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Kult-Moderator Jan Böhmermann mit neuer ZDFneo-Show

Harald Schmidt der Generation digital

ZDFneo
Jan Böhmermann im "Neo Magazin"-Studio: Der Mann von Welt greift zum Telefon mit Wählscheibe ZDFneo

"Roche & Böhmermann", seine gemeinsame Talkshow mit Charlotte "Feuchtgebiete" Roche auf ZDFkultur, war kult. Jetzt geht Jan Böhmermann mit einer neuen Show ("Neo Magazin - donnerstags) auf ZDFneo an den Start.

Der 32-Jährige zeigt sich beim Interview sichtlich erleichtert, dass er allein moderieren darf.

TV SPIELFILM: Neo Magazin - was ist das?

JAN BÖHMERMANN Eine halbstündige Sendung auf Basis des ZDF-Magazins mit Gerd Löwenthal aus den Achtzigern. Ich finde, es ist eine spannende Idee, auf der Grundlage eines reaktionären Propagandamagazins leichte Unterhaltung zu machen.

Neo Magazin
donnerdstags, ZDFneo, 23 Uhr
Sind Sie der Löwenthal 2.0?

JAN BÖHMERMANN Ja, plus ein bisschen Vico Torriani und Michael Schanze. Ein klein wenig Biggi Lechtermann steckt auch in mir drin. Kurzum: Der Wille zur leichten Unterhaltung ist da.

Schwappt die Retrowelle jetzt von der Popmusik ins Fernsehen?

JAN BÖHMERMANN Retro Future ist die Parole der ZDFneo-Programmchefin Simone Emmelius. Wir gentrifizieren das Fernsehen. Wir machen nichts anderes als Investoren, die in Berlin Altbauten kaufen und luxussanieren. Der einzige Unterschied: Wir sanieren keine Häuser, sondern Sendungen.

Late Night ist ja eigentlich auch ein Retro-Format, oder?

JAN BÖHMERMANN Stimmt, das letzte Mal, als man das im deutschen Fernsehen probiert hat, hat man in den Neunzigern versucht, US-Stars wie Jay Leno und David Letterman zu kopieren. Wir versuchen mit dem Neo Magazin was Neues.

Ist das ein Politmagazin?

JAN BÖHMERMANN Nein, so etwas könnte ich auch gar nicht. Ich bin unstudiert und habe Bremer Abitur, da bin ich intellektuell schon gar nicht in der Lage, fundierte Politanalyse zu machen. Das überlasse ich anderen wie Benjamin von Stuckrad-Barre. Ich bin mehr der Typ für die leichte Unterhaltung.

Haben Sie jemals für eine Sache demonstriert?


JAN BÖHMERMANN Ja, ich war mal mit 17 bei einer Anti-NPD-Demo in meinem Heimatstadtteil Vegesack in Bremen. Das sollten übrigens alle machen, wenn die NPD durch ihren Stadtteil marschiert. Am Ende haben irgendwelche Antifa-Leute mit Feuerlöschern und Hundescheiße geworfen und leider glaubten einige Polizisten, ich sei das gewesen. Zwei Mann haben mich mit dem Gesicht nach unten über den Asphalt geschleift. Das war für mich eine interessante Erfahrung, denn mein Vater war ja Polizist und ich kannte seine Kollegen bis dahin nur als nette Familienväter.

Sind Sie nach "Roche & Böhmermann" froh, dass Sie allein moderieren?

JAN BÖHMERMANN (mit Inbrunst)Total! Wenn man ein Doppelmoderationsangebot vom Fernsehen bekommt, sollte man das immer ablehnen. Dann lieber Internet-Fernsehen machen.

Egal, wer der Ko-Moderator ist?

JAN BÖHMERMANN Ganz egal. Ich zitiere in diesem Zusammenhang gern meinen geliebten Intendanten Thomas Bellut, der gesagt hat, die einzige Doppelmoderation, die jemals funktioniert hat, ist die von Marianne und Michael.

Sehen Sie sich im Fernsehen Talkshows an?

JAN BÖHMERMANN Fast nur in den Mediatheken, und wenn ich Talkshows sehe, dann, um mich emotional mitreißen zu lassen und auch um ein wenig zu weinen. Da kommen eigentlich nur zwei in Frage: Reinhold Beckmann und Frank Plasberg.

Sehen Sie noch ganze Sendungen oder Ausschnitte?

JAN BÖHMERMANN Hauptsächlich Ausschnitte, ich skippe vor. Deshalb ist meine Sendung auch nur eine halbe Stunde lang. In der Welt, in der ich mich bewege, ist das schon wahnsinnig lang. Deshalb muss meine Show sehr dicht sein und eine hohe Schlagzahl haben, sonst wird's langweilig.

Sie sind ja auch Radiomoderator. Ist Talkshow im Fernsehen Radio mit Bild?

JAN BÖHMERMANN Im besten Fall ja. Ich mache ja zwei Shows im Radio, eine mit Olli Schulz und eine allein, und tatsächlich ist Radio das freiere Medium. Man kann viel leichter improvisieren - beim Fernsehen hat man ein riesiges Team um sich herum.

Die Grenze zwischen gekonnter Improvisation und purer Blödelei ist schmal...

JAN BÖHMERMANN Genau, das ist auch eine Lehre, die wir aus "Roche & Böhmermann" gezogen haben. Rauszugehen und nicht zu wissen, was passiert, ist zwar ein tolles Experiment, aber keine Basis für eine Sendung, die länger funktionieren soll. Man braucht ein Konzept, eine überzeugende Form und eine Technik, die zuverlässig funktioniert. In dieser Beziehung bin ich neuerdings konservativ.

Olli Schulz ist mit seiner Show "Schulz in the Box" bei Pro Sieben gelandet. Würden Sie auch gern zu einem größeren Sender als ZDFneo gehen?

JAN BÖHMERMANN Jedes Angebot, das besser ist als das aktuelle, wird angenommen. Aber mich interessiert kein kurzfristiger Erfolg. Ich bin erst 32. Wenn alles gut läuft, kann ich noch in 30 Jahren Fernsehen machen.

Bis dahin sollten Sie es in das normale ZDF geschafft haben...

JAN BÖHMERMANN Wenn das dann überhaupt noch so wichtig ist. Vielleicht gibt es dann auch nur noch eine große Mediathek. Für mich ist die Mediathek jetzt schon wichtiger als die Ausstrahlung auf ZDFneo. Deshalb ist mir die Sendezeit auch egal.

Wie sind Ihre Erfahrungen bei "Roche & Böhmermann" gewesen?

JAN BÖHMERMANN Wir hatten 50.000 Zuschauer bei ZDFkultur und 300.000 in der Mediathek. Mehr haben auch ordentliche Unterhaltungssendungen in den Dritten nicht. Mit solchen Zahlen hat man eine ähnliche Relevanz wie "Zimmer frei!" im WDR.

Aber "Zimmer frei!" ist Mainstream. Wollen Sie da wirklich hin?

JAN BÖHMERMANN Ich möchte gern Mainstream neu definieren. Viele Leute, auch in den Sendern, denken, wir machen unberechenbaren, provozierenden Anarcho-Irrsinn und hätten keine Ahnung von dem, was wir tun. Die Wahrheit ist viel gefährlicher: Wir wissen nämlich genau, was wir tun.

Harald Schmidt, für den Sie gearbeitet haben, gilt auch als jemand, der sehr genau die Wirkung seiner Pointen kalkuliert hat.

JAN BÖHMERMANN Ja, er ist immer sehr gut vorbereitet gewesen. Dieses Arbeitsethos finde ich vorbildlich.

Harald Schmidt hat "Verstehen Sie Spaß?" moderiert. Würden Sie sich "Wetten, dass...?" zutrauen?

JAN BÖHMERMANN Ich stehe für "Wetten, dass...?" zur Verfügung, vorausgesetzt, Markus Lanz tritt freiwillig zurück. Und ich garantierte: Meine erste "Wetten, dass...?"-Sendung hat mindestens zweieinhalb Millionen Zuschauer. Top, die Wette gilt!

Wenn Sie die Machtfülle eines nordkoreanischen Diktators hätten: Was würden Sie in Deutschland ändern?

JAN BÖHMERMANN Ich würde die öffentlich-rechtlichen Sender zwingen, alles, was an ihnen alt und hässlich ist, in einen digitalen Rentnerkanal auszulagern. Die frei werdenden Sendeplätze werden von frischen jungen Kräften wie Florian Silbereisen und mir belegt.

Rainer Unruh

Neo Magazin
DO 31.10. ZDFneo 23 Uhr