gekommen sind sie jedoch nicht mal mit Bronze. "Es pilchert", sagte Frank Schätzing und traf damit ins Schwarze. Die Dialoge ziehen einem teils die Schuhe aus.

In vielen Folgen wirkt es, als habe man auf Krampf versuchen wollen, es zwischen den Charakteren "menscheln" zu lassen. Herausgekommen ist dabei nun, dass es entweder erzwungene Streitsituationen gibt, in denen sich mit allen Wassern gewaschene Profis wie Kleinkinder aufführen oder die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich in kitschige Romanzen verwickeln lassen, die massiv von der bedrohlichen Atmosphäre und Konstellation der Serie ablenken – und die Figuren zudem weit weniger professionell wirken lassen, als nötig wäre. Die Schauspieler machen größtenteils einen respektablen Job, müssen sich aber durch abgeschmackte Plattitüden kämpfen. Von Prestige-TV, das man hier immerhin erreichen wollte, ist wenig zu sehen. Trotz zahlreicher Handlungsstränge und Figuren sucht man Sympathieträger und echte Spannungsmomente vergeblich.

Wofür wurden bei "Der Schwarm" 40 Millionen Euro investiert?

Foto: ZDF, Frank Schätzing kritisierte schon im Vorfeld die Verfilmung seines Romans "Der Schwarm". Leider hat er mit vielen seiner Argumente völlig recht.

Das hohe Budget sieht man "Der Schwarm" natürlich an. Die Spezialeffekte sind teils beeindruckend: Wenn Wale mehrere Meter aus dem Wasser springen und auf Boote krachen oder in einer virtuosen Szene abertausende von Quallen die Lagune von Venedig frequentieren, darf man über die Bildgewalt staunen (selbst wenn die Qualität der Animationen manchmal gewöhnungsbedürftig aussieht). Die drei Regisseure Barbara Eder ("Thank you for Bombing"), Philipp Stölzl ("Der Medicus") und Luke Watson ("Ripper Street") zeigen in solchen Momenten ihr Können. Dank ihnen kann "Der Schwarm" immerhin zeitweise unterhalten, doch mit fortlaufender Folgendauer entpuppt sich die Serie als hübsch verpackte, aber leere Hülle, bei der man sich fragt, wofür hier 40 Millionen Euro ausgegeben wurden. Ein paar hübsche Bilder hat man sich von dem Geld vielleicht gekauft, doch was hat man letztlich davon, wenn man als Zuschauer kein Interesse für den Inhalt dieser Bilder entwickelt?

Acht Folgen sind nun entstanden, zu Produktionszeiten war mal die Rede davon, man könne sich noch weitere Staffeln vorstellen. Vielleicht wäre dies trotz der fatalen Schwächen der Serie gar keine schlechte Entscheidung: Der Roman wie die Serie behandeln eine große Katastrophe von apokalyptischem Ausmaß, an dessen Ende die Menschheit vor einem Scherbenhaufen steht. Doch Schätzing beendet "Der Schwarm" mit der Aussicht auf Hoffnung: für einen Wiederaufbau und ein Umdenken ist es nie zu spät. Das möchte man auch den Serienmachern ans Herz legen.

Sollte es mit "Der Schwarm" also weitergehen, wünscht man sich den Fokus weg von erschütternden Tragödien und Katastrophen hin zu einer humanistischen Botschaft, die den Zusammenhalt der Menschheit und ihre Möglichkeiten für eine bessere Welt feiert. Es wäre vielleicht genau die Geschichte, die wir in unseren Zeiten dringend brauchen können.

Folge 1-3 von "Der Schwarm" sind seit dem 22. Februar 2023 in der ZDF-Mediathek verfügbar. Die Folgen 4-6 folgen am 1. März, und die Folgen 7-8 am 8. März. Im Fernsehen zeigt das ZDF je zwei Folgen ab dem 6. März täglich um 20:15 Uhr im Free-TV.