.

Interview mit Sally Hawkins

Die Wahrheit über "We Want Sex"

Die Wahrheit über We Want Sex
Zum Streik bereit: Sally Hawkins als Näherin Rita in "We Want Sex" Verleih

Für ihre Rolle in "Happy-Go-Lucky" räumte sie vor drei Jahren zu recht alle Preise ab, jetzt spielt Sally Hawkins eine streiklustige Arbeiterin in einer wahren Geschichte aus den 68ern: "We Want Sex" (ab 13.1. im Kino)

Dagenham, London, 1968: Eine Gruppe von Näherinnen in der britischen Montagehalle von Ford will es nicht länger hinnehmen, dass die Frauen finanziell schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen. Sie kämpfen nicht nur gegen die Chefs von Ford, sondern auch gegen ihre eigene Gewerkschaft (die fürchtete, dass die Gehälter der Männer gekürzt werden) und ihre Ehemänner (die verlangten, dass das Essen weiter pünktlich auf dem Tisch zu stehen hat).

Mit einem wochenlangen Streik - dem ersten Frauenstreik in Großbritannien - zwingen sie schließlich Ford in die Knie und erreichen sogar, dass es gesetzlich verboten wird, Frauen für den gleichen Job weniger zu bezahlen.

Regisseur Nigel Cole ("Kalender Girls") hat die Geschichte unter dem Titel "We Want Sex" mit Sally Hawkins, Rosamund Pike, Miranda Richardson und Bob Hoskins sehr amüsant-rührend in Szene gesetzt. Wir sprachen mit Hawkins, die die Streikanführerin wider Willen spielt.

TV SPIELFILM: Mehrere Zeitungen haben den Film mit dem sozialkritischen Tanzfilm "Billy Elliot" verglichen. Sehen Sie Ähnlichkeiten?

SALLY HAWKINS Das freut mich sehr. Beide Filme basieren auf echten Geschehnissen, haben eine starke politische Message und erzählen die Geschichte eines Underdogs. Diese Frauen gab es wirklich, es waren ganz normale Arbeiterinnen, die es sich einfach nicht mehr gefallen lassen wollten, dass sie finanziell schlechter gestellt waren als ihren männlichen Kollegen.

Natürlich muss man aus dramatischen Gründen die Handlung ziemlich komprimieren und Rita O'Grady, die ich spiele, ist eine Kombination aus verschiedenen Frauen, die zu verschiedenen Zeiten für bessere Löhne streikten.
Foto: Verleih, Die Dagenham-Girls samt missverständlichem Plakat: "We Want Sex...ual Equality"
Wie haben Sie sich auf die Rolle der Streik-Anführerin vorbereitet?

SALLY HAWKINS
Ich muss gestehen, dass ich vorher noch nie etwas über diesen Streik gehört hatte. Das ist mir sehr peinlich, doch die meisten Briten haben diesen Streik einfach vergessen. Dabei hat es so viel für die Stellung von Frauen verändert und 1968 war es natürlich ein Riesending. Alle Zeitungen berichteten damals groß über den Streik und es lief auf allen Fernsehsendern.

Es gab also zum Glück jede Menge Original-Quellen, die ich recherchieren konnte. Es gibt eine Szene, in der wir mit einem halb ausgerollten Transparent vor dem Parliament protestieren, auf dem nur "We Want Sex" zu lesen ist. Den Rest, "...Sexual Equality", kann man nicht lesen - was zu einem freudigen Hupkonzert vorbeifahrernder Autos führte. Das trug sich tatsächlich so zu. Ich finde es toll, dass ich daran teilhaben kann, diese wichtige Kapitel im Kampf für Gleichberechtigung etwas bekannter zu machen.

Einige Männer kommen im Film ziemlich schlecht weg: die Chefs von Ford natürlich, die Gewerkschaftsführer, aber auch die Ehemänner der streikenden Frauen.

SALLY HAWKINS
So war es damals leider. Unser Drehbuchautor Billy Ivory interviewte viele der Frauen und las sich Anekdoten und Geschichten von damals durch. Die meisten Männer standen zwar verbal hinter ihren Frauen, aber als es hart auf hart kam, gab es viele Reibereien.

Weil die Näherinnen keine Sitzbezüge mehr herstellten, gab es irgendwann Engpässe und einige ihrer Männer wurden freigestellt - es gab einfach nicht genug zu tun. Und dazu kamen noch die üblichen Geschlechterrollen: Du kannst von mir aus streiken, aber seh zu, dass das Haus aufgeräumt ist. Diskriminierung sowohl im Haus als auch auf der Arbeit gibt es ja leider immer noch zuhauf.
Foto: Verleih, Kampf mit allen (erlaubten) Mitteln: Jaime Winstone als Sandra
Sehen Sie sich als Feministin?

SALLY HAWKINS
Ich glaube, alle Frauen sind Feministinnen. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass wir die gleichen Rechte und Bedingungen haben sollten wie Männer. Das ist ein fundamentals Menschenrecht.

Nach neuesten Studien wächst der Abstand zwischen den Gehältern von Frauen und Männern wieder.

SALLY HAWKINS
Das habe ich auch gelesen und das ist sehr bedrückend. Wir haben viel erreicht, aber es gibt noch jede Menge zu tun. Ich glaube, sobald wir in unseren Kampf für Gleichheit nachlassen, sobald wir uns ausruhen, wird sofort versucht, unsere Errungenschaften zurückzuschrauben. Wir dürfen einfach nicht locker lassen!

Hollywood ist als schlimmer "Boys Club" verschrien. Haben Sie schlechte Erfahrungen gemacht?

SALLY HAWKINS
Zum Glück überhaupt nicht. Ich glaube, das verdanke ich Mike Leigh: "Happy-Go-Lucky" hat mir jede Menge Türen geöffnet.

Interview: Tina Werkmann

Mehr zum Film We want Sex finden Sie auf Brigitte.de