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EM war gestern ...

... fetzig in zweierlei Hinsicht

belgien Hymne
Die völkische Opferbereitschaft der Belgier hält sich dahingegen sogar noch zurück, wenn gesungen wird: "Dir unser Herz, dir unser Blut!"

Das Fußballgeschäft muss funktionieren - auf dem Platz, neben dem Platz und überall rundherum. Dass diese Grundfunktionen bei der Euro 2016 noch ähnlich tief in der Findungsphase stecken wie die große Spannung, ist ein leidig besprochenes Thema. Neben Hooligan-Schlägereien, latenter Sicherheitsbedrohung und Pyrotechnik im Stadion kam gestern ein neues Feld-Phänomen hinzu: der Materialschaden.

Was begann dieser Abend verheißungsvoll: Das Spiel um den Gruppensieg. Erster Frankreich gegen Zweiter Schweiz. 45-Millionen Defensiv-Granate Xhaka gegen 160-Millionen Offensiv-Juwel Pogba. Zur Abwechslung mal ZWEI Mannschaften die Fußballspielen wollen. Nach 90 langen Minuten stand es 0:0 und wieder mal nahm die Ernüchterung ungeladen auf dem Sofa Platz. Seit zehn EM-Tagen bleibt diese Europameisterschaft vor allem mit Nebenschauplätzen in Erinnerung.


Ein genullter Materialtest
Das Trikot des Leverkuseners Admir Mehmedi kam schon nach wenigen Minuten im trendstarken Used-Look daher. Der Schweizer Käse als Jersey-Variante, wie in den sozialen Medien fröhlich geunkt wurde, nachdem Mittelfeld-Motor Granit Xhaka nach einem erneuten Trikotzupfer der Franzosen das zweite Mal seinen Fetzen von Oberhemd am Seitenrand wechseln durfte. Traurige Bilanz von Puma nach Spielende: Sieben zerrissene Shirts. Dank des Sportartikelherstellers ist die Zerreißprobe zwischen Trikolore und Eidgenossen allerdings nicht nur ein austauschbarer Einschlafhilfen-Kick von vielen geworden, sondern ein handfestes #TrikotGate.

Die Luft der Partie war nämlich spätestens in der zweiten Hälfte raus, als beide Mannschaften sich stillschweigend mit einem Unentschieden zufrieden gaben und dementsprechend lustlos auf dem ramponierten Spielfeld herumstocherten als warteten sie nur sehnsüchtig auf den erlösenden Gnadenpfiff. Der Schweizer Valon Behrami spürte das, suchte beineringend nach einem Symbolbild und trat den EM-Ball (Adidas!) kaputt, Zack fertig: Luft raus.


Sat.1 mit unterhaltsamen Quoten-Flop

Die EM-Endrunde schaffte es gestern mit ihrem ersten Parallelspiel Albanien - Rumänien (Sublizenz der Öffentlich-Rechtlichen) auch zu Sat.1. Neben einem leidenschaftlichen und schlussendlich historischen 1:0 Sieg der Albaner bekamen die Zuschauer beim Privatsender vor allem ein fußballerisches Entertainment-Programm im Gewand der #ranNFL-Berichterstattung zu sehen. Ein überdrehter Serdar Somuncu mit fehlender Fußball-Expertise durfte dort kleine Kinder im Europapark Rust verschrecken, der Bruder von Mats Hummels Trockenübungen im Stillschweigen absolvieren, EX-Kommentator Marcel Reif einen uninspirierten bis gelangweilten Eindruck hinterlassen und der Social-Media-Sidekick "Icke" Dommisch in überzogenem Berliner Akzent die eigenen "Ran"-Tweets huldigen. Moderator Frank "Buschi" Buschmann saß souverän daneben und versuchte gegen das ZDF ein dreckiges Unentschieden rauszuholen. Auf 0,65 Millionen Zuschauer kamen die Höhepunkte (Zielgruppe: 4,6%) des "ran EM Talk". Da holte selbst die Claus-Kleber-Reportage "Schöne neue Welt" mit 1,91 Millionen Zuschauer deutlich stärkere 17,1 Prozent Marktanteil. Aber mal ehrlich: Gegen das vergleichbare "Beckmanns Sportschule"-Format aus Malente war der Sat.1-Talk immer noch ein fetziges 4:3 Spektakel mit Hacke, Spitze eins, zwei, drei.

Steven Sowa