Goethe ist 23, er redet viel und trinkt nicht wenig." So respektlos beginnt Philipp Stölzls schwungvolles Sturm-und-Drang-Liebesdrama "Goethe!", das die jungen, wilden Jahre des Dichters zeigt, seine Liebe zu Lotte Buff, die er an einen Nebenbuhler (gespielt von Moritz Bleibtreu) verliert. Der Film schildert Ereignisse, die Goethe schließlich zu "Die Leiden des jungen Werther" inspirieren, seinem ersten Bestseller. Wir sprachen mit Regisseur Stölzl, Goethe-Darsteller Alexander Fehling und Miriam Stein, als Lotte die Entdeckung des Films, über die Bedeutung unseres Nationaldichters in heutiger Zeit.

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Goethe, bevor er wurde, was er ist: Alexander Fehling als junger Dichter

Wie hip ist Goethe heute?

ALEXANDER FEHLING Ich glaube, Goethe ist überhaupt nicht hip, und das ist auch das Tolle an ihm, das Große, er steht über jedem Zeitgeist.

PHILIPP STÖLZL Das kann ich absolut unterschreiben. Ich hatte einen guten Deutschlehrer, so einen Hippiedeutschlehrer...

MIRIAM STEIN Einen hippen Deutschlehrer? (lacht)

STÖLZL Nein, Hippie. Der war totaler Goethe-Fan und hat uns diesen Geheimrat, Straßenbauminister, Universalgelehrten, Farbencrack und Dichter auf tolle Art nahegebracht. Der "Faust" zum Beispiel ist ein vibrierendes Stück Literatur, eine tolle Männergeschichte, auch eine tolle Weltgeschichte. Ich glaub, das kriegt einen immer, egal in welchem Alter.

FEHLING Den "Faust" hab ich in der Schule auch gelesen. Ich war aber sehr faul, das stand dem Interesse wohl etwas im Wege.

STEIN Ich habe "Faust" und "Werther" in der Schule gelesen, fand beides gut und auch aktuell. Dass man unglücklich verliebt ist und das für die größte Tragödie der Weltgeschichte hält, das kennt ja jeder, der mal fünfzehn war.

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Überzeugt von der Kraft des Nationaldichters: Regisseur Philipp Stölzl

Wen soll der Film denn hauptsächlich ansprechen?

STÖLZL Das kann tatsächlich ein Film für die ganze Familie sein, denn es gibt ein älteres Bildungs-bürgertum genauso wie ein junges Publikum, das sich freut, einen frischen Goethe gezeigt zu bekommen - und dafür auch über die Schwelle "Kostümfilm" springt, denn dieser Stempel schreckt ein junges Publikum meist ab.

Woran liegt das?

STÖLZL Männer in dieser Art Hosen mit diesen Perücken über den Ohren, diesen Zöpfen - das hat ganz schnell was Affiges. Und auch das Blau-Gelb des Kostüms kann schnell nach Funkenmariechen aussehen... Es gibt Epochen, die sind schwer mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und Authentizität darzustellen, weil es nach heu-tigen Maßstä-ben total übertrieben wirkt, sich so anzuziehen und überhaupt zum Beispiel eine Perücke zu tragen.

Aber Sie hatten von Anfang an vor, Goethe historisch korrekt zu zeigen, wenn auch mit künstlerischen Freiheiten?

STÖLZL Ja. Man muss eine glaubhafte Welt schaffen, wie das Filme wie "Amadeus" und "Shake-speare in Love" auch getan haben, die ja Vorbilder sind in gewisser Weise.

Also doch "Goethe in Love".

STÖLZL (grinst) Es gab auch mal "Goethe im Stress" als Arbeitstitel, so aus Spaß.

Oder Goethe in 3-D.

FEHLING Nein, Goethe mit drei d: Goeddde. (Gelächter)

STÖLZL Es gibt viele fiktionale Elemente in diesem Film. Goethe kann man ja bis ins kleinste Detail recherchieren, es gibt wenige Leute, über die so viel Literatur existiert. Aber dies ist kein Film für Literaturexperten - im Gegenteil: Er soll Türen aufsperren für die, die sonst nichts damit zu tun haben.

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Frauenpower anno 1771: Miriam Stein als Lotte Buff in "Goethe!"

Aber kann man nicht Ärger erwarten, wenn das Nationalheiligtum sich beim Sex nackt im Schlamm wälzt?

FEHLING Das hat mich auch schon jemand ganz ungläubig gefragt: Jetzt sieht man Goethe beim Sex? Stimmt.

STEIN Es ist eben nicht das klassische Goethe-Bild. Aber er war auch einmal jung, der hatte auch Sex. Klar, warum auch nicht?

FEHLING Wobei er mit 23 wohl noch keinen Sex hatte...

STEIN Ja, erst mit 30, aber dieses Erlebnis haben wir ihm mit dem Film halt geschenkt.

Und wie waren die anderen Erlebnisse: das Reiten, das Duellieren im Wald?

FEHLING Na ja, die Kunst des Duells musste ich nicht beherrschen. Aber ich bin am ersten Drehtag mit einem debilen Dauergrinsen rumgelaufen: effektive acht Stunden auf dem Pferd - das war mein absoluter Kinder-Indianertraum!

Volker Bleeck

ALEXANDER FEHLING (29) hatte seinen Durchbruch 2007 mit dem Zividrama "Am Ende kommen Touristen", später spielte er in "Buddenbrooks", "13 Semester" sowie in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds"

MIRIAM STEIN (22) bekam 2001 den Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises für ihre Rolle im TV-Film "Das Mädchen aus der Fremde". Auf dem Bildschirm ist die Tochter von TV-Moderator Dieter Moor bald in der Verfilmung von Sven Regeners Roman "Neue Vahr Süd" zu sehen.

Regisseur PHILIPP STÖLZL (43) drehte "Nordwand" fürs Kino, Musikvideos für Rammstein und Werbeclips für Sony und Nokia. Er inszeniert regelmäßig Opern, zuletzt das umstrittene Wagner-Werk "Rienzi", Adolf Hitlers Lieblingsoper