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Interview mit Forest Whitaker

"Grundverschieden von mir selbst"

Grundverschieden von mir selbst
"Repo Men": Forest Whitaker als Jake Verleih

Oscarpreisträger Forest Whitaker zeigt sich im Interview zu seinem neuen Film "Repo Men" (ab 3.6. im Kino) als Fan von Martial Arts und ayurvedischer Lebensführung und freut sich, eine Rolle auch einfach nur mal spielen zu können

In Miguel Sapochniks neuem SciFi-Film "Repo Men" spielt Forest Whitaker einen brutalen Eintreiber, der Implantatskunden die frisch eingepflanzen künstlichen Organe wieder aus dem Leib reißt, wenn sie ihre Raten nicht zahlen können. Wer Whitaker hingegen privat trifft, begegnet einem nachdenklichen Mann mit Hang zu fernöstlicher Philosophie und samtweicher Stimme:

TV SPIELFILM: "Repo Men" ist ein Actionfilm voller Kampfszenen. Wollten Sie sich endlich einmal richtig austoben?

FOREST WHITAKER Die Kampfszenen haben die Rolle für mich tatsächlich sehr attraktiv gemacht. Ich liebe Martial Arts. Ich wollte endlich einmal einen Typen spielen, der sich in diesem Umfeld bewegt - angetrieben von Testosteron und sehr körperlich. Die Rollen, die ich bislang verkörpert habe, waren ja meist eher nachdenkliche, introvertrierte Typen, die sich mit inneren Konflikten herumschlugen. Ich betreibe auch privat Kampfsport, um so meinen Hang zur weicheren, kontemplativen Betrachtung des Lebens - zum Wasser, wenn Sie so wollen - auszugleichen. Yin und Yang und ihre gegenseitige Aufhebung...

Sie mussten sich diesmal also nicht monatelang minutiös auf Ihre Rolle vorbereiten - für Ihren Idi Amin in "Der letzte König von Schottland" hatten Sie sogar Akkordeonspielen und Swahili gelernt...

FOREST WHITAKER Ich will nicht sagen, dass ich mich auf "Repo Men" gar nicht vorbereitet hätte. Für die Kampfszenen haben wir sechs Wochen lang trainiert und geprobt - das brauchst du einfach, um dich auf einen Film einzustimmen. Doch für mich ist es eine ganz neue Erfahrung, eine Rolle nicht ständig mit nach Hause zu nehmen. Sondern einfach auf den Set zu gehen und drauflosimprovisieren zu können...

Nicht immerzu subtil und nuanciert auszuloten, nicht immer in einer Art Trance herumzulaufen. Repo Man Jake macht schlicht seinen Job und denkt nicht weiter nach, er grübelt nicht und nimmt alles, wie es eben kommt. Das ist so grundverschieden von mir selbst.
Foto: Verleih, Spaß beim Dreh: Forest Whitaker (r.) und Jude Law sind "Repo Men"
In "Repo Men" fließt das Blut in Strömen, Körper werden aufgeschlitzt, Organe herausgerissen. Dürfen Ihre Kinder solche Filme sehen?

FOREST WHITAKER Meine beiden Jüngsten, Sonnet und True, sind jetzt 11 und 13 - die können so etwas nicht sehen. Auf keinen Fall. Zwar prangert der Film die ganze Brutalität und unsere Desensibilisierung gegenüber Gewalt ja auch an. Doch gleichzeitig zeigt er sie eben recht genüsslich, zelebriert sie auf gewisse Weise sogar - ein bisschen wie in Videospielen.

Bei allen Action- und Blutszenen ist "Repo Men" eine Art düster-witzige politische Satire, die Themen wie Obamas amerikanische Gesundheitsreform, Kreditkrise und das Problem der gesellschaftlichen Wiedereingliederung von Soldaten nach dem Kriegseinsatz aufs Korn nimmt...

FOREST WHITAKER Solche Themen betreffen ja jeden. Jeder hat das Recht auf ärztliche Versorgung, wenn er krank ist oder behindert. Und wohin mit Soldaten, die mit posttraumatischem Stress aus dem Kriegseinsatz zurückkehren? Im Film suchen Remy (gespielt von Jude Law) und ich nach einem gesellschaftlichen Ort, der dem ähnelt, woran wir uns im Kriegseinsatz gewöhnt haben. Das Ergebnis ist entsprechend brutal. (lacht) Das zumindest ist meine intellektuelle Rechtfertigung für meine Rolle in dem Film: Es geht nicht einfach nur um einen Action-Film, in dem wir "Repo Men" für Organimplantate spielen, sondern um eine Kritik der US-Gesundheitsversorgung.

Wie war die Zusammenarbeit mit Jude Law?

FOREST WHITAKER Großartig. Ich mag seine Arbeit. Wir hatten von Anfang an einen tiefen Respekt füreinander und haben uns prächtig verstanden - ein echter Glücksfall. Fünf oder sechs Wochen haben wir für die Actionszenen trainiert. Wenn man Kampfszenen miteinander trainiert, kommt man sich ziemlich nahe. Da lernst du dein Gegenüber wirklich kennen.
Auch das Verhältnis ihrer Filmfigur Jake zum besten Freund Remy - Jude Law eben - ist ja sehr eng: eine Art von "Bromance" zweier skrupelloser Repo Men, die nach einem Verrat zur Feindschaft umschlägt...

FOREST WHITAKER Der Typ, den ich spiele, akzeptiert das Universum um ihn herum einfach als etwas Gegebenes. Er kann es nicht aushalten - oder zulassen -, wenn die herrschende Ordnung wackelt. Ohne diese Ordnung ist seine gesamte Identität bedroht, sein gesamtes Universum. Als er merkt, dass Remy aus der herrschenden Ordnung aussteigen will, tut er alles, um seinen besten Freund nicht zu verlieren - und trifft eine ziemlich schlechte Entscheidung...

Wie echte Psychopathen das so machen. Was fasziniert Sie als Pazifisten mit Hang zu ayurvedischer Medizin so an der Rolle des Psychopathen? Seit Sie Idi Amin und den spirituellen Hitman in Jarmuschs "Ghost Dog" spielten, ist die Rolle des Killers mit der überraschend menschlichen Seite ja so etwas wie Ihre Spezialität...

FOREST WHITAKER Bei solchen Rollen musst du einfach irgendeine Verbindung zu der Person finden, die du spielst. Wenn du philosophisch an so eine Rolle herangehst, dann könnte man sagen, du suchst das Licht, das diese Person mit dir selbst verbindet. Ich versetze mich in einen Charakter hinein und versuche, seine Eigenschaften in mir selbst wiederzufinden und zu verstehen.

Auch in Forest Whitaker steckt also ein Stück menschlicher Bully?

FOREST WHITAKER Ja, auch diesen Zug gibt es da. Und ich kann ihn verstärken, kann die Flamme größer und heller machen. Ich glaube, dass jeder Mensch, der mir begegnet, ein Teil von mir ist - philosophisch gesprochen. Ich finde die DNS all dieser Menschen in mir selbst wieder. Unter all den Schichten der Dunkelheit, in die Charaktere wie Jake gehüllt sind, gibt es immer irgendeine Art von Licht - und das versuche ich bloßzulegen. Dabei erhaschst du einen Eindruck dessen, was diesen Menschen verstehbar, erfühlbar macht. Und dabei lernst du dann auch etwas über dich selbst.

Interview: Andrea Daschner