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Interview mit Regisseur Anton Corbijn

"Die Action in Clooneys Gesicht"

Die Action in Clooneys Gesicht
"The American": Der Niederländer Anton Corbijn beim Dreh seines zweiten Films Verleih

Starfotograf und Regisseur Anton Corbijn im Interview zu seinem zweiten Spielfilm, dem Thriller "The American" (Kinostart: 16.9.) mit George Clooney in der Hauptrolle

"Die Action in Clooneys Gesicht"

Anton Corbijn, 55, hat in seinem Beruf als Musikfotograf schon Plattencover für U2, Depeche Mode und R.E.M. fotografiert, außerdem Musikvideos für Metallica, Nirvana und Herbert Grönemeyer gedreht. 2007 gab er sein Debüt als Regisseur mit dem Drama "Control" über die New-Wave-Band Joy Division. Im Interview spricht er über seinen Star George Clooney, seinen Freund Grönemeyer und ein für ihn bisher unbekanntes Genre:

TV SPIELFILM: Ein einsamer Mann kommt in ein kleines Dorf, um sich vor seiner Vergangenheit zu verstecken. Es klappt natürlich nicht und es gibt sogar eine Schießerei. Klingt sehr nach Western ...

ANTON CORBIJN Das ist genau die Atmosphäre, die ich erzielen wollte. Als ich das Buch "A Very Private Gentleman" von Martin Booth las, kam mir sofort die Idee eines Westerns der 70er Jahre in den Kopf. Ich sah das wilde Italien vor mir und wilder als die Abruzzen geht fast nicht. Es gibt dort kaum Touristen, ein idealer Ort. Leider wurde die Gegend wenige Wochen vor Drehbeginn von einem großen Erdbeben heimgesucht und wir mussten alle Pläne wieder umschmeißen. Die Stadt, in der wir eigentlich drehen wollten, wurde zu sehr beschädigt. Also wichen wir ins Nachbardorf aus.

Dies ist erst Ihr zweiter Spielfilm und der erste, der gar nichts mit Musik zu tun hat.

ANTON CORBIJN "Control" war auch kein Musikfilm im herkömmlichen Sinne, aber ich weiß, was Sie meinen. Der echte Unterschied für mich ist, dass ich keinerlei emotionale Bindung zum Thema dieses Films hatte. "Control" ging mir sehr nahe, weil ich Joy Division und ihre Musik so liebe. Allein aus diesem Grund traute ich mich auch, den Film überhaupt zu machen. Ich dachte, ich kann alle meine Unzulänglichkeiten als Filmelmacher durch meine Nähe zum Thema ausgleichen. Aber ich hatte so viel Spaß bei den Dreharbeiten und die Reaktionen waren so gut, dass ich mich selbstbewusst genug fühlte, noch einen weiteren Film zu drehen, der diesmal gar nichts mit Musik zu tun hat.
Foto: Verleih, George Clooney spielt den wortkargen Auftragskiller Jack in "The American"
Über die Dreharbeiten zu "Control" sagten Sie, dass für Sie der schwierigste Teil der Umgang mit den Schauspielern war - und jetzt drehten Sie mit dem berühmtesten Schauspieler der Welt.

ANTON CORBIJN Bei der Portraitfotografie versuche ich, die Seele des Menschen zu entdecken, also wie er wirklich ist. Ich bleibe im Hintergrund. Als Regisseur drücke ich einem Schauspieler eine neue Persönlichkeit auf. Das ist ein Riesenunterschied, mit dem ich immer noch nicht wirklich gut zurechtkomme.

Aber George ist fantastisch, er hat extrem viel Erfahrung, sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur und ich habe sehr viel von ihm gelernt. Ich bin ein Neuling und verlasse mich noch immer auf meine Intuition. Die Kombination hat gut funktioniert - ich habe George noch nie zuvor in einer solch dunklen, introvertierten Rolle gesehen.

Er lacht tatsächlich kaum und sieht alt, gebeugt und hager aus.

ANTON CORBIJN Es gibt sehr wenig Schauspieler, die diese Rolle hätten spielen können. Es gibt kaum Dialog im Film, die ganze Action spielt sich in seinem Gesicht ab. Und welchem Schauspieler - wenn nicht George Clooney - will man schon fünf Minuten lang zuschauen, wie er an einem Tisch sitzt und eigentlich nichts macht?

Wir haben ihm eine etwas verlotterte Garderobe verpasst, denn er darf in diesem kleinen Dorf ja nicht auffallen. Ich habe ihm lediglich gesagt, dass ich es mag, wenn er "ärgerlich" spielt. Alles andere, zum Beispiel den gebeugten Gang, hat er sich alleine zugelegt. Er ist eben ein guter Schauspieler.

Für "Control" sahen Sie sich Ken Loachs Film "Kes" an. Von welchen Filmen ließen Sie sich bei diesem Projekt inspirieren.

ANTON CORBIJN Ich sah mir Coppolas "Der Dialog" an, Sidney Pollacks "Die drei Tage des Condor" und "Zwölf Uhr mittags" . Ich mag das Tempo und die Machart dieser Filme, vor allem aus den 70er Jahren. Die Filmemacher ließen sich Zeit. Ich könnte stundenlang in einem Café in Paris sitzen und den Menschem beim Vorbeigehen zuschauen, denn jeder läuft ein bißchen anders.

Aber ehrlich gesagt, ich kenne mich mit Filmen nicht besonders gut aus, ich habe einfach keine Zeit, ins Kino zu gehen. Aber zumindest kopiere ich keine anderen Filmemacher!
Wie schwierig war es, die Produzenten zu überzeugen, Ihren Freund Herbert Grönemeyer als Komponisten anzuheuern?

ANTON CORBIJN Ganz ehrlich, es war ganz schön schwierig. Sie schauten auf YouTube nach und da sieht man Herbert eben nur als deutschen Rocksänger. Aber wir sind seit vielen Jahren sehr eng befreundet und ich weiß natürlich, dass er auch wunderschöne Musik für sehr spezifische Projekte wie Theaterproduktionen schreiben kann.

Ich fragte ihn an Weihnachten, ob er nicht etwas schreiben könnte und sowie die Produzenten das Ergebnis hörten, waren sie hin und weg. Herbert war derjenige, der mich jahrelang trietzte, dass ich es endlich mal als Regisseur versuchen solle. Und er hat recht. Viele meiner Musikvideos sind ja kleine Filme.

Wurde Ihnen der Job des Fotografen zu langweilig?

ANTON CORBIJN Nicht unbedingt langweilig, aber ich mache es schon so lange, dass es mittlerweile fast zu einfach für mich ist. Ich fotografiere natürlich auch weiterhin, machte Grafik- und Bühnendesign und bringe auch ein Fotobuch zu ‘The American' heraus. Aber ich brauche einfach neue Herausforderungen, auch wenn ich in den letzten zwölf Monate fünf Jahre gealtert bin.

Ich habe mir vorgenommen, drei Filme zu machen und dann entscheide ich mich, ob ich mich ganz auf die Regie konzentriere oder ob ich vielleicht nicht doch nur die Zeit aller Beteiligten verschwende.

Können Sie uns schon etwas über Ihren dritten Film verraten?

ANTON CORBIJN Er wird in Deutschland spielen. Mehr darf ich leider noch nicht sagen.

Interview: Tina Werkmann