Es war kein Tag für die deutsche Nationalmannschaft. Nicht nur, dass nach drei großen Ausfällen (Khedira, Gomez, Hummels) in allen wichtigen Mannschaftsteilen Ersatzlösungen herhalten mussten. Nein: Es sollte einfach nicht sein an diesem lauen Abend des 07. Juli. Wer hätte gedacht, dass es vor allem das Sturmzentrum ist, welches durch den Wegfall des zwei Jahre lang nicht berücksichtigten Mario Gomez zu schwach für die Franzosen ist?

Vor dem Spiel lagen die Bedenken insbesondere auf der defensiven Stabilität, ob der Offensivgewalt von Antoine Griezmann, Olivier Giroud und Co. Der Ersatz für's defensive Mittelfeld kam in Form des Kapitäns: Bastian Schweinsteiger machte seinen Job super, sollte jedoch mit seinem verursachten Handelfmeter in der 47. Minute zum tragischen Helden avancieren.

Auch Hummels konnte mit dem Schalker Kapitän Benedikt Höwedes ordentlich ersetzt werden, seine Brachialgrätsche aus der 42. Minute findet man ab sofort in der Liste "deutsche Naturgewalten". Aber es war eben nicht der Tag der Nationalelf: In der 61. Minute machte die Wade der Nation unfreiwillig Feierabend. Shkodran Mustafi ersetzte den bärenstarken Boateng - den Abräumer und Stabilisator, aber eben auch den überlebenswichtigen Pfeiler für die diagonalen Spieleröffnungen.

"Die Mannschaft" trotzte den Widrigkeiten mit Leib und Seele: So war die Elf um die bockstarken Manuel Neuer, Toni Kroos, Mesut Özil und Julian Draxler feldüberlegen, hatte mehr Ballbesitz und eine höhere Passquote, lief rund fünf Kilometer mehr als der Gegner und gewann auch mehr Zweikämpfe als er. Nur, am Ende stand es 2:0.

Die Folge: Ein Bundestrainer mit dem Blick eines getretenen Hundes und der gebrochenen Stimme eines seiner Schokolade beraubten Kleinkindes. Doch der Medienbetrieb kennt keine Ausreden. Es gehört zur sportmedialen Tradition, dass der Bundestrainer nach einem Turnierspiel in das Studio von ARD oder ZDF kommt und sich den Fragen von Gerhard Delling (ARD) oder Katrin Müller-Hohenstein (ZDF) stellt. So saß Joachim Löw gestern im ZDF-Studio und bließ derart Trübsal, dass Gerüchten zufolge selbst Oliver Kahn einen schmerzhaften Schluchzer vor den Kameras verbergen musste. Doch bei aller Rührseligkeit wurde man den Eindruck nicht los, dass dieser Joachim Löw mehr als nur kurzfristig frustiert ist. Er wirkte abgenutzt, verbraucht und irgendwie hoffnungslos.

Sein Wettern gegen den aufgestockten Turniermodus und die mit fünf Unentschieden ins Finale gekommene portugiesische Mannschaft? Geschenkt. Auch ein 56-jähriger Bundestrainer darf mal emotional sein, sich aufregen. Er soll es vor allem, denn so sehen wir für einen kurzen Moment den Menschen hinter der Trainer-Fassade aufblitzen. Ein seltenes Erlebnis. Ein wichtiger Moment.

Doch seine Enttäuschung scheint in diesen Minuten so riesig zu sein, dass er auf Katrin Müller-Hohensteins Frage, ob er im August beim Testspiel gegen Finnland auf der Bank sitze, nur kleinlaut, fast resigniert antwortet: "Ich denke mal."

Wir kennen diesen Joachim Löw: Nach der Halbfinal-Niederlage gegen Italien 2012 war er mächtig niedergeschlagen und danach wochenlang vom Erdboden verschwunden. Er wollte in sich gehen, den Rückschlag verdauen, sich sammeln. Zwei Jahre später holte er furios die Weltmeisterschaft in Brasilien. Doch der Unterschied ist: Damals hatte er sich vercoached, es war seine Schuld und das wusste er. Dieses Mal lag es vor allem an einem Mangel an Alternativen und das bereitet ihm möglicherweise mehr Angst, als ein herbeigeschriebenes Italien-Trauma.

Doch ganz ehrlich: Es war einfach nicht der Tag der deutschen Mannschaft. Nicht mehr und nicht weniger.

Steven Sowa

Ein Nörgel-PS: Filigran-Franzosen mit martialischen UH!-Schlachtrufen - das wirkt, als würde Coldplay plötzlich Gangsterrap performen. Lasst das bitte und singt wieder eure Marseillaise - damit tut ihr sicherlich auch den Isländern einen großen Gefallen. Danke.