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"Wir wurden eine Art Ersatzfamilie"

Naomi Watts im Interview

The Impossible
Als der Tsunami kam: "The Impossible" Concorde Film
TV SPIELFILM Was reizte Sie an diesem Projekt?

NAOMI WATTS
Diese Katastrophe nahm mich damals sehr mit und ich war bei George Clooneys "Telethon" dabei, um Geld für die Opfer zu sammeln. Am Drehbuch gefiel mir, dass dieser furchtbare Tag aus der Perspektive einer Familie erzählt wird und wie ihr Schicksal sich mit dem von anderen Menschen verknüpft. Marias Sohn zum Beispiel sucht im Krankenhaus nach ihr, kann sie aber nicht finden - stattdessen hilft er dabei, mehrere Familien wiederzuvereinen.

Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?

NAOMI WATTS
Ich habe mich viel und lange mit Maria unterhalten. Manche Menschen, die so etwas durchmachen, wollen nicht darüber sprechen. Aber Maria gehörte nicht zu dieser Kategorie. Sie sprach sich ihre Angst von der Seele, es war fast wie Therapie für sie. Sie litt wie so viele andere an großen Schuldgefühlen: wieso überlebte sie und so viele andere mussten sterben? Sie wollte Thailand damals nicht verlassen. Sie weinte bei unseren Gesprächen viel, aber ich glaube, es war auch unglaublich kathartisch für sie.

Sie trafen die ganze Familie Belon. Merkt man ihnen an, dass sie eine Tragödie durchgemacht haben?

NAOMI WATTS
Während des Drehs schienen sich die fünf unglaublich nahe zu stehen. Aber Maria erzählte mir auch, dass sie sich am Anfang erst wieder als Familie zusammenfinden mussten und schwere Zeiten durchlebten. Am schlimmsten war für sie die Reaktion anderer Menschen, die die Katastrophe nicht miterlebt hatten und versuchten, sie mit Plattitüden aufzumuntern.
Der Film wurde von einem spanischen Team produziert. Was ist der Unterschied zu Hollywood?

NAOMI WATTS
Die Emotionen! Spanier sind wahnsinning emotional und das ganze Team brach ständig in Tränen aus. Selbst bei der zigsten Filmvorführung weinten sie. Ich bin da eher etwas zurückhaltender, aber Juan drängte und drängte, bis auch wir Briten uns emotional die Blöße gaben. Ich war besonders hingerissen von Tom Holland, der meinen Sohn spielt - es ist Wahnsinn, dass ein Vierzehnjähriger solche Emotionen auf die Leinwand bringen kann. Er ist einfach brilliant und ich sage ihm eine große Karriere vorher. Seine ganze Familie war während des Drehs dabei.

Wie steht's mit Ihnen, hatten Sie Ihre Familie dabei?

NAOMI WATTS
Ja, es war wunderbar. Es gab so viele Kinder dort, dass wir eine Art Kindergarten aufmachten und meine beiden Jungs (3 und 5) fanden es total toll. Es ist auch emotional gut, Kinder am Set zu haben. Sie helfen mir, Abstand vom Job zu gewinnen. Früher war ich total in ein Filmprojekt involviert und dachte 24 Stunden am Tag an nichts anderes. Ich musste erst lernen, die Arbeit vor der Haustür zu lassen, besonders bei einem solch emotional aufreibenden Projekt. Ob das meiner Schauspielerei zutraeglich ist, weiss ich nicht. Aber so ist es jetzt nun mal und ich kann es sowieso nicht ändern. Wie andere berufstätige Mütter muss ich Kompromisse eingehen und oft Projekte absagen, die zu lange dauern. Als Schauspieler habe ich aber zumindestens eine gewisse Flexibilität - ich habe oft monatelang frei und verbringe sicher mehr Zeit mit meinen Jungs als Frauen, die nach einer 8-Stunden-Schicht geschafft nach Hause kommen.

Wie reagierten Ihre Söhne auf Ihre schlimmen Wunden? Begreifen sie in solch jungem Alter, dass das nur Makeup ist?

NAOMI WATTS
Ich unterhielt mich lange mit ihnen und erklärte ihnen, warum Mummy heute mittag so komisch aussieht. Manchmal halfen sie mir beim Makeup und schmierten mich mit Schlamm ein, das gefiel ihnen natürlich ausgezeichnet. Aber an manchen Tagen waren sie nicht am Set erlaubt, weil es einfach zu furchtbar aussah.
Sie haben ein Ferienhaus auf den Hamptons. Können Sie jetzt noch ganz ruhig am Strand liegen?

NAOMI WATTS
Freunde von mir in Kalifornien wollten tatsächlich ihr Strandhaus verkaufen, nachdem sie den Film sahen. Aber ich liebe das Meer, ich muss ihm einfach nahe sein. Ich verbrachte viele Jahre in Australien und der Strand ist meine zweite Heimat. Es ist so beruhigend und entspannt dort. Ich fahre mit den Kindern oft am Strand Rad oder mache abends einen Spaziergang. Nur Sonnenbaden mache ich nicht, das ist mir zu langweilig.

Sie spielen als nächstes Lady Diana für den deutschen Regisseur Oliver Hirschbiegel...

NAOMI WATTS
Ja, das war eine wirklich schwierige Entscheidung. Nachdem ich zugesagt hatte, sagte ich gleich wieder ab. Dann änderte ich meine Meinung nochmal. Ich habe noch immer richtig Angst. Diana war so beliebt und Millionen von Menschen verfolgten jede Facette ihres Lebens. Aber wenn man nicht Angst vor etwas hat, ist es vielleicht auch nicht viel wert. Es wird 90.000 Meinungen über den Film geben. Ich hatte viele lange Gespräche mit Oliver Hirschbiegel und er kennt sich wirklich gut aus. Und sein 2. Weltkriegsdrama "Der Untergang" ist einer der besten Filme, die ich je gesehen habe. Deswegen hörte ich auf mein Bauchgefühl und sagte schließlich Ja.

Interview: Tina Werkmann