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Brutal und kumpelhaft: Armin Rohde in einem ARD-Krimi

Der will nicht nur spielen

Armin Rohde macht ernst, wenn's sein muss: So wie als Geiselgangster in dem toughen Krimi "Alleingang" (MI, 25.1.)

Heimspiel für Armin Rohde: Im Hamburger Hotel "Interconti" ist er Stammgast. Der Arbeitersohn aus dem Ruhrpott - seit seiner Heirat ein echter Baron von Schilling - hat für jeden ein freundliches Wort. Kaum zu glauben, dass dieser Kumpeltyp einen Gangster spielen kann, wie man ihn im deutschen Fernsehen noch nicht gesehen hat: King ist brutal, aber auch auf eine verquere Weise zart, er genießt das Leben und ist doch bereit, es wie eine leere Flasche wegzuwerfen.

Sie spielen in "Alleingang" einen ehemaligen Kiez-König, der aus dem Knast ausbricht, um mit dem Kommissar abzurechnen, der ihn ins Gefängnis brachte. Was ist das für ein Mensch?

ARMIN ROHDE Das ist ein Typ, mit dem nicht zu spaßen ist. Das wird gleich am Anfang deutlich, als er jemanden erschießt. Aber er hat einen ganz eigenwilligen Charme und versteht sich darauf, Leute zu manipulieren. Ich kenne solche Kiezgrößen. Die hätten es mit reiner Brutalität nie nach oben geschafft.

Mich hat er an ein großes Kind erinnert, das sofort zu schreien anfängt, wenn man seine Wünsche nicht erfüllt...

ARMIN ROHDE Der "King", wie er sich nennt, will, dass alles genau so abläuft, wie er es sich wünscht. Wenn das nicht klappt, wird er ungemütlich.

Er wurde in der Schule gehänselt. Haben Sie ähnlich ungute Erinnerungen an Ihre Schulzeit?

ARMIN ROHDE Ich war als einziges Arbeiterkind auf einem Gymnasium, und einer der Lehrer liebte es, den Inhalt meinen Ranzens vor versammelter Klasse auszuleeren. Da wollte man doch mal sehen, was ein Arbeiterkind so mit sich führt. Natürlich war da alles Mögliche drin, von versauten Zeichnugen bis zu toten Fröschen, das nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.

Sie können als King so richtig die Sau rauslassen. Eine Traumrolle?

ARMIN ROHDE Fast jeder Schauspieler lässt gerne mal die Sau raus im Spiel.

Auf das Cover von "Fit for Fun" schafft es der Zuhälter wohl nicht...

ARMIN ROHDE Eher nicht. Aber er nimmt sich die Freiheit, das zu machen, was er will, unbekümmert um die Folgen. Und das ist schon faszinierend in einer Gesellschaft, in der die Menschen aus lauter Angst vor den Gefahren des Lebens vergessen, das Leben zu genießen. Das ist so, als wenn man drei Lebensversicherungen abschließt und denkt, man würde deshalb dreimal so lange leben.

In Sönke Wortmanns "St. Pauli Nacht" marschieren Sie nackt über den Kiez, bei "Wetten, dass..?" sind Sie nur mit einer Schürze bekleidet über die Bühne geflitzt, diesmal vögeln Sie als King schwer atmend eine junge Frau: Müssen Sie dafür eine Hemmschwelle überwinden?

ARMIN ROHDE Nein, das hat auch nichts mit meiner Schauspielausbildung zu tun. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der man sich nicht so leicht genierte. Für "St. Pauli Nacht" bin ich drei Nächte lang nackt in Hamburg durch die Straßen gelaufen, um mich herum Hunderte von Zuschauern. Das ist normalerweise eine klassische Alptraumsituation, aus der man schweißgebadet aufwacht. Aber in meinem Fall hat nicht einer der vielen Zaungäste eine dumme Bemerkung gemacht. Hätte ich dagegen Anzeichen von Scham gezeigt, wäre bestimmt ein blöder Spruch die Folge gewesen.

"Alleingang" ist vor allem ein Film über den von Ihnen gespielten Kiezkönig. Über die Opfer wie die abservierte Freundin oder den völlig verängstigten Lokführer erfährt man nur wenig. Ist das Böse verlockender?

ARMIN ROHDE Mit Sicherheit, obwohl man bei uns ja auch sieht, wie übel den Opfern mitgespielt wird und was sie auszuhalten haben. Einige der vom King gedemütigten Personen verschwinden tatsächlich irgendwann, und man kann nur spekulieren, was aus ihnen wird. Es gibt bestimmt mehr Filme, die den Täter in den Mittelpunkt rücken, aber ich denke, man kann auch interessante Geschichten aus der Sicht des Opfers erzählen.

Der von Alexander Held gespielte Kommissar ist alles andere als ein strahlender Held: Seine Frau ist ihm weggelaufen, und eigentlich möchte er nur seine Ruhe haben. Trotzdem neidet ihm der King seine Existenz. Warum?

ARMIN ROHDE Der Kommissar hat den King zur Strecke gebracht, obwohl der Polizist zu Anfang in der schwächeren Position zu sein scheint. Das lässt dem Kiezkönig keine Ruhe. Er will wissen, woraus der Kommissar seine Kraft schöpft. Er möchte in sein Inneres eindringen, ihm sein Geheimnis entreißen. Das hat schon etwas Erotisches, denn in der Liebe geht es ja auch darum, das zu verstehen, was den Kern eines Menschen ausmacht, seine unverwechselbare Identität, denn genau deshalb lieben wir ja einen Menschen, für das, was ihn im Innersten ausmacht.

Der King fordert den Kommissar zu einem bizarren Wettkampf heraus. Ist der Gangster übergeschnappt?

ARMIN ROHDE Nein, in seiner Weltsicht ist das nur folgerichtig. Er ist es gewohnt, dass der körperliche Einsatz über Sieg oder Niederlage entscheidet. Der King sieht die Welt in physischen Kategorien.

Und Sie selbst?

ARMIN ROHDE Ich mache mir keine großen Gedanken über die Psychologie der Figur. Der Charakter entsteht erst im Blick des Betrachters, der die Situationen, in denen er den King agieren sieht, zu einem Bild zusammenfügt. Das war schon bei Shakespeare so: Man sieht "actors" auf der Bühne, handelnde Figuren, keine Personen, die schon beim Handeln ihr Handeln psychologisch reflektieren.

Sie waren vor kurzem auch ein "actor", nämlich in Steven Soderberghs Thriller "Contagion". Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?

ARMIN ROHDE
Es gab ein weltweites Casting, und ich sollte ein Video-Interview mit mir aufnehmen und es in die USA mailen. Ich habe während der Zeit gerade eine neue Folge von "Nachtschicht" in Hamburg gedreht und dachte mir, ich kann ja jetzt schlecht den armen Kameramann bitten, mich zu filmen, der hat ja eine anstrengende Nacht hinter sich. Also habe ich das bewusst amateurhaft mit meinem neuen iBook selbst gemacht und eigentlich nicht gedacht, dass ich den Job bekomme.

Zumal Sie ja auch keinen Deutschen spielen...

ARMIN ROHDE Ich dachte bis zuletzt, Soderbergh lässt die Szene umschreiben und eine mongolische Wissenschaftlerin auftreten statt der Figur, die ich spielen wollte.

Und dann wurden Sie doch genommen und durften mit Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard drehen....

ARMIN ROHDE Ich musste mich natürlich stärker auf meinen Text konzentrieren, weil auf Englisch gedreht wurde, aber ansonsten kocht Hollywood auch nur mit Wasser.

Wie geht es weiter?

ARMIN ROHDE
Ich freue mich schon auf einen neuen Dreh mit Hartmut Schoen, dem Regisseur von"Alleingang". Wir wollen unbedingt wieder etwas gemeinsam machen. Und ich werde auch wieder mit Ludger Pistor vor der Kamera stehen für eine Fortführung von "Ein Schnitzel für drei".

Rainer Unruh

Alleingang
MI, 25.1., ARD, 20.15