Der unfähigste Chef aller Zeiten kehrt für zehn Folgen auf den Bildschirm zurück. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
TV SPIELFILM: Wie haben wir uns Stromberg zu Beginn der fünften Staffel vorzustellen: gereift wie ein guter Wein?

Christoph Maria Herbst Definitiv nein, dann hieße er nicht Stromberg. Er ist der Alte geblieben, aber er schöpft aus dem Neuen und macht das auf grandiose Weise. Für mich ist die neue die beste von allen Staffeln. Es ist auch die mutigste. Als ich die Drehbücher gelesen habe, musste ich teilweise zweimal lesen, weil ich es nicht glauben konnte. Und es geht noch mal derart ans Eingemachte, dass viele Zuschauer mit Tränen vorm Fernseher sitzen werden, und ich bin mir nicht sicher, ob sie weinen oder lachen.

Sie haben die "Stromberg"-Fans fast zwei Jahre warten lassen. Warum?

Christoph Maria Herbst Gute Bücher müssen reifen, da sind wir wieder bei der Wein-Metapher, bevor man Luft an sie heranlasst. Hinzu kommt, dass viele aus dem "Stromberg"-Team, mich eingeschlossen, zwischenzeitlich viele andere Sachen gemacht haben. Am Sender lag es nicht. Der wäre gern früher mit den neuen Folgen gekommen. Aber dafür haben wir jetzt auch gleich zehn gemacht und nicht lächerliche sechs. Und alle werden froh sein, wenn es vorbei ist. Weitere Folgen wären nicht zu ertragen. Denn es ist diesmal richtig übel.

Dabei stellt Stromberg einen muslimischen Azubi ein. Ist das nicht ein Beweis für seine Multi-Kulti-Kompetenz?

Christoph Maria Herbst Eher für seinen Opportunismus, denn natürlich denkt Stromberg nur an seine eigene Karriere. Und als ihm dieser Azubi, er heißt übrigens Malik, nicht mehr nützlich ist, lässt er ihn wie einen zu heißen Döner fallen.

Ist der Muslim der neuen Pole?

Christoph Maria Herbst Für Stromberg eher der neue Homosexuelle. Das sagt er auch an einer Stelle.

Und ich dachte, Stromberg würde sich für den Orient interessieren, weil ihn die Vielweiberei reizt...

Christoph Maria Herbst Ganz im Gegenteil, Stromberg sagt irgendwann in der ersten Folge, dass er gerade die Vielweiberei nicht am Islam verstanden habe, weil er schon mit einer Frau nicht zurechtkommt.

Ist Jennifer immer noch das Objekt seiner Begierde?

Christoph Maria Herbst Ja, aber wohl auch in Ermangelung anderer Frauen. Stromberg ist auf dem Zenit seiner eigenen Midlife-Crisis angekommen,

Gibt es Momente, wo er wehmütig an sein Exil in Finsberg zurückdenkt?

Christoph Maria Herbst Überhaupt nicht, er meidet das Thema, und wenn ihn jemand darauf ansprechen würde, würde er sich das gewiss in bekannter Manier schönreden, also dass das eine große Herausforderung gewesen sei, er viel näher an den Menschen dran gewesen sei usw. Darin, sich etwas vorzumachen, ist er ja nicht zu toppen.

Diesmal sieht er sich mit ganz anderen Aufgaben konfrontiert, und er fällt tatsächlich karrieretechnisch die Treppe rauf. Die spannende Frage ist, ob er sich mit den anderen Chefs auf der Ebene des höheren Managements versteht. Man wird feststellen: sehr gut. Und warum? Da laufen ganz viele weitere Strombergs herum: Nieten in Nadelstreifen.

Dann ist Stromberg also am Ort seiner Bestimmung angekommen?

Christoph Maria Herbst Das glaube ich nicht. Wir erzählen wieder eine abgeschlossene Geschichte, und es endet auch wieder alles anders, als man glauben könnte.

Eine Fortsetzung von "Stromberg" ist also möglich?

Christoph Maria Herbst Selbstverständlich. Die Staffel endet nicht mit seinem Selbstmord, und er wird auch nicht von dem muslimischen Azubi Malik mit einem Sprengstoffanschlag ins Jenseits befördert. Im Ernst: Sender, Darsteller und Produzent lassen offen, ob es weitergeht.

Ist die Figur Stromberg auserzählt, oder ist es eine Gestalt wie aus einem Shakespeare'schen Drama, so widersprüchlich und zerrissen, dass man ihr endlos folgen kann?

Christoph Maria Herbst Ich dachte schon nach der dritten Staffel, dass sie auserzählt ist. Aber dann kam dieser wunderbare Schachzug, ihn in die Diaspora zu versetzen, nämlich nach Finsdorf. Da gab es zunächst Bedenken, ob das funktionieren könne, mit diesem einem kleinen Raum, seinem neuen Büro, aber es hat Bombe geklappt.

Und jetzt höre ich auch schon die Unken, was wollt ihr dann nach seiner Rückkehr ins "Capitol"-Hauptquartier erzählen, aber es gibt unfassbar viel zu erzählen, wir haben immerhin 10 Folgen gedreht, und das zieht sich nicht wie ein Strudelteig, sondern in jeder Folge wird eine eigene, kleine, bittere Geschichte erzählt. Und ich bin fest davon überzeugt, dass man auch nach Staffel 5 das Potenzial von Stromberg noch nicht erschöpft ist. Ob das, was dann noch kommen könnte, allerdings bei der "Capitol" stattfindet, wäre allerdings eine offene Frage.

Stromberg könnte in einen griechischen Staatsbetrieb wechseln. Dort braucht man Könner wie ihn...

Christoph Maria Herbst Ja, das habe ich auch schon vorgeschlagen, aber das ging bei unserem Drehbuchautor Ralf Husmann zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Wie auch immer: Es gibt genug Material, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir im nächsten Jahr den Kinofilm "Stromberg" machen.

Ein erstaunlicher Erfolg, bedenkt man, dass es in der Vorstellung vieler Menschen nichts Langweiligeres gibt, als bei einer Versicherung zu arbeiten?

Christoph Maria Herbst Stimmt. Um mit Stromberg zu reden: Büroarbeit ist wie Jazz ohne Musik.

Sprechen Menschen Sie in der Öffentlichkeit eher als Stromberg oder als Herbst an?

Christoph Maria Herbst Das hält sich inzwischen die Waage. Anfangs kannte man nur mein Gesicht aus dem Fernsehen und drohte mir Prügel an, weil ich doch der fiese Chef aus dieser Dokumentation sei, der seine Angestellten immer so scheiße behandelt.

Da hatten viele noch nicht geblickt, dass "Stromberg" eine Comedy sein will. Dann war ich war zwei Staffeln für viele der Stromberg, und jetzt bin ich immer mehr der Herr Herbst und werde sogar angelächelt. Da gibt es wahrlich Schlimmeres als diese Entwicklung.

Wenn ich "Stromberg" sehe, bin ich im Widerstreit der Gefühle. Ich weiß oft nicht: Ist er ein Kindskopf oder ein Arschloch? Wie geht es Ihnen?

Christoph Maria Herbst Das kann ich gut verstehen. Stromberg ist ein Mensch wie du und ich. Es ist eben genau diese Mischung. Er ist ein tragikomischer Antiheld, also gar nicht fern von Shakespeares Figuren. Und viele Menschen erkennen sich in ihm wieder. Man kann über ihn lachen oder sich fremdschämen, aber er lässt einen nicht kalt, und das ist ja schon mal eine schöne Sache. Es gibt aber auch Leute, sogar Menschen in meinem Bekanntenkreis, die sagen: Christoph, es tut mir Leid, das kann ich mir nicht angucken, diesen Scheiß erlebe ich jeden Tag im Büro. Habe ich größtes Verständnis für, aber ich freue mich natürlich, dass es noch genügend andere gibt, die sich das gern anschauen.

Was machen Sie demnächst? Schreiben Sie ein neues Buch?

Christoph Maria Herbst Nein. Das eine reicht mir. Ich werde mit dem einen Buch erst einmal im November auf Lesetour gehen: 32 Städte in 32 Tagen. Ansonsten stecke ich gerade in Dreharbeiten zu dem Film "Das Haus der Krokodile". Das Kinderbuch wurde schon mal mit Tommy Ohrner verfilmt und lief 1976 als Sechsteiler in der ARD. Gudrun Ritter, die alte Dame aus "Boxhagener Platz", spielt meine Mutter, was für mich schon ausreichte, um zuzusagen, weil sie eine sensationelle Schauspielerin ist. Das Buch gefiel mir auch, und Regie führen Cyrill Boss und Philipp Stennert, die ich schon vom "Neues vom Wixxer" her kannte. Gerade abgedreht habe ich mit Annette Frier "Und weg bist du", eine bittere Sat.1-Komödie über eine Frau, die Krebs im Endstadium hat und die dann vom Tod geholt wird. Und diesen Tod spiele ich. Womit keiner rechnet: Der Tod verliebt sich in die Frau. Die kleine Tochter von Til Schweiger ist als Annettes Filmtochter ebenfalls dabei.

Stromberg
DI 8.11. Pro Sieben 22.15


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