TV SPIELFILM: Wie spielt man jemanden, der seit 100 Jahren tot ist?
STEPHEN MOYER: Du suchst dir einfach irgend einen 175-Jährigen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, und den fragst du dann aus. Sollte das nicht klappen, dann machst du, was jeder andere auch tut: du recherchierst. Dank Internet kannst du dir heutzutage Tonaufnahmen von Leuten aus Louisiana aus dem Jahr 1920 anhören. Ausserdem kannte sich mein Stimmcoach hervorragend aus mit solchen Sprachfeinheiten. Mich hat immer fasziniert, dass Bill ein reichlich gequälter Charakter ist. Er verliert Frau und Kinder. Er wird nur sehr widerstrebend zum Vampir. Als er zum erstenmal auftritt, trifft er dann obendrein dieses Mädchen, das er beeindrucken will. Ein derart komplexer Charakter bietet dir eine Menge Stoff, mit der du als Schauspieler arbeiten kannst. "True Blood" ist eben ein Drehbuch von Alan Ball, dem Macher von "Six Feet Under" - und nicht Micky Maus.
Hatten Sie keine Angst, "True Blood" würde sich als das übliche seichte Vampir-Spektakel entpuppen?
STEPHEN MOYER: Als meine Managerin mich anrief und mir von diesem aufregenden neuen Drehbuch erzählte, in dem es um Vampire ging, da dachte ich zuerst, ich hätte mich verhört. Vampire? Kein Interesse. Dann sagte sie: Es ist von Alan Ball. Ich wollte damals eigentlich nicht nach Amerika zurück, ich hatte dort gerade eine Serie abgedreht. Aber es war Alan Ball... So wie es bei "Star Trek" nicht um Raumschiffe geht, dreht sich natürlich auch "True Blood" nicht wirklich um Vampire oder Werwölfe. Sondern darum, wie Leute miteinander umgehen, wie sie reagieren, wenn unerwartete Hindernisse Ihnen den Weg verstellen. Das macht gutes Drama aus.
STEPHEN MOYER: Du suchst dir einfach irgend einen 175-Jährigen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, und den fragst du dann aus. Sollte das nicht klappen, dann machst du, was jeder andere auch tut: du recherchierst. Dank Internet kannst du dir heutzutage Tonaufnahmen von Leuten aus Louisiana aus dem Jahr 1920 anhören. Ausserdem kannte sich mein Stimmcoach hervorragend aus mit solchen Sprachfeinheiten. Mich hat immer fasziniert, dass Bill ein reichlich gequälter Charakter ist. Er verliert Frau und Kinder. Er wird nur sehr widerstrebend zum Vampir. Als er zum erstenmal auftritt, trifft er dann obendrein dieses Mädchen, das er beeindrucken will. Ein derart komplexer Charakter bietet dir eine Menge Stoff, mit der du als Schauspieler arbeiten kannst. "True Blood" ist eben ein Drehbuch von Alan Ball, dem Macher von "Six Feet Under" - und nicht Micky Maus.
Hatten Sie keine Angst, "True Blood" würde sich als das übliche seichte Vampir-Spektakel entpuppen?
STEPHEN MOYER: Als meine Managerin mich anrief und mir von diesem aufregenden neuen Drehbuch erzählte, in dem es um Vampire ging, da dachte ich zuerst, ich hätte mich verhört. Vampire? Kein Interesse. Dann sagte sie: Es ist von Alan Ball. Ich wollte damals eigentlich nicht nach Amerika zurück, ich hatte dort gerade eine Serie abgedreht. Aber es war Alan Ball... So wie es bei "Star Trek" nicht um Raumschiffe geht, dreht sich natürlich auch "True Blood" nicht wirklich um Vampire oder Werwölfe. Sondern darum, wie Leute miteinander umgehen, wie sie reagieren, wenn unerwartete Hindernisse Ihnen den Weg verstellen. Das macht gutes Drama aus.
"True Blood" wurde immer wieder auch für seine schauspielerische Qualität gerühmt...
STEPHEN MOYER: Wir sind am Set wirklich verwöhnt, praktisch jeder von uns hat schon Theater gespielt - Chris Bauer, Carrie Preston, Todd Lowe. Viele von uns wurden gecastet, weil Alan sie in New York auf der Bühne gesehen hatte. Das merkt man bei der Arbeit. Alan wirft dir etwa eine Anweisung zu wie: Lass uns die Szene so spielen, als ob du gerade einen Riesenstreit mit deiner Liebsten hattest - bring deine ganze Angst und Wut mit in den Raum. Und dann sagt er: Jetzt spiel die Szene so, als wenn Alex (Alexander Skarsgard in der Rolle von Vampir Eric) deine Mutter wär und du wirklich sauer auf sie bist. Wenn du nie am Theater warst, dann stehst du in solchen Situationen da wie der Ochs vorm Berg. Wir sind wie ein altmodisches Repertoiretheater-Ensemble. Alle haben dieses Glitzern in den Augen: ‘Wie kann ich mein Gegenüber am besten aus der Fassung bringen?'
Anna Paquin ist nicht nur im Film ihre Liebste - sie ist auch im wirklichen Leben mit Ihnen verlobt. Erschwert das die Zusammenarbeit, oder macht es sie leichter?
STEPHEN MOYER: Als ich Anna zum erstenmal traf, saßen wir nebeneinander in New York auf einem Sofa zusammen mit Allan Ball, und wir warfen uns gegenseitig diese Bälle zu: Wie wär's, wenn wir diese Szene so spielen, wenn wir dieses ausprobierten oder jenes? Sie hatte gerade lange Zeit am Broadway gespielt. Und ich dachte: Mein Gott, wenn ich diesen Job bekomme, dann habe ich hier jemanden, dem ich solche Ideen zufeuern kann, einen echten Sparringpartner. Es schadet natürlich nicht, wenn du die betreffende Person auch noch attraktiv findest. Und das wuchs einfach immer weiter. Am Ende arbeiteten wir 18 Stunden am Tag zusammen, und ich wollte trotzdem immer noch mehr mit ihr zusammen sein. Das ist ein ziemlich gutes Zeichen, denke ich.
STEPHEN MOYER: Wir sind am Set wirklich verwöhnt, praktisch jeder von uns hat schon Theater gespielt - Chris Bauer, Carrie Preston, Todd Lowe. Viele von uns wurden gecastet, weil Alan sie in New York auf der Bühne gesehen hatte. Das merkt man bei der Arbeit. Alan wirft dir etwa eine Anweisung zu wie: Lass uns die Szene so spielen, als ob du gerade einen Riesenstreit mit deiner Liebsten hattest - bring deine ganze Angst und Wut mit in den Raum. Und dann sagt er: Jetzt spiel die Szene so, als wenn Alex (Alexander Skarsgard in der Rolle von Vampir Eric) deine Mutter wär und du wirklich sauer auf sie bist. Wenn du nie am Theater warst, dann stehst du in solchen Situationen da wie der Ochs vorm Berg. Wir sind wie ein altmodisches Repertoiretheater-Ensemble. Alle haben dieses Glitzern in den Augen: ‘Wie kann ich mein Gegenüber am besten aus der Fassung bringen?'
Anna Paquin ist nicht nur im Film ihre Liebste - sie ist auch im wirklichen Leben mit Ihnen verlobt. Erschwert das die Zusammenarbeit, oder macht es sie leichter?
STEPHEN MOYER: Als ich Anna zum erstenmal traf, saßen wir nebeneinander in New York auf einem Sofa zusammen mit Allan Ball, und wir warfen uns gegenseitig diese Bälle zu: Wie wär's, wenn wir diese Szene so spielen, wenn wir dieses ausprobierten oder jenes? Sie hatte gerade lange Zeit am Broadway gespielt. Und ich dachte: Mein Gott, wenn ich diesen Job bekomme, dann habe ich hier jemanden, dem ich solche Ideen zufeuern kann, einen echten Sparringpartner. Es schadet natürlich nicht, wenn du die betreffende Person auch noch attraktiv findest. Und das wuchs einfach immer weiter. Am Ende arbeiteten wir 18 Stunden am Tag zusammen, und ich wollte trotzdem immer noch mehr mit ihr zusammen sein. Das ist ein ziemlich gutes Zeichen, denke ich.
TV-Serien wie "True Blood" haben ein Goldenes Zeitalter des US-Fernsehens eingeläutet. Warum sind sie so viel besser als TV-Dramen im Rest der Welt?
STEPHEN MOYER: Vor 20 Jahren kamen die besten Fernsehdramen aus England. Ein Drehbuchschreiber, der in London eine großartige Idee hatte, schrieb zunächst sechs Folgen, die dann produziert wurden. In Amerika ist das anders: Alan Ball hat eine Handlungsidee und heuert fünf großartige Schreiber an. Jeder verfasst eine Episode. Anschliessend setzen sie sich zusammen und zerpflücken einander die Episoden. Dann schreibt jeder seine Folge um. Sechs Köpfe sind einfach besser als einer. Erst wenn Fernsehdrama auch im Rest der Welt so produziert wird, können wir Nicht-Amerikaner da mithalten. Du kannst die besten Schauspieler der Welt haben - wenn sie mit einem schlechten Skript arbeiten müssen, kommt am Ende auch ein schlechtes Ergebnis dabei heraus.
STEPHEN MOYER: Vor 20 Jahren kamen die besten Fernsehdramen aus England. Ein Drehbuchschreiber, der in London eine großartige Idee hatte, schrieb zunächst sechs Folgen, die dann produziert wurden. In Amerika ist das anders: Alan Ball hat eine Handlungsidee und heuert fünf großartige Schreiber an. Jeder verfasst eine Episode. Anschliessend setzen sie sich zusammen und zerpflücken einander die Episoden. Dann schreibt jeder seine Folge um. Sechs Köpfe sind einfach besser als einer. Erst wenn Fernsehdrama auch im Rest der Welt so produziert wird, können wir Nicht-Amerikaner da mithalten. Du kannst die besten Schauspieler der Welt haben - wenn sie mit einem schlechten Skript arbeiten müssen, kommt am Ende auch ein schlechtes Ergebnis dabei heraus.
Ist US-Fernsehen heute schlicht interessanter als Hollywood-Kino?
STEPHEN MOYER: Gute Frage. Leute wie Alan Ball produzieren eben keine 08/15-Cop-Dramen, wo jede Episode demselben Schema folgt. Bei "Mad Men", "Breaking Bad" oder "Dexter" ist der Ablauf jedesmal neu, die Charaktere entwickeln sich immer weiter. Auch Alan macht ständig diese Experimente: Alle wissen, dass Vampir Eric ein böser, unmoralischer Mann ist. Wie reagiert er wohl, wenn wir ihm etwas nehmen, was ihm sehr am Herzen liegt? Das macht die Arbeit für dich als Schauspieler einfach sehr spannend. Immer fragst du dich: "Womit konfrontiert er mich als nächstes?" Beim Kinofilm ist das anders. Du bist zwei Monate am Set, vertiefst dich in deine Rolle, drehst den Film ab - und fertig. Das ist eine großartige Arbeit, aber es fehlt die stetige Weiterentwicklung, die immer wieder neue Ansätze ermöglicht. Und der Qualitätsanspruch ist im US-Fernsehen derzeit sehr hoch. Da werden all diese großartigen Serien produziert, und alle versuchen, einander zu übertrumpfen. Davon profitiert der Zuschauer.
Auch die Handlung von "True Blood" ist ja recht komplex...
STEPHEN MOYER: Ja, Sookie Stackhouse ist zwar Hauptfigur, doch Alan hat noch ein paar weitere Charaktere zu Hauptrollen ausgebaut. Als Zuschauer folgst du dem Leben einer ganzen Handvoll Menschen. Die zweite "True Blood"-Staffel verwebt nicht selten gleich vier oder fünf zeitgleiche Handlungsstränge, die an verschiedenen Orten Amerikas spielen. Wenn Vampir Bill dir auf die Nerven geht, dann gibt es genug andere Nebenschauplätze. Wenn's an einem Ort gerade sehr düster wird, geschieht am nächsten etwas besonders Witziges. "True Blood" ist düster, witzig, abgedreht, sozialkritisch, sexy, surreal, spannend, irreführend, bringt dich zum Nachdenken - für jeden etwas. Wenn ich ein Drama schreiben müsste - "True Blood" wäre mein Vorbild.
STEPHEN MOYER: Gute Frage. Leute wie Alan Ball produzieren eben keine 08/15-Cop-Dramen, wo jede Episode demselben Schema folgt. Bei "Mad Men", "Breaking Bad" oder "Dexter" ist der Ablauf jedesmal neu, die Charaktere entwickeln sich immer weiter. Auch Alan macht ständig diese Experimente: Alle wissen, dass Vampir Eric ein böser, unmoralischer Mann ist. Wie reagiert er wohl, wenn wir ihm etwas nehmen, was ihm sehr am Herzen liegt? Das macht die Arbeit für dich als Schauspieler einfach sehr spannend. Immer fragst du dich: "Womit konfrontiert er mich als nächstes?" Beim Kinofilm ist das anders. Du bist zwei Monate am Set, vertiefst dich in deine Rolle, drehst den Film ab - und fertig. Das ist eine großartige Arbeit, aber es fehlt die stetige Weiterentwicklung, die immer wieder neue Ansätze ermöglicht. Und der Qualitätsanspruch ist im US-Fernsehen derzeit sehr hoch. Da werden all diese großartigen Serien produziert, und alle versuchen, einander zu übertrumpfen. Davon profitiert der Zuschauer.
Auch die Handlung von "True Blood" ist ja recht komplex...
STEPHEN MOYER: Ja, Sookie Stackhouse ist zwar Hauptfigur, doch Alan hat noch ein paar weitere Charaktere zu Hauptrollen ausgebaut. Als Zuschauer folgst du dem Leben einer ganzen Handvoll Menschen. Die zweite "True Blood"-Staffel verwebt nicht selten gleich vier oder fünf zeitgleiche Handlungsstränge, die an verschiedenen Orten Amerikas spielen. Wenn Vampir Bill dir auf die Nerven geht, dann gibt es genug andere Nebenschauplätze. Wenn's an einem Ort gerade sehr düster wird, geschieht am nächsten etwas besonders Witziges. "True Blood" ist düster, witzig, abgedreht, sozialkritisch, sexy, surreal, spannend, irreführend, bringt dich zum Nachdenken - für jeden etwas. Wenn ich ein Drama schreiben müsste - "True Blood" wäre mein Vorbild.
"True Blood" hat auch eine soziale, eine politische Dimension: Da geht es nicht zuletzt um Menschenrechte, um Sexualität und Toleranz.
STEPHEN MOYER: "True Blood" hat diesen Tiefgang - wenn du dich als Zuschauer darauf einlässt. Du kannst aber auch an der Oberfläche bleiben und die Show als sexy-lockeres Fernsehspektakel anschauen. Nimm nur diese Textzeile: "Angelina adoptiert Vampir-Baby." Ist ja ein lustiger Scherz, aber zugleich ein gesellschaftskritischer Kommentar. Und selbst wenn du diese tiefere Ebene nicht wahrnimmst, kannst du trotzdem über den Witz lachen. Die zweite "True Blood"-Staffel etwa attackiert besonders auch Amerikas religiöse Rechte und ihre gesellschaftliche Macht. Wir werden deshalb sicher ein paar Zuschauer verlieren. Bei jedem guten Drama schwingen solche Subtexte mit. Kinderfilme wie "Oben" oder "Toy Story" sind auch nicht bloße Kindermärchen, sondern Essays über Leben und Gesellschaft, über Menschlichkeit und Älterwerden. Gut erzählte Geschichten erreichen schlicht jeden. Das Altersspektrum der "True Blood"-Zuschauer reicht denn auch von 8 bis 80. 30 Prozent unserer Zuschauer sind ueber 55 - dabei ist es eine so sexgeladene Show.
Auch Sie selbst sind ja immer wieder recht leicht bekleidet im Bild.
STEPHEN MOYER: Ja, die Show ist ganz schön heiß. Manchmal komme ich in meinen Trailer und denke, sie haben mir für die nächste Szene kein Kostüm zurechtgelegt. Bis mir klar wird, dass ich das kleine Etwas auf dem Stuhl da anziehen soll. Doch ich habe nie verstanden, warum Zuschauer nicht sehen dürfen, wenn sich zwei Menschen küssen. Warum dürfen wir ein Paar nicht beim Sex zeigen? Sex ist schlicht Teil unseres Lebens, Teil unserer Kultur. Wenn zwei Leute wie Sookie und Bill eine wirklich romantische Liebesaffäre haben, dann gehören eben auch Sex und Lust dazu. Wir machen es schließlich alle. Sex ist fürs Fernsehen zu gewagt, aber bei Jack Bauer dürfen im Vorabendprogramm jede Menge Leute gekillt werden. Wo zum Teufel ist da die Verhältnismäßigkeit?
Huscht man vor der Szene mit dem freien Oberkörper dann einmal mehr ins Fitnessstudio?
STEPHEN MOYER: Wenn man sich neben Ryan Kwanten (Anm. d. Red.: Der Darsteller von Jason Stackhouse) behaupten muss, ist das natürlich ein Albtraum. Er ist schlicht der fitteste und durchtrainierteste Mistkerl, den ich je getroffen habe. Laut Drehbuch darf er sein Top eigentlich erst in der neunten Folge zum ersten Mal ausziehen. Doch er stand schon in Folge zwei mit nacktem Oberkörper da. Da fragst du dich natürlich: Wenn ich mir mit 60 die ganze Serie noch mal anschaue, will ich dann wirklich meinen schwabbeligen kleinen Schwimmring sehen? Ich mußte also ein bisschen härter ran. Ich werde natürlich nie wie Ryan aussehen, ich hab einfach nicht die Zeit. Als Alexander Skarsgard klar wurde, dass er seine Klamotten ausziehen muss, nahm er schnell noch mal fünf oder zehn Kilo ab. Er hatte sich nach "Generation Kill" ein wenig gehen lassen - und es gibt einfach zu viele Leute, die sich an seine berühmte Duschszene im schwedischen Film Hundtricket erinnern.
Michael Mutz
STEPHEN MOYER: "True Blood" hat diesen Tiefgang - wenn du dich als Zuschauer darauf einlässt. Du kannst aber auch an der Oberfläche bleiben und die Show als sexy-lockeres Fernsehspektakel anschauen. Nimm nur diese Textzeile: "Angelina adoptiert Vampir-Baby." Ist ja ein lustiger Scherz, aber zugleich ein gesellschaftskritischer Kommentar. Und selbst wenn du diese tiefere Ebene nicht wahrnimmst, kannst du trotzdem über den Witz lachen. Die zweite "True Blood"-Staffel etwa attackiert besonders auch Amerikas religiöse Rechte und ihre gesellschaftliche Macht. Wir werden deshalb sicher ein paar Zuschauer verlieren. Bei jedem guten Drama schwingen solche Subtexte mit. Kinderfilme wie "Oben" oder "Toy Story" sind auch nicht bloße Kindermärchen, sondern Essays über Leben und Gesellschaft, über Menschlichkeit und Älterwerden. Gut erzählte Geschichten erreichen schlicht jeden. Das Altersspektrum der "True Blood"-Zuschauer reicht denn auch von 8 bis 80. 30 Prozent unserer Zuschauer sind ueber 55 - dabei ist es eine so sexgeladene Show.
Auch Sie selbst sind ja immer wieder recht leicht bekleidet im Bild.
STEPHEN MOYER: Ja, die Show ist ganz schön heiß. Manchmal komme ich in meinen Trailer und denke, sie haben mir für die nächste Szene kein Kostüm zurechtgelegt. Bis mir klar wird, dass ich das kleine Etwas auf dem Stuhl da anziehen soll. Doch ich habe nie verstanden, warum Zuschauer nicht sehen dürfen, wenn sich zwei Menschen küssen. Warum dürfen wir ein Paar nicht beim Sex zeigen? Sex ist schlicht Teil unseres Lebens, Teil unserer Kultur. Wenn zwei Leute wie Sookie und Bill eine wirklich romantische Liebesaffäre haben, dann gehören eben auch Sex und Lust dazu. Wir machen es schließlich alle. Sex ist fürs Fernsehen zu gewagt, aber bei Jack Bauer dürfen im Vorabendprogramm jede Menge Leute gekillt werden. Wo zum Teufel ist da die Verhältnismäßigkeit?
Huscht man vor der Szene mit dem freien Oberkörper dann einmal mehr ins Fitnessstudio?
STEPHEN MOYER: Wenn man sich neben Ryan Kwanten (Anm. d. Red.: Der Darsteller von Jason Stackhouse) behaupten muss, ist das natürlich ein Albtraum. Er ist schlicht der fitteste und durchtrainierteste Mistkerl, den ich je getroffen habe. Laut Drehbuch darf er sein Top eigentlich erst in der neunten Folge zum ersten Mal ausziehen. Doch er stand schon in Folge zwei mit nacktem Oberkörper da. Da fragst du dich natürlich: Wenn ich mir mit 60 die ganze Serie noch mal anschaue, will ich dann wirklich meinen schwabbeligen kleinen Schwimmring sehen? Ich mußte also ein bisschen härter ran. Ich werde natürlich nie wie Ryan aussehen, ich hab einfach nicht die Zeit. Als Alexander Skarsgard klar wurde, dass er seine Klamotten ausziehen muss, nahm er schnell noch mal fünf oder zehn Kilo ab. Er hatte sich nach "Generation Kill" ein wenig gehen lassen - und es gibt einfach zu viele Leute, die sich an seine berühmte Duschszene im schwedischen Film Hundtricket erinnern.
Michael Mutz