.

Interview Charlotte Link & Marie Bäumer

In zwei Welten

Very British: Starautorin Charlotte Link schrieb "Das andere Kind" (DO, 3.1.), Marie Bäumer spielt im Film die Hauptrolle

Ein anderes Land, eine ferne Zeit und ein altes Verbrechen, das bis in die Gegenwart nachwirkt - das sind die Zutaten, mit denen Charlotte Link ihren Roman "Das andere Kind" wieder einmal zum Bestseller gemacht hat. Das Erste hat die Geschichte um ein Kinderschicksal im Bombenkrieg und eine Mordserie im heutigen Großbritannien als gut besetzten Zweiteiler umgesetzt.

Im TV SPIELFILM-Interview erklären Link und Hauptdarstellerin Marie Bäumer die Hintergründe von Buch und Verfilmung.

TV SPIELFILM: Frau Link, Ihr Roman führt nicht nur nach Großbritannien, sondern auch in die Zeit des Zweiten Weltkriegs.

CHARLOTTE LINK: Ich fand die Geschichte der Kinderlandverschickung so interessant. Es klang für mich immer so schön: Die Kinder werden aus London rausgebracht. Und von netten Leuten auf dem Land aufgenommen und so über den Bombenkrieg rübergerettet.

Und tatsächlich war es gar nicht so schön?

CHARLOTTE LINK: Nein, da ist ganz viel Schlimmes passiert. Die Gasteltern haben Geld dafür bekommen, dass sie sich um die Kinder kümmern. Das kam aber oft nicht den Kindern zugute. Viele mussten hungern und schwer arbeiten. Kinder sind ausgebeutet und misshandelt worden. Viele kamen traumatisiert zurück. Aber nach dem Krieg gab es Wichtigeres, als sich um ein paar Kinder zu kümmern, die es nicht gut gehabt hatten.

Gedreht wurde in England. Filmsprache war Englisch?

MARIE BÄUMER: Und Deutsch. Die Engländer haben in den Dialogen englisch geredet und wir deutsch. Für uns ist es meist kein Problem, die Engländer zu verstehen, umgekehrt schon. Das war für einige sehr anstrengend, mir macht so etwas immer Spaß.

Was genau macht dabei Spaß?

MARIE BÄUMER: Festzustellen, wie viel Kommunikation stattfindet, die nichts mit dem gesprochenen Wort zu tun hat. Aber schwierig ist es natürlich auch. In Dialogen muss man ja den Anschluss hinbekommen. Film ist auch Timing.

Frau Link, warum spielen Ihre Bücher so oft in England?

CHARLOTTE LINK: Ich fühle mich dort zu Hause. Als Autor ist man auf ständige neue Inspiration angewiesen. Man kann ein Buch nicht rein handwerklich, über den Kopf, konstruieren, sondern die Bilder müssen stimmen. Und das funktioniert bei mir in England über die Sprache, die Landschaft und die Mentalität besser als in Deutschland.

Sind Sie zufrieden mit der Umsetzung fürs Fernsehen?

CHARLOTTE LINK: Jedenfalls zufriedener als früher. Mit dem Ende konnte ich mich aber nicht gut anfreunden. Das Buch geht sehr viel weniger versöhnlich aus, ungelöster. Aber so ist es oft im Leben: Manche Dinge lösen sich nicht. Weder jetzt noch später. Man muss damit so umgehen, wie sie sind.

MARIE BÄUMER: So etwas halten die Macher im deutschen Fernsehen nicht aus. Leute, die wirklich etwas erzählen wollen, laufen ständig auf. Die Verantwortlichen scheuen die heiße Welle, die einem entgegenkommt, wenn man den Kochtopf mal ganz aufmacht, um bis auf den Boden sehen zu können. Deswegen werden viele Inhalte verharmlost.

Sollte man also eher ins Kino gehen, als fernzusehen?

CHARLOTTE LINK: Die BBC traut sich mehr. Die zeigen den Schmerz, die Tristesse, die Kaputtheit, die in einem Buch steckt. Momentan macht der Sender sehr unschöne Schlagzeilen, eigentlich hat er aber weltweit ein enormes Renommee. Die werden für ihren Mut nicht vom Publikum abgestraft. Es scheint also zu gehen.

Frau Bäumer, Sie leben in Frankreich. Was können wir von diesen Nachbarn lernen?

MARIE BÄUMER: Ich mag dort, dass das Land geschlossen zwei Stunden Pause macht. Da wird einfach in Ruhe gegessen. Essen ist Kommunikation. Die findet dort einmal am Tag sicher statt. Das kommt in Deutschland manchmal zu kurz.

Wagen Sie auch noch den Umzug nach England, Frau Link?

CHARLOTTE LINK: Ich würde gern, aber mein Mann ist beruflich an Deutschland gebunden. Als Plan für mein Leben habe ich England aber nicht aufgegeben.

Frank Aures

Das andere Kind 1 + 2
MI 2.1. DO 3.1. ARD 20.15 Uhr