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Biathlon-WM in Oslo

Der Hai vom Holmenkollen

Sven Fischer
Karriere nach der Karriere: Schon seit 2007 analysiert der frühere Ausnahmebiathlet Sven Fischer die Rennen der Skijäger fürs ZDF ZDF

Olympiasieger Sven Fischer über die Favoriten der Biathlon-WM in Norwegen (3. bis 13. März) und den Abschied von einer lebenden Legende

Mit seinen Ana­lysen trifft der frühere Biathlet Sven Fischer (44) meistens ins Schwarze. Ab dem 9. März nimmt der viermalige Olympiasieger seine sportlichen Erben bei ZDF-Übertragungen von der WM am Holmenkollen in Oslo kritisch unter die Lupe.

TV SPIELFILM: Sie kommen gerade vom Weltcup in Canmore zurück - wie haben Ihnen die Auftritte der DSV-Biathleten in Kanada gefallen?
SVEN FISCHER: Ich denke, dass sich die Mannschaft insgesamt in einem guten Zustand befindet. Simon Schempp und Benedikt Doll standen auf dem Podium. Die Mixed-Staffel holte einen Weltcupsieg.

TV SPIELFILM: Bestätigen die Ergebnisse die Entscheidung des Deutschen Skiverbands, ihren Stars die Reise- und Wettkampfstrapazen kurz vor der WM in Oslo zuzumuten? Einige Topathleten des WM-Gastgebers Norwegen haben zeitgleich lieber in Europa trainiert...
SVEN FISCHER: Das ist individuell zu betrachten. Nehmen wir Simon Schempp, der ja krank war. Für ihn ist Wettkampfpraxis auf jeden Fall gut. Auch für Franziska Preuß nach ihrem Haarriss im Steißbein. Die hat gesagt: "Ich muss wieder Wettkämpfe haben, um den Weltcup-Schwung aufzunehmen." Andererseits war es auch richtig, dass eine Franziska Hildebrand und eine Laura Dahlmeier von Canmore zurück nach Deutschland geflogen sind. Die beiden lassen den letzten Weltcup vor der WM (in Presque Isle, USA) aus und bereiten sich hier vor. Die Verantwortlichen haben da flexibel reagiert, unter verschiedenen Aspekten: Alter, Trainingsrückstand, Gesundheit.

TV SPIELFILM: Lassen die letzten Weltcup-Auftritte Rückschlüsse auf den Verlauf der WM in Oslo zu?
SVEN FISCHER: Da muss man vorsichtig sein. Weltcup ist Weltcup, und WM ist WM. Klar ist, dass der "Welpenschutz", den ich mal für unsere damals noch sehr jungen Damen gefordert habe, vorbei ist. Sie konnten ihren Erfolg über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren bestätigen. Da entsteht unweigerlich Erwartungsdruck. Und der ist für die jungen Frauen neu, sie müssen lernen, damit souverän umzugehen.

TV SPIELFILM: Designierter Superstar der WM ist der Franzo­se Martin Fourcade. Wie beurteilen Sie seine sportliche Entwicklung?
SVEN FISCHER: Unglaublich stark, was dieser Mann schafft! Martin Fourcade kann sich nur selbst schlagen. Andere können nicht gewinnen, wenn sie ein paar Prozent ihres Potenzials nicht ab­rufen - Fourcade schon. Die Konkurrenz schwankt zwischen Respekt und Neid. Aber ich erinnere auch gern an die WM 2013 in ­Nove Mesto, wo er auch als hoher Favorit ins Rennen gegangen ist, und Emil Hegle Svendsen ihm komplett die Show gestohlen hat. Er muss das bei der WM also alles auf den Punkt umsetzen. Er darf nicht krank werden, und er darf sich auch nicht erlauben, dass das Material nicht stimmt.

TV SPIELFILM: Und wie steht es um die WM-Aussichten unserer Athleten?
SVEN FISCHER: Die Deutschen sind eigentlich­ in allen Wettbewerben unter den Medaillenkandidaten - als Titelverteidiger in den Staffeln gehören sie sogar zu den Gejagten.

TV SPIELFILM: Die Weltmeisterschaft soll auch die große Abschiedsshow von Ole Einar Björndalen werden, der mit 42 seine große Karriere beendet. Sie beide kennen und schätzen einander - wie tickt Ihr langjähriger Rivale wirklich?
SVEN FISCHER: Bis heute ist alles bei ihm dem Sport unter­geordnet. Biathlon ist sein Leben. Als Freund oder als ehemaliger Weggefährte sagt man da schnell: Mensch, du hast doch schon alles erreicht! Er würde wohl antworten, dass das Schnee von gestern ist. Für ihn zählt nur der nächste große Erfolg. Ich habe ja auch etliche Siege feiern dürfen, aber während ich über die Jahre etwas satter geworden bin, ruhiger, auch gelassener, ist er siegeshungrig geblieben wie beim ersten Mal. Ole hat sich selbst mal mit einem Hai verglichen. Klar, haben ­alle gesagt, der beißt auch alle weg. Aber er hat den Vergleich aus einem ganz anderen Grund gezogen. Angler wissen es: Ein Hai muss ständig in Bewegung bleiben, sonst stirbt er aus Sauerstoffmangel. Und genau so geht es ihm auch.