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EM war gestern ...

Ein folgerichtiges Finale

Es sah lange so aus, als wären dies die Bilder des Spieles: Cristiano Ronaldo am Boden, so verzweifelt, dass er die Motte, die sich zwischen seinen Augen niederlässt, nicht bemerkt. Cristiano Ronaldo, der weinend seinem Stellvertreter Nani die Kapitänsbinde umbindet.

Aber es waren schließlich andere Bilder, die sich einprägten: Ronaldo, der an der Seitenlinie gestenreich zu einem zweiten Trainer mutierte, geduldet vom eigentlichen Coach Fernando Santos. Oder Ronaldo, der mit dem Pokal trotz dreier Champions-League-Titel jubelte wie am ersten Tag. Und dabei gelöster, sympathischer und erwachsener wirkte als je zuvor.

Ob Portugal ob seiner Gesamtleistung über das Turnier hinweg den Titel verdient hatte, bleibt fraglich, genauso fraglich, wie die Frage ob es im Fußball überhaupt so etwas wie verdiente Sieger gibt. Portugal ist aber auf jeden Fall über die Jahre hinweg ein nicht überraschender Sieger, sie kamen in den letzten Europameisterschaften seit 1996 immer mindestens ins Viertelfinale. Mit der goldenen Generation um die Schönspieler Luis Figo und Rui Costa reichte es jedoch nie zum Titel. Also setzen die Macher vermehrt auf robuste Kämpfer um ihren Superstar Ronaldo und holten letztlich den Titel sogar ohne ihn, sondern mit elf Fußballarbeitern.

Der portugiesische Triumph war auf jeden Fall ein folgerichtiger, der das Turnier im Ganzen widerspiegelt. Die Portugiesen profitierten von der Aufstockung und dem neuen Modus des Turniers, der auch den Gruppendritten weiterkommen ließ. In ihrem ersten Spiel bissen sie sich die Zähne am konsequent verteidigenden Außenseiter Island aus - und lernten daraus. Ab dem Achtelfinale setzen sie selber vermehrt auf eine defensive Taktik. Dass sie damit Erfolg hatten, ist ein Beleg für die vielbeschworene Islandisierung des abendländischen Fußballs.

Die EM war insgesamt geprägt von der Taktik und der Defensive. Und das sorgte trotz der Unkenrufe vieler Experten und unbelehrbarer Fußballromantiker für eine höhere Attraktivität. Die Spiele lebten zwar nicht von vielen Toren, dafür aber von der Spannung. Partien, die nach zwanzig Minuten entschieden sind und mit 5:0 endeten, gab es nicht. Alle sogenannten "Kleinen", die durch die Aufstockung mitmachen durften, überzeugten, machten es den Großen schwer und sorgten durch ihre Folklore ("Huh", "Will Gregg is on Fire") für Buntheit.

Dass Europa zumindest im Fußball zusammenwächst, ist die positive Lektion des Turniers.

Sebastian Milpetz